Geschafft
Von Zeit zu Zeit die Welt beobachten. Zurückschauen.

Letzte Woche hat Beatrice von Weizsäcker hier im Spiritusblog davon geschrieben, dass es ihr zu schnell geht mit dem „Pandemie endlich vorbei“, mit der Freiheitseuphorie und dem unbedingt jetzt alles nachholen.

Mir geht es auch zu schnell. Auch ich bin noch nicht so weit. Bin müde und dünnhäutig und zu viele Menschen, vor allem wenn sie von der eher rauhen Art sind, strengen mich noch mehr an als „davor“. Ich bin einfach noch längst nicht fertig mit diesen letzten Monaten, die so anders waren als alles, was ich mir zuvor hätte ausdenken können. Mit mir, die ich so gleich und so anders war.

Bevor der Juli kommt und die Routinen des Sommers, dieses große Ausruhen, um danach oje noch leistungsfähiger zu sein. Bevor dann „alles“ wieder so richtig los geht - oder auch nicht. Bevor welche versuchen, nahtlos an das Davor anzuknüpfen. Vor all dem also schaue ich zurück. Mit einem liebevollen Blick auf mich selbst. Ich schaue ausnahmsweise auf alles, was ich geschafft habe:

Ich habe gelernt, eine Sellerieknolle im Ganzen im Ofen zu braten.

Ich habe lieber Gebete geschrieben als den Schrank aufzuräumen. Und ich bin deshalb nicht mal böse auf mich.

Ich habe mit einem kleinen wunderbaren Rudel zusammen über 1000 Leuten gezeigt, wie man Gott begegnen kann im Zoomraum (dabei war ich vor März 2020 noch nie in einer Videokonferenz gewesen).

Ich habe in Wolfsburg so getan, als sei ich am Hudson River, habe in Kaffeeflecken Haustiere entdeckt und meinen Kopf in die Leere der Waschmaschinentrommel gelegt. Das alles fand ich ganz normal.

Ich habe Sachen besser gekonnt als andere und mich nicht dafür geschämt. Ich habe Sachen schlechter gekonnt als andere und mir so einigermaßen dafür vergeben.

Ich habe mich völlig zurecht über bestimmte Leute aufgeregt. Und es gelegentlich geschafft, damit wieder aufzuhören.

Ich habe fast jeden Tag einen BH angezogen und meine Wimpern getuscht.

Ich hatte immer genug Knoblauch und Olivenöl im Haus.

Ich habe in Podcasts ganze Sätze gesprochen (jedenfalls ab und zu) und es hat mir großen Spaß gemacht.

Ich habe öfter als früher gesagt „Ich habe Besseres zu tun“, bin mehr an Seen gesessen und auf dem Spielplatz beim Altglascontainer. Einen Rotmilan habe ich gesehen und mich mit einem Reh unterhalten - gar nicht weit von meiner Wohnung entfernt.

Ich habe sehr oft irgendwann wieder aufgehört zu weinen.

Ich habe dich nicht verloren.

 

Wochenaufgabe:

Notiere, was du geschafft hast. Vertraue das andere Gottes Gnade an.