Gegen 5:30 Uhr bin ich an Deck, um endlich einmal den Pool auszuprobieren. Es ist noch finster. Ob es wohl schon Kaffee gibt? Ein Herr mittleren Alters in weißer Uniform steht freundlich am Kaffee-Spender. Ob es mir gut gehe, fragt er. Ich sage: Ja, danke. In reizendem Spanisch-Deutsch stellt er sich vor, er sei hier der Doktor, der Schiffsarzt (worauf mir sofort alle meine Malaisen bewusst werden :-)): Dr. Manuel Ferreres Giménez, Psychosomatiker, Spezialist für Arbeits- und Unfallmedizin mit eigener Klinik in Malaga. Ab und zu arbeitet er als Kreuzfahrt-Arzt auf der MS Hamburg, um sein Deutsch aufzubessern und etwas zu reisen. So gelassen er da auch in der Morgendämmerung steht: Bei gut 350 Passagieren, zum größeren Teil der älteren Generation zugehörig, hat er durchaus viel zu tun. Hier ein falscher Auftritt, da eine Magen-Darm-Verstimmung, dort ein Kreislaufproblem. Dr. Giménez wird mit diesem Schiff nach Kanada weiterreisen und Anfang September zu Frau und Kindern mit Villa und Pool nach Spanien zurückfliegen. Es gibt sie also doch, die Traumschiff-Besatzung...
Am Nachmittag frage ich den Kreuzfahrt-Direktor, wie er als gelernter Wirtschaftsingenieur zu seiner eher seltenen Profession kommt. Lutz Stemme arbeitet freiberuflich für Plantours, das Reiseunternehmen, das auch Kapitän und Crew angeheuert hat. Seit zehn Jahren ist der gebürtige Bremer jährlich etwa sechs Monate auf See. Er schätzt es, dass er nach maximal zwei Monaten Arbeit auch mal bis zu zwei Monate Urlaub hat, und ist überhaupt gerne unterwegs. Zeitumstellung oder starker Seegang, der heute ein Drittel unserer Reisegruppe zumindest blass aussehen lässt, machen ihm nichts aus. Einmal während einer Kreuzfahrt legt Lutz Stemme seine Uniform ab. Schwarze Hose, schwarzes Hemd und eine erstaunliche Stimmen-Variation geben sein Bühnen-Outfit: Der Kreuzfahrtdirektor liebt Loriot. Und weil sein Heimatsender Radio Bremen den Meister des Sketches einst entdeckte, passt es schon, dass und wie der Bewunderer zum Beispiel "Szenen einer Ehe" dem Publikum vorführt. Dem Publikum wohlgemerkt, das eben noch andächtig die Kirchen von Brügge und Gent visitierte. Selten sah ich so viele ältere Ehepaare so herzhaft lachen.