Glückwunsch, jüngste Tageszeitung!
Die "taz" feiert nun aber wirklich ihren 40. Geburtstag. Dazu ein kleiner Rückblick mit legendären Titelseiten, Olaf Scholz am Telefon, dem verwechselbaren Ur-Markenzeichen "Tazze" und der taufrischen "U24"-Ausgabe.

Am 17. April wurde die "taz" nun aber wirklich 40 Jahre alt. Zur Feier dieses Anlasses entstand eine nur von höchstens 24-jährigen "Frauen*und*Männern" gemachte "U24-'taz'"  – weil auch "die Gründungsredaktion ... im April 1979 im Durchschnitt 24 Jahre alt war". Diese "Habt Ihr es verkackt?"-Jubiläumsausgabe (dauerhaft hier anklickbar) erschien aber erst am heutigen 18. April. Die "taz" feiert sich eben gerne, oft und gründlich. Das tat sie im vergangenen Jahr auch schon. Da wurde die erste Nullnummer begangen. Was sie ist, wurde sie aber eben erst durch verlässlich tägliches Erscheinen: Deutschlands jüngste Tageszeitung, die es immer noch gibt.

Die "taz" "hat die Notwendigkeit, sich selbst zu feiern, früh erkannt", sagt ihr Chefreporter Peter Unfried. Gefeiert wird sie auch anderswo gerne, schon weil bei der jungen Zeitung so viele Journalistenkarrieren begannen. Die "Zeit"-Hauptstadtbüro-Korrespondentin Mariam Lau etwa, die mit ihrem Beitrag zum Pro & Kontra zur "Seenotrettung" scharfe Kontroversen auslöste, hatte einst bei der "taz" als Kinoredakteurin angefangen. Deniz Yücel war dort so bekannt geworden, dass ihn dann Springers "Welt" anheuerte. Sehr viele Journalisten schrieben mal für die "taz" (*). Was natürlich zeigt, dass die "taz" oder viele Tazler sich angepasst haben und die kleine Zeitung zumindest manchmal "Vorschule für SZ-Zeit-Spiegel" ist, wie Veteran Tom Schimmeck kürzlich in der Rückblicks-Rubrik "Boulevard der Besten" klagte (die wie eigentlich alle "taz"-Rubriken selbstironisch benannt ist). Vor allem aber zeigt es, wie sehr ihre stets provokante, oft aus kreativem Umgang mit finanziellen Nöten geborene Machart die deutsche Medienlandschaft verändert hat.

Ideale Form Genossenschaft

Um die "taz" ranken sich viele gerne erzählte Geschichten. Dass es ihr gelungen ist, ihren Teil der Kochstraße im Berliner "Zeitungsviertel" in Rudi-Dutschke-Straße umbenennen zu lassen –  gut zehn Jahre, nachdem es dem Springer-Konzern in Sichtweite gelungen war, seine Adresse in Axel-Springer-Straße umzubenennen, ist die allersymbolstärkste. Auch wenn die Neckereien mit Ex-"Bild"-Zeitungs-Chefredakteur Kai Diekmann noch größere (und plattere) Bilder erzeugten.

Das Gebäude in unmittelbarer Nähe auch zum damals weltberühmtesten Grenzübergang "Checkpoint Charlie" hatte die "taz" erst im Juni 1989 bezogen. Den Vorschlag hatte der West-Berliner Stadtplanungsdezernent gemacht, um diesen mauernahen Teil Kreuzbergs aufzuwerten, erzählt "taz"-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch. Unvorgesehene weltgeschichtliche Entwicklungen führten dann dazu, dass die Immobilie plötzlich nicht mehr am Rande der Exklave lag, sondern im Zentrum einer wiedervereinigten Metropole. Ihr Besitz half der kleinen Zeitung über finanzielle Schwierigkeiten hinweg. Wie alles, was die "taz" betrifft, war breit diskutiert worden, ob sie Investoren aufnehmen sollte (die es damals für Zeitungsverlage tatsächlich noch gab). Die Lösung brachte ein Anruf vom Justiziar des Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften. Jener Olaf Scholz, der Ruch zur Gründung einer Genossenschaft riet, ist inzwischen Bundesfinanzminister. Und die Genossenschaft hat sich als "ideale Unternehmensform" für die "taz" erwiesen, sagt Ruch.

