Spiritus-Blog
Supersexy Oberlippenbart
Von Zeit zu Zeit die Welt beobachten - das tue ich einmal im Monat für diesen Spiritusblog hier. Diesmal hatte ich leider keine Zeit. Ich mußte nämlich eine Serie bingewatchen: Ted Lasso.

Ted Lasso ist ein amerikanischer College-Football-Coach, der eine britische Fußballmannschaft trainiert. Er hat keine Ahnung von Fußball (ungefähr so wie ich), ist sehr us-amerikanisch immer ein bißchen drüber gut gelaunt, trägt einen prächtigen Oberlippenbart wie dereinst Magnum in den 80ern. Und: er ist einfach wunderbar.

Lasso ist zu ausnahmslos allen nett. Er backt die perfekten Biskuits für die angespannte Chefin, erkennt die fulminanten Fähigkeiten des Zeugwarts und macht aus einer Gruppe zerstrittener junger Männer ein Team. Dabei täuscht er nie etwas vor, was er nicht ist. Er sieht das Potential in allen und ist ein Meister darin, andere zu dem Wertvollen in sich selbst zu führen. Sein Motto ist: „I believe in believe.“ („Ich glaube ans Glauben.“)

Die Serie ist Teil eines Phänomens, das ich schon länger zu beobachten meine: der erstaunliche Erfolg von Geschichten, die davon erzählen, dass Menschen gut zueinander sind, aufrichtig, freundlich, verletzlich - und dass so die Welt ein besserer Ort wird. „Queer Eye“, über das ich schon einmal hier geschrieben habe, gehört zu dieser Art von Storytelling, „Sex Education“, dessen dritte Staffel gerade startet, die Fantasy-Apokalypse „Sweet Tooth“ - und eben "Ted Lasso", das überraschend zur erfolgreichsten AppleTV-Produktion wurde.

Man braucht eine Menge Taschentücher beim Schauen dieser Serien, auch bei „Ted Lasso“, das doch an sich ein Comedyformat ist. Weil es zu Tränen rührt, Menschen dabei zuzusehen, wie sie an das Gute in sich und in der Welt glauben, an das Schöne in allen, an die Wahrheit und an das Ende von Lüge und Konkurrenz. Dass es in diesen Serien v.a. Männer sind, die so handeln und damit patriarchale Bilder von Männlichkeit andauernd dekonstruieren, kommt als Ermutigung noch dazu. Oder um es mit Keeley aus „Ted Lasso“ zu sagen: verwundbar und leidenschaftlich zu sein - das ist supersexy.

Vielleicht, hoffentlich kündigen diese Serien etwas an. Vielleicht, hoffentlich haben wir alle genug von Dauer-Competitions, von einsamen Held*innen, von Duellen, Triellen und Schmutzkampagnen aller Art. Genug von den Ablenkungsmanövern und Lügen, die wir einander auftischen, um nicht verletzt zu werden.

Vielleicht, hoffentlich ist das hier gerade ein neuer Versuch von dem, was Jesus meinte, als er zu uns sagte: "Ihr seid das Licht der Welt."

 

Wochenaufgabe:

Natürlich Ted Lasso schauen. (Gibts auf Apple TV)

Versuchsweise ans Glauben glauben.

Bei Bedarf: einen Oberlippenbart wachsen lassen.