Diesmal schreibe ich nichts über Politik, nahm ich mir vor. Mit meinem Blog über Hubert Aiwanger sollte es erst einmal getan sein, dachte ich. Doch es funktioniert nicht. Nach allem, was in Bayern in Folge des skandalösen, judenfeindlichen Flugblatts mit und um Aiwanger geschehen ist, nämlich nichts … Nach allem, was die Spitzen der christlichen Kirchen dazu gesagt haben, nämlich nichts …
Nach allem, was sich jedenfalls die katholische Kirche stattdessen leistet (und nicht nur sie!), nämlich eine unsägliche Diskussion über die Frage "Wie hältst du es mit der AfD?", muss es wieder politisch werden. Weil es mich umtreibt. Und ich am liebsten wie Jesus in den Tempel gehen würde, um die Tische der populistischen Händler:innen umzuschmeißen, sie hinauszujagen und ihnen nachzurufen: „Macht nicht unser Haus der Demokratie zum Haus eurer Hetze!“
Was ist geschehen? Nach dem klaren Nein der Präsidentin des ZdK, Irme Stetter-Karp („Wer in der AfD ist, darf in der Kirche keine Macht bekommen.“), ergriff der Augsburger Bischof Meier das Wort. Zwei Wochen vor der gestrigen Wahl in Bayern, was gewiss kein Zufall war. Eine AfD-Mitgliedschaft könne „kein Kriterium“ sein, „Menschen auszuschließen“, sagte er. Schließlich habe sich die AfD „mittlerweile in der Parteienlandschaft etabliert“. Als sei das ein Kriterium. Als handele es sich bei der AfD um eine normale Partei. Als verträte sie keine antisemitischen und rassistischen Positionen. Als schüre sie nicht permanent Hass und Hetze. Und das mit enormem Erfolg, wie die Wahlen in Hessen und Bayern gezeigt haben.
Selbst den Krieg der Hamas gegen Israel weiß die AfD ausländerfeindlich zu nutzen. Kaum hatte er begonnen, postete ihr News-Kanal auf X, vormals Twitter: „AfD wählen, damit Islamisten die Taten ihrer barbarischen Glaubensbrüder nicht mehr im Land der Ungläubigen feiern müssen (gemeint ist Deutschland). Stattdessen Remigrations-Anreize und Abschiebung.“ Und weiter: „AfD wählen, weil wir sonst bald mit hunderttausenden palästinensischen Fachkräften ‚beschenkt‘ werden. Stattdessen: Grenzen dichtmachen und Migrationsströme umkehren.“
Und so weiter.
Den Bischof kümmert das nicht. Stattdessen macht er sich zum Steigbügelhalter einer rechtsextremen Gesinnung, die an Menschenverachtung kaum zu überbieten ist. Er fordert Differenzierung, wo es nichts zu differenzieren gibt. Und gesellt sich ohne Not in die unrühmliche Reihe der katholischen Bischöfe, die schon zur Nazi-Zeit nicht aufbegehrten. Die im Gegenteil sogar Sympathien mit einigen Positionen der Reichsregierung hatten, entsprachen die doch den ihren. Der Augsburger Bischof macht genau dasselbe, wenn er sagt, die AfD träte wie die Kirche „für den Schutz des ungeborenen Lebens und die Ehe zwischen Mann und Frau“ ein.
Und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz? Spricht er ein Machtwort? Nein. Denn seine Haltung ist unklar. Zwar hält Georg Bätzing „die AfD in ihrer Gänze und ihrem Programm und das christliche Menschenbild nicht für vereinbar“, sagt jedoch gleichzeitig: „Aber es gibt sehr unterschiedliche Situationen. Und auch die AfD ist nicht überall gleich.“ Als gäbe "Situationen", in denen es richtig sei, AfD-Mitgliedern kirchliche Ämter zu übertragen. Als gäbe es gut und schlechte AfD-Vertreter:innen …
Damit nicht genug. Zur gleichen Zeit liefen die Bischöfe Voderholzer und Koch beim „Marsch für das Leben“ mit, unterstützt von Bischof Bätzing, der in einem Grußwort schrieb: „Ich wünsche dem 'Marsch für das Leben' viel Erfolg und Gottes Segen.“ Natürlich kann man „für das Leben“ eintreten. Aber doch nicht mit einer Organisation, die bekannt ist für ihre Nähe zu Rechtsextremisten. Wie groß die Nähe ist, manifestierte sich in einem Pressefoto, das Voderholzer neben einem Rechtsradikalen zeigt. „Das Bistum Regensburg und Bischof Rudolf distanzieren sich ausdrücklich von diesem Foto!“, reagierte das Bistum prompt. Vom Foto. Nicht von den Organisator:innen. Dass die Kirche damit dem Rechtsextremismus Vorschub leistet, sieht sie nicht. Oder will sie es nicht sehen?
Dazu der permanente ausländerfeindliche Populismus des Friedrich Merz, der lügt, um am rechten Rand zu fischen. Der die „Brandmauer“ zur AfD immer weiter einreißt und damit einer Partei hilft, die der Verfassungsschutz als "Verdachtsfall" einstuft. Der in Kauf nimmt, dass das C im Namen CDU allmählich zur Farce wird. Und die AfD? Wächst und wächst.
Da ist es doch kein Wunder, dass sich das politische Klima vergiftet. Dass Vorurteile bedient und Unwahrheiten verbreitet werden. Dass die Sprache verroht. Dass Deutschland dünnhäutiger wird. Dünnhäutiger und aggressiver. Und nichts, aber auch gar nichts spricht dafür, dass sich das ändert. Denn in einem Jahr sind wieder Wahlen. In Brandenburg. In Thüringen. In Sachsen. Es sind Hochburgen der AfD.
Und die Würde der Menschen, die das Grundgesetz über alles stellt, verliert langsam an Bedeutung. Genau wie das christliche Menschenbild. Wenn wir nicht aufpassen. Wenn wir nicht wie Jesus im Tempel wüten, um unser demokratisches Haus schützen. Vor Demagogen. Und ihrem Hass. Vor ihren Lügen. Und ihrem Rassismus. Weil es um Menschen geht. Und unsere Demokratie.