Jedes Jahr gibt es ein neues Unwort. Remigration. Klimaterroristen. Alternative Fakten. Gutmenschen. Lügenpresse. Sozialtourismus. Opfer-Abo. Notleidende Banken. Herdprämie. Kollateralschaden. Rentnerschwemme. Überfremdung.
Es sind grauenvolle Worte, bei denen einem schon beim Lesen ganz anders wird. Immer steckt eine üble Gesinnung dahinter, sehr oft ein menschenunwürdiges Gedankengut. Wobei Gedankenschlecht der bessere Ausdruck wäre. Denn was ist schon gut an Gedanken, die derartige Unworte zur Folge haben? Nichts. Regelmäßig geht es gegen Menschen mit Migrationshintergrund. Gegen Geflüchtete. Gegen Frauen. Gegen junge Leute. Gegen Alte. Gegen Arme. Gegen die Medien. Gegen das, was die Gesellschaft zusammenhält. Oder sie zusammenhalten sollte.
Ein Unwort ist immer gegen. Das ist gut. Es rüttelt auf – außer jene, die es betrifft. Es schafft Bewusstsein – wenn auch nicht bei denen, die das bräuchten. Eines schafft das Unwort aber immer: Es lässt die Gesellschaft nicht kalt.
Trotzdem. Mir ist gerade nicht nach Unworten. Die Gesellschaft ist so aufgeheizt und die Stimmung so schlecht (auch ich bin politisch alles andere als heiter gestimmt), dass ich jetzt einmal schöne Worte hören will. Schöne, alte Worte. Worte, die buchstäblich wunder-voll sein können. Worte, die untergehen. Um die sich niemand kümmert. Die auszusterben drohen. Die will ich retten. Weil nicht nur die Unworte uns ausmachen, sondern auch gute Worte. Das sind ein paar dieser Wunderworte:
Kleinod. Kleine Kostbarkeit. Ganz oben auf meiner Liste.
Firlefanz. Dummes Zeug, dahergeredet.
Fisimatenten. Unsinn. Es kommt aus dem Französischen und geht zurück auf das 19. Jahrhundert. Die Franzosen hatten das Rheinland besetzt. „Visite ma tente!“ („Besuche mein Zelt!“), sollen die Soldaten den junge Frauen zugerufen haben. Die Eltern reagierten wenig begeistert: „Mach mir keine Fisimatenten!“, sagten sie ihre Töchtern. Ach, du schönes Rheinland.
Larifari. Für sinnloses Gerede.
Klimbim. Kleine, unnütze Dinge, die nichts wert sind.
Isegrim. Der Wolf, der nicht gefährlich ist, weil es ihn nur in Märchen gibt.
Eselsbrücke. Viele kennen sie als Gedächtnisstütze. Aber die wenigsten wissen, woher das Wort kommt. Aus der Tierwelt. Esel gehen nur ungern durch fließendes Wasser, weil sie nicht einschätzen können, wie tief es ist. Daher wurden ihnen früher kleine Brücken gebaut – eben Eselsbrücken. Das war zwar umständlich, führte aber besser und schneller ans Ziel. Wie unsere Eselsbrücken heute. Der Esel, das wundersame Wesen, mein Lieblingstier…
Habseligkeit. Das ist das vielleicht schönste Wunderwort von allen. Denn es steckt so viel darin: Das, was ich habe, macht mich selig. Was mich selig macht, ist mir wichtig. Was mir wichtig ist, nehme ich mit. Auch wenn es überflüssig ist.
Manchmal wäre ich selbst gern eine Habeseligkeit. Eine Habseligkeit Gottes. Das würde mich selig machen. Richtig selig. Dann ertrüge ich auch die vergifteten Unworte leichter. Und das, was dahintersteckt.