In der Medienwelt geschieht an allen Ecken und Enden immer viel. Daher geht' s heute hier um Themen der vergangenen Wochen und was daraus geworden ist. Was den für Zeitungsverlage wunden Punkt der Online-Einnahmen angeht (also die theoretisch gute Idee, aufs teure Drucken zu verzichten, um einfach Online-Abonnements zu verkaufen), kommen die einzigen guten Nachrichten – ausgerechnet von einer Wochenzeitung. Also einer, die das Problem, werktäglich neue Ausgaben herstellen und ausliefern zu müssen, bloß damit sie nach nur einem Tag veraltet erscheinen, ohnehin nicht hat.
Der Vertriebs-Chef der "Zeit" sagte gerade dem Portal dnv-online.net (dessen Titel für "Der neue Vertrieb" steht), dass sein Blatt 2018 "im Online-Vertrieb rund neun Mio. Euro – ein Plus von 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr" einnahm und inzwischen mehr als 100.000 E-Papers verkaufe, damit "gut ein Fünftel der Gesamtauflage". Ob einer täglich erscheinenden Zeitung eine ähnliche Transformation gelingt, ist die spannende Frage. Die Tageszeitung, die so etwas am offensten anpeilt, ist die "tageszeitung". Deren Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch beschrieb den herkömmlichen Zeitungsvertrieb schon als "aufwändige Art von Papier-Recycling":
"Die Zeitungen werden am frühen Morgen an die Kioske ausgeliefert, um am Abend zu neunzig Prozent wieder als Altpapier dort eingesammelt zu werden."
Um die Zukunftspläne der "taz" wird es hier demnächst ausführlicher gehen.
Streamen, was das Zeug hält
Was die wachsende Zahl der Video-Plattformen ("...im Karpfenteich") angeht, ist eine kleine Korrektur fällig: Es gab doch schon eine Zusage des ZDF, bei ProSiebens neuer Plattform mitzumischen, an der weiterhin gearbeitet wird. Vermutlich bekommt sie im Sommer einen neuen Namen. In einem Konkurrenzumfeld, in dem kaum mehr als zwei oder drei Plattformen langfristig bestehen werden, eine "7" im Titel zu führen, erscheint ja nicht sehr sinnvoll.
Erwähnung verdient Ärger des "Tagesspiegels" darüber, dass ARD und ZDF gerade ihre von vielen Eltern geschätzten Kinderprogramme auch an Amazons Plattform lizenzieren (und so Rundfunkbeitrags-finanziert einen Datenkraken noch stärker machen, der en passant zur Verödung vieler Innenstädte beiträgt). Für den großen Wettbewerb entscheidender dürften die neuen Plattformen US-amerikanischer Konzerne sein. Apple hat zur Präsentation seines Videostreaming-Angebots für Ende des Monats einer jener Shows angekündigt, auf die deutsche Onlinemedien immer gerne anspringen (um dann jede Menge unbezahlte PR machen). Dass Disney als Plattform-Betreiber noch "größeres Potenzial als Netflix" habe, entnahm wuv.de einer J.P. Morgan-Analyse (und wuv.de steht für "werben und verkaufen").
Ein Grund seien alte, über Jahrzehnte gezielt rar gemachte Filme. Curved.de nennt etwa "Schneewittchen und die sieben Zwerge" von 1937. (Und falls Sie sich auch gerade fragen, was curved.de denn ist: "eine Initiative der Telefónica", also des spanischen Telekom-Konzerns, der auch im deutschen Mobilfunk-Geschäft vertreten ist und an der bevorstehenden Versteigerung der 5G-Frequenzen teilnimmt – über die dann auch gestreamt werden muss, was das Zeug hält, damit es sich rentiert).
