Macht die Kirchen auf und lasst die Leute mitspielen - es ist aus mit der Hoheit!
Neben das Prinzip ‚Heimat in der Gemeinde finden‘ wird  - auch durch den materiellen Einbruch -  in 20-30 Jahren ein starkes anderes getreten sein. Das könnte man ‚Mitspielen‘ nennen.

Geh ich zu dir kommst du zu mir - christliche Gastfreiheit

Neben das Prinzip ‚Heimat in der Gemeinde finden‘ wird  - auch durch den materiellen Einbruch -  in 20-30 Jahren ein starkes anderes getreten sein. Das könnte man ‚Mitspielen‘ nennen: Eine Art durchlässiger und selbstverständlicher Verkehr der Kirchengemeinde mit anderen sozialen Mitspielern. In den kargeren Teilen Ostdeutschlands kann man es jetzt schon sehen: Fürsorgerin, Parteifunktionäre, Ärzte, Beratungsstationen arbeiten Hand in Hand mit der Kirche, weil man nur zusammen Nöte lindert und Lebensfreude fördert. ‚Kirchliche Heimat‘ gibt es dort trotzdem, aber die sie bereitstellen, sind ganz anders eingebunden ins gesellschaftliche Leben der Kommune. Dadurch ergeben sich völlig neue Koalitionen und Erkenntnisse. Im KGR sitzen dann auch ein paar interessierte Atheisten, einfach, weil sie sich einsetzen für sinnvolle Gemeinwesenarbeit - und gewogen wahrnehmen, wie andere neben ihnen Gott glauben. Das geht besser, als man denkt und belebt die Debatte.

Es ist möglich, sich jetzt auch in reicheren Gegenden auf solche Tendenzen in Ruhe einzurichten, solange noch Geld da ist. Dann ist Gastlichkeit und Teilen eingeübt, wenn es enger wird.

Gleichzeitig braucht es interne Schulung, die Kirchlichen hilft, ihr eigenes Christsein zu begreifen, wenn es sich aussetzt. Dabei könnte ein Effekt entstehen, den man aus anderen Lebenslagen kennt: Wer sich anderen gegenüber erklären muss, versteht sich und das Eigene besser.

 

Vorbereitungen auf eine andere Gastfreiheit

Neue Grundierung in christlicher Weltkunde

Christliche Kultur versteht sich nicht mehr von selbst, nur weil es Sonntage gibt, Trauerfeiern oder Weihnachten. Kirchenferne Leute sagen z.B. als Reflex auf kirchliche Bestattungen: „Ich verstehe nicht, was ihr da sagt über Gott. Ich glaube auch nicht, was du, Pastor, glaubst. Aber ich glaube DIR, wenn Du ehrlich bist mit dir und mit uns.“ Das umreißt meist die maximale Annährung Fernstehender. Und die stellen inzwischen deutlich mehr als die Hälfte bei Trauungen, Taufen und Beerdigungen. Kirchliches Personal kann also ehrlich und sympathisch sein und damit punkten. Aber das reicht auf Dauer nicht. Es  braucht mehr Ausbildung darin, auf die Fragen adäquat zu reagieren, die wirklich im (gesellschaftlichen) Raum auftauchen. Christliche Leute brauchen  eine Art Kompetenz darin, in der Welt zu lesen, Neugier, z.B. eine Biografie ‚auszulegen‘. Das Leben anzugehen wie Exegese, auch einen Schlagertext von Helene Fischer, ja, von Helene Fischer - weil sie offenbar viele Leute berührt. Und was viele anfasst, hat Bedeutung - da stecken Fragen. Überall lauert Offenbarung. Nicht nur in den Heiligen Texten. Diese Freude am Lesen in allem wäre eine der grundlegenden Voraussetzungen für Gastlichkeit. Lernt das kirchliche Personal das irgendwo? An der Uni schon mal gar nicht. Hier ist ein umfassender Lehrgang angesagt.