"Unsere legendärsten Titel"

Die "taz" hat die Zeitungslandschaft auch visuell, über ihre Titelseiten geprägt – also das Element, mit dem Zeitungen am Straßenrand weit über den Kreis ihrer Leser hinaus wirkten und manchmal noch wirken. Treffende Schlagzeilen wie "Es ist ein Mädchen" (über die neue Bundeskanzlerin Merkel) oder exemplarisch misslungene wie "Blühende Landschaften" (mit Helmut Kohls blumenüberhäuftem Sarg) sind nicht ganz so im kollektiven Gedächtnis geblieben wie die der "Bild"-Zeitung. Aber insgesamt wohl mehr als Titelseiten irgendeines anderen Blattes. Und "Me First" trifft das Phänomen Präsident Trump ja auch ziemlich gut. Durch die Online-Auswahl "Unsere legendärsten Titel seit 1978" zu klicken, lohnt sich jedenfalls.

"Die 'taz' verkauft ein Lebensgefühl", heißt es, unter vielem anderem, im so langen wie lesenswerten "Zukunftsreport" (im Abschnitt "Mehr Kapitalismus wagen"), der offen und instruktiv wie keine Presseverlags-Publikation Medien-Zukunftsfragen stellt. "Aber nur eines", präzisiert Peter Unfried: "Du stehst bei uns auf der richtigen Seite". Er ist auch Chefredakteur des Magazins "taz.Futurzwei", das zu den wenigen gedruckten Line-Extensions gehört. Bei Gedrucktem verfällt die "taz" nicht in die Titel-Vervielfältigungsmanie, mit der die meisten Verlage Auflagenrückgänge zu kompensieren versuchen. Das Lebensgefühl gibt es unter anderem online im "tazshop" in Form von rund 290 Produkten zwischen Filzbuch und Bienenwachs-Teelichtern zu kaufen.

Was die "Tazze" zeigt

Dass ein der "Tazze", einem ihrer frühesten Erkennungszeichen von 1979, ähnliches Symbol auch auf vielen Kleidungsstücken und Rucksäcken prangt, die keineswegs von der "taz" verkauft werden (sondern vom einst kleinen Outdoor-Kleidungshersteller aus dem Taunus, der sich schon um das Sichern von Warenzeichen kümmerte, als die anfangs in jeder Hinsicht antikapitalistische "taz" es aus Prinzip nicht tat, und sich dann juristisch nicht nur, aber auch mit der "taz" anglegte ...) sind noch weitere Geschichten. Vermutlich verdeutlicht die starke Präsenz von "Jack Wolfskin"-Produkten im deutschen Straßenbild, wie breit "tazziges" Lebensgefühl in der Gesellschaft verankert ist. Schließlich ist mit den Grünen sogar die Partei, mit der die "taz" trotz allem immer am stärksten verbunden blieb, zur zweitgrößten Volkspartei aufstiegen.

Wenn das so ist, zeigt es natürlich auch, wie weit die "taz" daran gemessen davon entfernt ist, ihre potenzielle Reichweite in gedruckter und digitaler Form auszuschöpfen. Womit sie offener und offensiver umgeht als alle anderen deutschen Zeitungen. Die "taz" stellt nicht nur viele Zukunftsfragen, sondern versucht sogar, Medien-Zukunftsfragen zu beantworten. Ob sie als erste deutsche Tageszeitung – freiwillig! – auf tägliches Erscheinen auf Papier verzichten wird, ist kommende Woche hier Thema.

 

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(Ich selbst schrieb auch einiges für die "taz", bin aber nicht der fast gleichnamige fast gleichnamige Autor der "taz"-Satireseite. Dieser aktuell überarbeitete Text basiert auf meinem "epd medien"-Artikel "Solidarische Leserschaft" über die "taz".)