Apropos ältere Filme: Auf schon gut 100 Titel von Regisseuren wie Erich von Stroheim und den Brüdern Taviani, Eric Rohmer (in dessen Filmen es oft wie im Leben her geht ...) und George A. Romero (dessen "Die Nacht der lebenden Toten" 1968 das Subgenre der Zombie-Filme begründete) ist die Liste der bei lacinetek.de streambaren Filme inzwischen angewachsen. Filme von Autorenfilmerinnen, wie Jutta Brückners neulich hier empfohlener "Tue recht und scheue niemand", stehen ebenfalls zur Auswahl. Man muss beim Anzeigen bloß aufpassen, "bereits verfügbare" Titel auszuwählen, sonst werden auch noch nicht verfügbare angezeigt. So wird das Konzept der nichtkommerziellen französischen Online-Cinemathek sichtbar. Nur zum Beispiel könnte es spannend sein, einen 1990er-Film von Jacques Audiard mit Jean-Louis Trintignant zu sehen. Schließlich läuft vom selben Regisseur gerade der Western "The Sisters Brothers" in den Kinos, den die Evangelische Filmjury zum Film des Monats kürte.
Viele "Dokus", "ein Armutszeugnis"
Woran wirklich gar keine Mangel herrscht: an meist emotionalen "Dokus". Wer durch die öffentlich-rechtlichen Programme schaltet,
"wird allenthalben auf dokumentarische Sendungen verschiedenster Art stoßen. Das können Kochsendungen sein oder gesellschaftspolitisch intendierte Reportagen, Reiseberichte und Tiergeschichten",
steht in der kompakten Studie (40 Seiten, PDF), die der bewanderte Journalist Fritz Wolf im Auftrag der Dokumentarfilmer-Interessenvertretung AG Dok erstellte. "Deutschland – Doku-Land/ Viele Sendeplätze, immer noch mehr Formate und noch weniger künstlerische Handschrift" heißt sie und beschäftigt sich nicht zuletzt mit den Begriffen: "Die Abgrenzung zwischen Dokumentation und Dokumentarfilm mag zwar eine deutsche Besonderheit sein (das Englische kennt nur documentaries), es ist dennoch sinnvoll zu klären, worüber man spricht. Das Kürzel Doku, das seit zwei Jahrzehnten in Gebrauch ist, verwischt alle Unterschiede und damit alle Differenzierungen im öffentlichen Sprachgebrauch und auch in den Darstellungen der Fernsehsender selbst."
Vereinfacht zusammengefasst: Sendungen, die "Doku" heißen, gibt es wie Sand am Meer, relevante Dokumentationen dagegen weniger, zumal in den Hauptprogrammen: "Nur etwa 7 % der dokumentarischen Arbeiten behandeln gesellschaftspolitisch relevante Themen, nur 3 % befassen sich mit Wissenschaft und Technik – ein Armutszeugnis ...", meint Wolf.
Wie genau Sendungen der Öffentlich-Rechtlichen rubrifiziert werden, dürfte bald wichtiger werden als es bislang ist. Es verdichten sich die Anzeichen dafür, dass im Zusammenhang mit der künftigen Rundfunkbeitrags-Höhe (über die die Ministerpräsidenten der Bundesländer in diesem Jahr eine Entscheidung treffen müssen) "ARD und ZDF eine 'Profilschärfung' verordnet werden soll, die deutlich weiter geht, als es den Anstalten lieb sein kann". Das prognostizierte jedenfalls Steffen Grimberg (einst Medienredakteur der "taz", inzwischen u.a. beim MDR-Portal Medien 360G mein Kollege):
"Es geht um ein Programm, 'das nicht marktwirtschaftlichen Anreizen folgt, sondern zu einer inhaltlichen Vielfalt beiträgt, die allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden kann'".
Wobei andererseits diese "Profilschärfung" selbst, wie ziemlich vieles, was die nicht besonders profilierte Medienpolitik nach langwierigem Kompromisse-Schließen in Staatsverträge hineinschreibt, so unscharf formuliert sein könnte, dass auch darüber wieder gestritten wird. Zum Beispiel eben, was alles "Doku" und daher relevant ist.
Spannend dürfte es also bleiben.