Ostermontag 2020 - Christus ist auferstanden!
Informeller Start
Am Gründonnerstag hat Jesus im Mahl sich selbst ‚zum Verzehr‘ gereicht. Damit hat er symbolisch in einer einzigen Geste getan, was er vorher immer tat: sich verteilen. Geniale Maßnahme. Brot und Wein sind immer da. Man kann es teilen. Überall. ‚Wenn ihr es nehmt, bin ich da.‘ Eins von seinen letzten Worten. Eine Art Testament. Das ist die erste Hälfte des Symbols.
Am Ostermontag denkt man dann an die beiden Jünger, die vom Grab und all den Niederlagen weg nach Emmaus gingen, das war eine ziemliche Strecke zu Fuß. Und die Erzählung zeichnet ihren Trauermarsch nach. Gehend verdauen sie, was war. Etwas kommt auf ihrem Weg dazu, man sagt, es sei eine Gestalt, ein ‚Fremder‘. Der zieht ihnen nach und nach den Kloß aus dem Hals. Er sagt: Es ging nicht anders. In dieser Niederlage entdeckt ihr bald das Beste, ihr ahnt es nur noch nicht. Und als es dunkel wird, finden sie den Kerl so anziehend, dass sie ihn zum Abendessen einladen. Das ist genau der Moment, wo das Abendmahl vom Gründonnerstag wiederkehrt. Er bricht das Brot. Und sie können den ‚Ich bin da‘ sehen.
Jetzt ahnt man, wie diese beiden Hälften des Mahls zueinander gehören.
‚Tut das und erinnert euch.‘
Wie gut, wenn man dieses Jahr ausreichend gute Mahlgemeinschaften angespart hatte, damit sie mit ihren Bildern nähren in der Zeit ohne Haut.
Stilisierungen
Das tun wir nun seit 2000 Jahren. Erst in den Wohnzimmern von Christ*innen, die mehr Platz hatten als andere. Essen, Trinken und Leben gehörten dazu. Und man brach nahezu wortlos das Brot und wusste Bescheid.
Als das Christliche in den Rang einer staatstragenden Religion geriet, wollte es ähnlich wie der Kult am Hof auch repräsentieren. Schick sein. Im Tempel residieren. Große Räume durchschreiten. Deswegen verlor auch das Abendmahl seinen Wohnzimmercharakter. Man musste im Einsetzungsbericht (‚In der Nacht, da er verraten wurde …‘) den Nachfolgenden erzählen, warum man das tut. Das Wortlose war vorbei, damit auch mehr und mehr das Selbstverständliche. Und über die Jahrhunderte kamen immer mehr bedeutsame Gebete und Betrachtungen in den Ablauf bis zur Kommunion.
Inzwischen erlebt man in der katholischen Messe und im lutherischen Gottesdienst mit der ausgeformten Liturgie noch mal einen eigenen Gottesdienst. Das mögen viele - wenn es gut zelebriert wird. Es hat etwas Höfisches, es ist geheimnisvoll, man versteht kein Wort, aber genau das kann schön sein. Man wohnt nahe an einem großen Geheimnis.
Aber es kann auch so abständig werden, dass man die Lust verliert. Es kann so symbolisch geraten, dass man das Gefühl hat, es würde nur noch Pappe mit Aufschrift gereicht, aber die Sache selbst verschwindet unter den vielen Anspielungen und Steifheiten. Und der Klerus hat es außerdem so ausschließlich in der Hand, dass Normalmenschen keinen Zugang finden. Auch das kann interessant sein (‚Oh, das Brot aus geweihter Hand!’), aber anderen verdirbt es den Appetit, wenn nur schwarze oder weiße Herrschaften am Tisch hantieren dürfen.
Verklemmungen
Die evangelische Kirche hat im 18., 19. und bis ins 20. Jahrhundert denn auch weitgehend die Lust auf das Mahl verloren. Man feierte es meist nur zweimal im Jahr, Karfreitag und Bußtag, und auch nur um zu büßen. ‚Wer es nötig hatte‘, ging dahin, oft auch erst im Anschluß den Predigt-Gottesdienst.
Sowas macht keinen Spaß. Aber Lebensfreude war auch nicht der Sinn dieser Praxis.
Die Kirchentage der 1960er Jahre und folgende entdeckten dann wieder das Mahl als Quelle für gemeinsamen Geist und Lebensfreude. Altgediente rümpften die Nase: Echtes Brot? Abendmahl mit 3000 Leuten? Essen, trinken als Begleit-Veranstaltung? Unwürdig!
Das ist jetzt vorbei.
Lösungen
Gemeinden feiern das Mahl ein bis zweimal pro Monat. Die Atmosphäre hat sich gelöst. Aber es bleibt vielen Mensch weiterhin fremd. Woher sollen sie auch warm damit sein nach maximal zwei Generationen neuer Praxis? Die Liturgie mit ihren Kürzeln, die oft steife Atmosphäre, das Gedränge am Altar, die Unsicherheiten, wie man sich zu benehmen hat, all das verhindert, dass man locker und würdig zugleich nimmt, was da verheißen ist. Hygienische Bedenken kommen dazu und distanzieren.
