Vor ein paar Tagen war ich in der Stadt, ich musste zur Bank - es gibt Aufgaben, die lassen sich nicht aufschieben auf die „Zeit danach“.
Coronabedingt war München still und menschenleer, der Marienplatz, die Kaufingerstraße, seltsam war das. Die Maskenpflicht bestand noch nicht, aber die wenigen, die unterwegs waren, hielten sich schon daran. Ich auch. Klar. Und nach Reden war keinem zumute. Trotz des Sonnenscheins.
Und mir ging die ganze Zeit dieses Wort durch den Kopf: Öffnungsdiskussionsorgien.
Ich hörte Musik, wie immer, diesmal Bach, die Kantate "Wir danken dir, Gott, wir danken dir" mit ihrer krassen Sinfonie am Anfang und der genialen Orgelkomposition darin. Rauf und runter. Wieder und wieder.
Später ging ich in den Dom und setzte mich in eine Bank. Grad so, dass mich niemand sehen konnte von den Aufpassern, ich aber Jesus sah, wie er da als Gekreuzigter zu schweben schien hoch oben über dem Altarraum, aus diesem schönen, hellen Holz, mit seinen geschlossenen Augen, als würde er nicht leiden, sondern den Blick nach innen richten und, ja, etwas sehen ...
Ich saß lange dort, wie fast immer, wenn ich in einer Kirche bin. Und wieder kam mir das Wort von Angela Merkel in den Sinn: Öffnungsdiskussionsorgien. Und die ganzen Sondersendungen und Fernsehdebatten, die allabendlich über die Bildschirme flimmern, die keinen weiterbringen und vor Eitelkeit und Rechthaberei nur so strotzen.
Und als ich da so sitze und mir wieder mal schwöre, künftig nichts davon anzuschauen, nie mehr, und zu Jesus aufblicke, in seine ferne, nahe, stille Welt, fällt mir eine Geschichte ein, die ich kürzlich las, die vom heiligen Pfarrer von Ars, der durch seine Kirche geht und einen Bauern sieht, der dort sitzt, oft stundenlang, ohne Buch oder Rosenkranz in den Händen, dafür den Blick unablässig nach vorn gerichtet, zum Altar. Und als der Pfarrer ihn fragt: "Was tust du denn hier die ganze Zeit über?", sagt er: "Ich schaue Ihn an, und Er schaut mich an. Das ist genug."
Öffnungsdiskussionsorgien. Was für ein wahres Wort!
Das ist genug.
Später fällt mein Blick auf das Gebetsbuch. Dort, wo es aufgeschlagen ist, steht nur eine Bitte: "Ich wünsche mir das Alles wie Früher ist." Drei Rechtschreibfehler steckten in dem kleinen Satz. Und doch war die Botschaft so klar, dass mir das Herz aufging.
Das ist genug.
Es ist keine Zeit für Orgien.
Es ist die Zeit der kleinen Dinge, der kurzen Momente, des Verweilens, des Innehaltens. Es ist die Zeit der einfachen Gebete, der Stille.
Und der Musik.
Da will ich Orgien. Und was für welche!