Dosenobst-Spiritualität
Während meiner Studienzeit haben wir ein bestimmtes Event gegründet, dafür waren wir in unserem Wohnheim sogar ein wenig berühmt, ja auch gefürchtet. In regelmäßigen Abständen luden wir unsere Kommiliton*innen ein, um gemeinsam die Kultur der „Dosenobst-Partys“ zu pflegen. Mitbringsel, wer kann es sich nicht denken, waren die wildesten Dosenfruchtkreationen. Und wirklich: es gibt keine Frucht, die es nicht in einer Dose zu kaufen gibt.

Es waren skurrile Abende, zu denen wir da zusammenkamen. Es hatte etwas Absurdes, denn niemand von uns mochte wirklich Dosenobst. Im Gegenteil, wir fanden es sogar sehr befremdend und es kostete uns große Überwindung die Stücke tatsächlich in den Mund zu nehmen. Oft kaute ich das Zeug nicht mal, sondern schluckte es einfach runter, so dass es schnell vorbei war.  Im Grunde schmeckte alles ähnlich. Es war eine Mischung aus klebriger Substanz in Zucker; man wusste eigentlich gar nicht, was genau man gerade für eine Frucht aß.

Doch wir waren in dieser Zeit zusammen. Und auch die, die kaum Geld hatten, waren dabei. Eine Dose mit Pfirsichen kostet echt nicht viel Geld. Für die Studentenzeit war es also ein gelungenes Partyformat.

Meine Erinnerungen hatten diese Abende völlig verdrängt. Doch kürzlich kam alles wieder hoch, als ich ein Gemeindehaus betrat. Alles, absolut alles erinnerte mich an Dosenobst: Es war billig, für alle zugänglich und jede*r konnte dazu kommen. So richtig versteht vermutlich niemand, warum man sich in diesen Räumen treffen sollte: Auf wackeligen Stühlen, auf orangefarbenem Linoleum sitzen, während man auf mit Schwammtechnik bemalte uringelbe Wände starrt?

Früher waren es die Litschis, die weißgrauen labbrigen Flummis, die als das Schlimmste galten. Heute sind es bereits angezündeten Teelichtreste, die gerade noch nicht schlecht genug für die Tonne sind, und deshalb für die Kirche noch gehen. Was genau sagt das über unsere Spiritualität aus, wenn wir sie anderen als Dosenobst präsentieren? Welchen Stellenwert hat kirchliches Leben, wenn wir dort zusammenkommen, als wären Dosen-Litschis das Selbstverständlichste?

Dosenfrüchte sollten bleiben was sie sind, ein Kuriosum. Etwas, mit dem man in der Studienzeit mal experimentiert, wenn man eh kein Geld hat. Aber sie sollten niemals, wirklich niemals, mein tägliches Brot sein.