Milla kann es nicht ertragen, wenn sie allein essen soll. Sie kann nur essen in Gesellschaft, denn essen heißt Gesichter schmecken. Sie sucht sich im Kopf MamaPapa oder Frida und Martin, sie stellt Fotos auf, wenn sie nicht da sind, sie geht ins Café und fragt sich an den besetzten Tisch heran, an die Leute, sie erträgt ihren schweigenden Unmut.
Eines Tages fragt der Mann ihr gegenüber nach ihrem Namen, man fragt eigentlich nicht nach dem Namen, einfach so, aber er fragt - Milla sagt sie. Er sagt Milla und es klingt nach Bauch und Kehle. Ich heiß Marian sagt er, Marian. Marian und Milla sitzen und es ist still. Ich mag gern essen, wenn andere dabei sind sagt sie. Dann lass uns essen sagt er.
Und von Stund an sind sie ein Leib, ein Fleisch, eine Mahlzeit, sie werden ein Gasthaus gründen, ein Haus, in dem sie nie mehr einsam essen, ein Haus, wo man kommen darf wie man kommt, ohne Kragen und hungrig nach dem anderen Wort, nach Gesichtern und Koriander. Man wird sich erzählen, es passiert Gesang bei Tisch - 'was wollen wir trinken', man spricht von den Abenden, wo man kochte, was man brachte - Schokolade und Fisch, Sellerie und Steckrüben, Quitten und Chili. Und als das Geld ausgeht, laden sie weiter ein. Die Leute zahlen die Miete.
'Das ist mein Leib, das hier ist Fleisch von meinem Fleisch' sagt eines Tages ein Mensch ohne Kragen am Tisch. Er ist neu hier, auch er mag nicht allein essen. Er hat gefunden, was er suchte, die Gesichter, das Lied, die Nelken.
Er wird sie beerben, sie erfahren es Wochen später nach seinem Tod. Ein echtes Vermögen. Das Testament ist eröffnet, der Notar sitzt nun abends mit am Tisch und erholt sich vom Reichtum der Korrekten, die Krawatte darf wehen. Gezahlt wird nicht mehr. Es ist alles umsonst.