Die CSD-Saison ist fast vorbei - doch auch in den nächsten Wochen werden noch Menschen auf die Straßen gehen, um für Vielfalt und Toleranz und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu demonstrieren. Doch spätestens seit den Vorfällen beim CSD in Bautzen Anfang August ist deutlich, dass nicht überall unbeschwert gefeiert werden kann. In Bautzen kam es zu einer Gegendemonstration von rechten Gruppen, deren Gewaltbereitschaft offenbar so extrem war, dass die Polizei die Teilnehmenden des CSDs dazu aufforderte, die Veranstaltung nicht einzeln, sondern nur in Gruppen zu verlassen. Die After-Party wurde aus Sicherheitsgründen abgesagt (ausführlich siehe Link).
Sonja Thomaier hat in ihrem Blogbeitrag der letzten Woche deutlich herausgestellt, dass es sich bei diesen Gegendemonstrationen nicht einfach um den Ausdruck eines irgendwie gerarteten Rechtsrucks der Gesellschaft handelt, sondern um einen "strategisch-rechten Hegemonieaufbau". Dazu passt, dass solche Gegendemonstrationen beileibe nicht nur in Bautzen stattfanden, sondern in diesem Jahr offenbar sehr systematisch organisiert wurden und werden - auch für einen der letzten CSDs des Jahres am 15. September in Erlangen findet sich ein entsprechender Aufruf zum "Anti-CSD".
Sonja hat letzte Woche auf die enge Verbindung von politisch Rechten und Rechtsextremen und christlich-rechten Gruppen hingewiesen und und betont, wie wichtig es ist, aus queer-theologischer Perspektive diese unheilige Allianz zu hinterfragen. Ich möchte heute hier die aktivistische Perspektive einnehmen.
Rechte Gegendemonstrationen sind nicht einfach der Versuch, eine konträre Meinung zum Ausdruck zu bringen, vielmehr wollen sie gezielt verunsichern und einschüchtern - das wissen alle, die in den letzten Jahren an Demonstrationen für Vielfalt und Toleranz teilgenommen und solche Gegendemonstrationen erlebt haben. Dieser Versuch, uns einzuschüchtern und zu verunsichern, darf niemals gelingen! Ich habe mich daher sehr gefreut, dass Sven Lehmann, der Queer-Beauftragte der Bundesregierung am vergangenen Wochenende nach Leipzig gefahren ist - zu einem CSD, der ebenfalls von einer Gegendemonstration begleitet war (Link). Das ist ein deutliches Zeichen, dass es den Rechten schwer macht, die Meinungsführerschaft zu gewinnen. Doch auch Sven Lehmann ist natürlich "einer von uns" - was wir brauchen, sind klare Signale der Unterstützung und Solidarität durch "unverdächtige" Institutionen und Personen.
Wichtig war daher die klare Stellungnahme der Kirchenleitung der Sächsischen Kirche zu den Ereignissen in Bautzen. Die sächsische Kirche hat ja erst spät zu einer offenen Haltung gegenüber Queers gefunden. Jetzt aber findet die Kirchenleitung sehr klare Worte: "Die Bedrohung und Einschüchterung von Menschen, die nicht in das eigene Weltbild passen, sowie verbale und tätliche Gewalt gegen Menschen, die anders denken, anders aussehen, anders glauben, anders lieben oder anders leben, entspricht nicht dem Evangelium, welches von der Liebe Gottes zu allen Menschen gekennzeichnet ist. Gegen solche Gewalt wenden wir uns als Kirche mit klaren Worten." (Link)
Noch deutlicher und sichtbarer war die Solidarität der Nordkirche mit der queeren Community: Sie war beim Hamburger CSD mit einem eigenen Kirchen-Truck vertreten! Sowohl Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt als auch die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs begründen dieses Engagement ausführlich auf der Webseite der Landeskirche. Fehrs sagt: "Wir teilen die ernsthaften Anliegen des CSD, Diskriminierung aller Art die Stirn zu bieten. Wir teilen aber auch die Lebenslust, Freude und Leichtigkeit, mit der jeder Mensch sein darf, die sie ist. Happy CSD, kann ich nur sagen, und: Liebe tut der Seele gut!"
Es braucht solche deutlichen Worte und solche deutliche Unterstützung, damit der "rechte Hegemonieaufbau" gründlich misslingt - und es braucht Menschen, die unverzagt und unerschrocken weiter (ihre) Vielfalt und Freiheit feiern und dafür auf die Straße gehen.
Daher: Herzliche Einladung zum CSD nach Erlangen! (Programm)