 

Vergnügte Marginalität im Spiel der Kräfte

Statt des umtriebigen ängstlichen Gewühls, das sich in vielen Gemeinden einstellt, weil sie an Bedeutung verlieren, wäre eine neue Haltung interessant: Raus aus dem defensiven Sog, an Bedeutung zurückgewinnen zu wollen. Rein in eine Art von heiterer Sonderrolle. Schon dieser Zimmermannssohn war eine marginale Figur, sein Tross von  Begleitern ein Haufen Verkrachter, die Wirkung zu Lebzeiten winzig. Aber sie haben gut gelebt und uns posthum aufgemischt. Also neu lernen, vom Rand her mitzuspielen, in kommunalen Angelegenheiten mitzusprechen ohne Lufthoheits-Ansprüche, eher eigenartig, originell -  und marginal. Wir sind befreit zur originalen Randständigkeit. Endlich!

Jetzt können die Ideen auftauchen, die wir schon immer - abgelenkt von unzähligen Regenrinnen-Reparaturen und Hecken-Pflege-Verträgen -  träumten. Z.B. in den eigenen Reihen mit echter Beteiligung anfangen: 30% des Jahresetats als Finanztopf ausweisen, von dem jeder etwas anteilig bekommt, der eine Initiative im Raum der Kirche mit inhaltlicher Verbindung zu ihr startet. Mit der Auflösung von eigenen Erbhöfen beginnen. Das regt auf und stiftet Unruhe. Besitzstandswahrer werden beleidigt sein. Aber so kommen andere Leute ins Haus. Das kann man mögen.

Allein diese beiden inneren Richtungswechsel wären aufregend neue Paradigmen. Ein Generationenprojekt. Christen verstehen etwas von Liebe und Tod und  von himmlischer Heimat in der ortlosen Randständigkeit. Damit kann man punkten – solange man nicht nur bescheiden ‚Heimat auf der Couch‘ sucht. Solchen Gemeinden laufen auch andere Leute zu als bisher.

Räume der Gastfreiheit - eine Auswahl

Gottesdienst

Der braucht immer die Pflege der Geheimnisse, die alten ungeheuren Wörter, die niemand wirklich versteht. Die großen Gesten. Das soll weiter bestehen. Sonst geht der eigene Grund verloren. Aber die Eingeweihten werden nie verlangen, dass irgendein Fremder ihre Riten von jetzt auf gleich teilt. Ihr Sonntags-Gottesdienst ist das Parkett für Turniertänzer, die ihre Schritte trainieren. Das  ist nichts für Anfänger.

Deswegen kann Gottesdienst auch anders: Kirche aus dem Häuschen. Wir kommen in deinen Vorgarten, feiern da Gottesdienst und helfen anschließend bei der Gartenarbeit. Du gibst uns Essen.

Wir feiern mitten auf der Kreuzung, wo immer so viele Unfälle geschehen.

In manchen Gottesdiensten  finden sich plötzlich Lebens-Experten, die etwas lieben oder können, z.B. zum Thema ‚Geburt‘ zu Weihnachten -  Sozialamts-Mitarbeiterin und ihre Erfahrungen mit Neugeborenen in Familien, Hebamme, Tierpfleger. Sie werden gehört mit ihrem Weltwissen, egal, ob sie christlich sind oder nicht. Hauptsache, sie lieben, was sie tun. Liebe macht sie schön. Uns auch. Dazu kleine geistliche Einlassungen, alles nebeneinander. Keine Predigt. Nur das. Da funkt es im Kopf der Hörer, und die Expertinnen fühlen sich geehrt.

Öfter mal gibt es statt der Predigt eine Fragestunde mitten im Gottesdienst: Menschen können alles fragen, ein Team aus Geübten antwortet spontan, was es weiß. Schweigt, wenn es nichts weiß. Dafür haben sich Leute – u.a. auch nichtchristliche - miteinander vorbereitet mit großem Vergnügen. Weil sie endlich auf echte Fragen antworten können, statt immer nur im Blindflug Antworten auszuteilen auf Fragen, die niemand stellt.