Deshalb feiern mehr und mehr Gemeinden und freie Gruppen das Mahl in Ladenzeilen, im Café, in Wohnzimmern, beim Wandern usw.. Sie geben sich nicht zufrieden mit der routinierten Praxis der Sonntags-Gottesdienste. Und entdecken in ihrer Weise, welche Kraft in diesem alten Ritus steckt.
Vielleicht ist es an der Zeit, wesentliche Elemente geformter christlicher Spiritualität, zb das Mahl, die Bibel, Gebetsformen u.a. einfach anderen zum freien Gebrauch zu überlassen. Ihnen zu sagen: Uns ist das Mahl, die Bibel, das Gebet heilig, aber wir kommen nicht so leicht raus aus unseren Gewohnheiten. Schaut ihr euch die Sachen mal an und macht was draus. Wie versteht ihr das? Und ladet uns dann ein, damit wir was lernen.
Empfehlungen an diesem Ostermontag, die das sinnliche Mahl vitaler in die kirchliche Praxis holen können.
1. Feiert es auch an anderen Orten, bei Ausflügen, im Wald, bei Festen, am Bett, im Bett, zuhause, am Tisch, mit Kindern. Dann entstehen andere Bilder, und das Mahl wird einbezogen ins normale Leben. So entsteht ein Gegenpol zum ‚priesterlichen‘ Ton in der Kirche. Diese Feiern sind nicht besser oder schlechter als die kirchlichen, sie sind anders. Darum gehts.
2. In Corona-Zeiten feiert es ausnahmsweise auch als Video-Konferenz synchron. Alle, die das wollen, vertrauen dabei auf die medienerleuchtende Kraft des Geistes bis in die Häuser und Herzen hinein. Lasst die Bedenken der Gelehrten liegen. Sie erinnern an kirchliche Regeln, die ohne Viren-Desaster gelten sollten.
Aber jetzt ist was anderes dran. Alle brauchen Nähe im Essen und Trinken, wenn man sich schon nicht anfassen darf. Und alle, die am Schirm teilnehmen, erinnern ja fast körperlich die Gegenwart der anderen Menschen. Das gilt! Die ersehnte körperliche Präsenz erstattet, was fehlt.
So viel fröhliche Anarchie erzeugt die virale Vorsicht. Man könnte es fast als himmlischen Hinweis verstehen.
3. Achtet einander in den verschiedenen Ansichten zum Abendmahl. Erzählt einander in der Predigt, in Gruppen oder beim Abendmahl mit Essen und Trinken, wie ihr dazu gekommen seid, was euch prägt in Bezug auf das Mahl und was euch abstößt. Redet! Auch die damit nichts anfangen sollten was sagen. Die ev. Kirche steht noch am Anfang in ihrem Umgang mit dem Mahl. Überlasst das nicht allein den Profis, eure Haltung dazu ist gefragt. Das Mahl hat viele Gesichter, und es verträgt auch viele Gesichter am Tisch. Niemand hat allein Recht. Niemand. Das Richtige entsteht im Zusammenklang der Stimmen.
4. Die Anlässe für das Mahl prägen dessen Stil. Beim Jugendcamp wird diese Kultur Brot und Wein anders aufführen als im Altenkreis und wieder anders am Bildschirm. Brot und Wein, Gebet und die Einsetzungsworte genügen, und es ist ein vollgültiges Abendmahl. Der Rest ist frei.
5. Räumt in der Kirche öfter als nur am Gründonnerstag die steifen Bänke weg, macht aus dem Thronsaal einen Festsaal und tafelt zusammen mit dem Abendmahl. Machts euch schön. Holt Musik dazu. Tanzt. Kirche steht im Ruf verklemmt zu sein. Bei vielen aktuellen Mahlfeiern kann man das leider live besichtigen.
Das Fest verändert die inneren Bilder. Das ist viel wirksamer als Erklärungen im Gemeindebrief, was man denken soll.
6. Und rein handwerklich: Übt die traditionellen und die neuen Formen vorher ausführlich! Bitte! Sonst wirkt es dilettantisch, und sofort wird alles verklemmt. Und die Kritiker sagen: ‚Siehste hat nicht geklappt, haben wir ja geleich gesagt, also machen wir besser die Papp-Version.’ Eure Klarheit und Sicherheit im Leiten macht die Gäste frei. Übt die Gänge, die Orte, die Abläufe wie bei jedem großen Essen. Aus Liebe zur Sache und zu den Leuten. Üben kann Spaß machen.
7. Vertraut dem Geist. Die kirchlichen Formen bergen schöne alte Weisheiten, aber sie drohen abständig zu werden, wenn es keine Experimente gibt. Das Neue muss das Alte nicht ersetzen. Es soll ergänzen, was fehlt.
Es dürfen auch mal Versuche danebengehen. Das Mahl ist robust, sein Geist auch. Also traut Euch. Aber zeigt es auch anderen, damit sie euch kurz sagen, wie es wirkt. Das ist fair gegenüber der ganzen kirchlichen Gemeinschaft und korrigiert untereinander.
Also legt los!
Und Du bleib bei uns, auferstandener Jesus Christus, denn es wird jetzt öfter mal Abend werden, und wir wollen mit Dir heute feiern -den Anfang vom Rest unseres Lebens !