Als der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Luís F. Ladaria, das Nein des Vatikans zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare verkündete, ging es mir wie vielen Katholik:innen. Ich glaubte, mich verhört zu haben. Lauter Dinge dürfen gesegnet werden, Häuser, Fahrräder, Autos, Fabriken, Seilbahnen, Buchhandlungen, Straßen, Felder, Kerzen, alles ganz offiziell nach dem Benediktionale, dem Segensbuch der römisch-katholischen Kirche. - Nur die Liebe zweier Menschen nicht?
Doch natürlich. Papst Franziskus hatte ja erst am Tag zuvor getwittert: Gottes Liebe ist so groß, dass er sich selbst verschenkt. Auch die Kirche hat diese Mission: Sie ist nicht gesandt, um zu verurteilen, sondern um anzunehmen; nicht um etwas aufzuzwingen, sondern um es auszusäen; nicht um zu verdammen, sondern um Christus, das Heil, zu bringen.
Was war über Nacht geschehen? War das Papstwort Zufall?
Hatte Rom vergessen, was Paulus über die Liebe schrieb? Die Liebe hört niemals auf. Prophetisches Reden hat ein Ende, Zungenrede verstummt, Erkenntnis vergeht. Denn Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden; wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk. … Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe. (1. Kor 13,8-10,13)
Und plötzlich sollte die "größte unter ihnen", die Liebe, nicht mehr sein, jedenfalls nicht zwischen Menschen des gleichen Geschlechts. Und eine Segnung, "die dazu neigt, ihre Verbindung anzuerkennen", unzulässig, weil sie "die Absicht zum Ausdruck bringen (würde), … einen Entschluss und eine Lebenspraxis zu billigen und zu fördern, die nicht als objektiv auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet anerkannt werden können". Von einem Tag auf den anderen war von "Sünde" die Rede, und es hieß, Jesus "segnet nicht die Sünde und er kann sie nicht segnen".
Was nun: Verurteilen oder annehmen? Verdammen oder Christus, das Heil, bringen?
Wenn Jesus Maßstab des Glaubens und die Liebe die größte ist, sollte es sich von selbst verstehen, dass Homosexuelle gesegnet werden dürfen, auch in Rom. Weil Jesus sie segnen würde.
Anders als der Vatikan nimmt Jesus jene in Schutz, die um seinetwillen gedemütigt werden. Ihnen sagt er: Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen. (Mt 5,11)
Selig sind, die diskriminiert werden, obwohl sie glauben.
Die römische Verachtung, die sich ganz unverhohlen hinter der Herabsetzung von Homosexuellen zu verbergen versucht, verletzt mich. Und sie ärgert mich, besonders wenn im Nachgang eilig behauptet wird, das Dokument bedeute gar keine Diskriminierung. Vor allem aber, weil sich der Vatikan anmaßt, Gottes Segen zu reglementieren. Gottes Segen für zwei Menschen, die sich lieben, achten und ehren, die füreinander einstehen. Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm, heißt es im ersten Brief des Johannes (1. Joh 4,16). Da sollte der Segen für Liebesbeziehungen das Mindeste sein, wozu die katholische Kirche in der Lage ist.
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Noch ein Zufall - oder ist das vielleicht gar keiner, sondern ein himmlischer Wink? Just an dem Tag, an dem der Vatikan sein Nein zur Segnung verkündete, war die Heilung des Sohnes eines königlichen Beamten das Evangelium des Tages (Joh 4,43-54). Da geht es im Kern um den Glauben des Beamten. Und dies sind Franziskus‘ Worte, die der Vatikan in seinem News-Kanal dazugestellt hatte:
Der Glaube besteht darin, der Liebe Gottes Raum zu geben; er besteht darin, der Stärke, der Macht Gottes Raum zu geben, nicht der Macht dessen, der sehr mächtig ist, sondern der Macht dessen, der mich liebt, der in mich verliebt ist und der sich mit mir freuen will. Das ist Glaube. Das heißt glauben: dem Herrn Raum geben, damit er kommt und mich verändert.
Eben!
Glauben heißt, der Macht Gottes Raum zu geben. Und nicht der Macht derer, die "sehr mächtig" sind (und von Liebe nichts verstehen).
In Wahrheit ist der Vatikan nicht mächtig. Ohne die Liebe ist er sehr ohnmächtig.
Darum halte ich mich an das, was Paulus sagt: Die Liebe ist die größte unter ihnen. Und an die Worte des Heiligen Vaters: Die Kirche ist nicht gesandt, um zu verurteilen, sondern um anzunehmen.
Und ich bereue nichts. Und bleibe katholisch.