 

Öffentlichkeit

Social Media können die 20jährigen. Die sollen das machen. Nur Rentner mit Gemeindebrief-Gestaltung zu betrauen ist weltfremd. Entweder Schaukasten, Brief, Webseite sind bewusst old fahioned, dann gern mit alter Schrift und pointiert antik, schwarzweiss als Stil. Oder sie gehen nach vorn mit knackigen Bildern, originellen Ausschnitten und  nicht mit Kaffeetafeln, die viele kleine Leute von hinten zeigen. Auf den wenigsten Webseiten sieht man das Personal von Gesicht zu Gesicht. Trauen sie sich nicht? Manchmal sucht man lange nach der Adresse oder nach einer Innenansicht der Kirche. Das geht mit wenig Aufwand auch anders.

Der  Kirchturm ist eine spannende Fläche für Kletterer, Banner, seltsame Sprüche statt Bibel-Einerlei: ‚Wichtiger als dass du an Gott glaubst, ist, dass Gott an dich glaubt.‘.

Jemand betreut auf der interaktiven Webseite laufend Fragen und Anregungen und reagiert schnell und pfiffig -  ein super Praktikum für Theo-Studis.

In der örtlichen Zeitung kommen keine abgestandenen Kalenderandachten mehr aus der Gemeinde, die sich irgendwer bibelfest abgedrückt hat, sondern freche Bemerkungen aus christlicher Sicht zur neuen Ortsumgehung, zur kleinen Andrea, die auf dem Schützenfest gewonnen hat, zur Eröffnung des Supermarkts und  zum Besuch der Sternsinger. Selbstverständlich nimmt man Leute aus der Kommune auf in die Webseite und schildert ihr Leben, egal ob sie fromm sind oder nicht. Würdigung nannte man sowas früher. Ein Fotoprojekt bildet Leute aus dem Ort (statt Zigaretten-Werbung) auf Zeit an Häuserwänden ab - nur das Gesicht, kein Kommentar, kein billiger Spruch, nur das Bild 3mal3 Meter. Kirche würdigt Menschen am Ort -  einfach so. Aha, so ist Kirche also. Stellt sie alle außerdem in der Kirche mit biografischen Angaben oder Vorlieben aus. Fragt sie was im Gottesdienst. Menschen – nicht nur die Verwandten - lieben kann Spaß machen.

 

Gebäude

An viele Kirchen-Gebäude kommt man kaum heran. Man sucht 10 Minuten den Eingang, wird weiter verwiesen an die Hintertür. Das wirkt auf Fremde sofort, als dringe man ein in Privatgemächer. Das Gelände vor der Kirche ist mit Spielsachen ausgestattet, die anlocken, weil sie anregen. Oder durch einen Parcour für die Sinne. Es gibt eine Art ‚Vorhof‘ im Unverbindlichen für Empfang, Spiele, Musik. In der Kirche gibt es auch Spielzeug, und zwar richtig gutes, das nicht alle zuhause haben.

Die Kirche selbst hat die Bänke entsorgt oder eingelagert. Stühle lassen sich zu Bankreihen stellen, aber auch zu vielem anderen. ‚Frontale Unterweisung‘ provoziert eine Art von Einsamkeit im Raum mit Gott, das ist ok, aber als einzige Frömmigkeitsform längst überholt.

 

Mitgehen und Hinhören

Einmal im Jahr tun sich die regionalen Gemeinden zusammen. Kirchlich gesonnene Leute stellen sich auf dem Wochenmarkt zur Verfügung für einen Tag. Man kann sie ‚buchen‘ -  zum Reden, zum Kelleraufräumen, zum Kinogehen oder Brötchenverkaufen. Sie machen mit und kommen ins Gespräch. Sie sagen: Wir möchten mit euch hier im Ort zu tun haben, verstehen, was euch bewegt - einfach so. Es entstehen erstaunliche Gespräche, die später in einem Fest mit Gottesdienst in wertschätzender Auswahl wiedergegeben werden. Alle sind eingeladen dazu, selbstverständlich auch die, die Dienste in Anspruch genommen haben.

 

Gastfreiheit heißt also mehr als nur im Heimischen für andere einen Kaffee auszuschenken. Christen entdecken ihre Wahlverwandtschaft mit allen Menschen, die etwas lieben. Gemeinsam bewohnen sie das Haus, in dem Gott in jedem Zimmer anders erscheint.