Gerade erst, nach dem Anschlag von Halle, war ich beim Friedensgebet in München. Es war dunkel. Hunderte Menschen hatten sich vor der Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde versammelt, viele mit einer Kerze in der Hand, um … was eigentlich? Solidarität zu üben? Ein Zeichen zu setzen? Ja, schon, irgendwie. Aber dann auch wieder nicht.
Denn es ging nicht um uns und das, was wir wollen.
Sondern ums Gebet.
Eingeladen hatte der Rat der Religionen in München, und gekommen waren alle. Leise spielte ein Posaunenchor „Amazing Grace“, und wir wiegten uns zum Lied. Während der Schweigeminute für die Opfer und ihre Angehörigen und die jüdische Gemeinde in Halle, um die Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg vom Erzbistum München und Freising gebeten hatte, war die Stadt so still, wie ich sie nie zuvor erlebt habe.
Nacheinander sprachen die Vertreter*innen der Religionen ihre Gebete. Erst in ihrer Sprache, danach auf Deutsch. Und wir standen da mit unseren Kerzen, und wir beteten oder sangen oder summten mit, auch wenn wir nicht verstanden, was gesagt wurde.
Doch das machte nichts.
Es war der Klang, die Kraft der Worte, die uns durchdrangen, auch die, die mit Religion nicht viel anfangen können: das jüdische Abendgebet und das Gebet der Baha’i, der Hymnus der Orthodoxen, das Gebet der Aleviten und der Buddhisten, schließlich die Sure 49, Vers 13 und das Bittgebet der islamischen Gemeinschaften:
O Gott, bringe in unsere Herzen Licht, in unsere Ohren Licht, / in unsere Augen Licht und in unsere Zungen Licht! / O Gott, bringe uns in unsere Seelen Licht! / O Gott, Du bist der Friede! Von Dir kommt der Friede. / Gib, dass wir im Frieden leben.
Am Ende traten die Beter*innen einzeln an den Bühnenrand, wandten sich uns zu - und verbeugten sich.
Kein Wort mehr. Keine Musik. Nur noch der Schein der Kerzen in unseren Händen.
Und wir hatten Tränen in den Augen.
Ja, beten hilft.
Dieser Satz ist überhaupt nicht lapidar.