Die Kirche wird kleiner. Die Anzahl an Taufen, Trauungen geht zurück – Bestattungen sind inzwischen für viele Pfarrer:innen die am häufigsten durchgeführte Kasualhandlung.
Immer mehr Menschen wünschen sich alternative Bestattungsformen und –rituale. Viele Pfarrgemeinen und Landeskirchen antworten mit individuellen Angeboten darauf.
Auch für queere Menschen kann eine freiere Form der Bestattung und Trauerbegleitung wichtig sein. Dies beginnt da, wo Menschen explizit queere Pfarrer:innen und Bestatter:innen aufsuchen, weil sie sich dort in ihrer Lebensweise nicht erklären müssen – etwa wenn sie als gleichgeschlechtliches Paar oder trans Person zum Trauergespräch kommen. Auch die Einbindung der Community, also der Wahlfamilie, ist von Bedeutung. Denn oftmals haben Menschen aus dem LGBTIQ-Spektrum keine oder kompliziertere Beziehungen zu ihrer Verwandtschaft. Eine weitere wichtige Rolle spielt die zunehmende Ökonomisierung von Sterben und Tod. Queere Menschen verfügen oft über geringere Einkommen oder Güter. Nicht selten kommt es dann zu sogenannten Sozialbegräbnissen, wenn etwa keine hinterbliebene Person für die Begräbniskosten aufkommen kann.
Der deutsche Verein Memento Kultur:Trauer erklärt auf seiner Webseite: „Das deutsche Bestattungsrecht wird queeren Lebensrealitäten nicht gerecht. So ist es beispielsweise noch immer nicht selbstverständlich, dass Menschen ihre Namen und ihren Personenstand auch im Tod selbst bestimmen dürfen. Auch die Bestattungspflicht ist nach binär-heteronormativen, biologistischen Verwandtschaftsgraden geregelt.“ Der Verein bietet daher berufliche Fortbildungen über Rituale und Trauerprozesse an, etwa für Bestatter:innen und Trauerredner:innen.
In Deutschland haben sich in den letzten Jahren Kollektive und Vereine gegründet, die Bestattungen und Trauerbegleitung konkret für queere Menschen anbieten, so zum Beispiel Thanatos - selbstbestimmte Bestattungen in Berlin. Auch in Österreich gibt es nun erfreulicherweise ein solches Bestattungskollektiv: Tamo – mit Sitz in Wien. Auch Pfarrgemeinden sollten sich mit den besonderen Herausforderungen von LGBTIQ-Menschen in dem Bereich auskennen und entsprechende Angebote machen.
Für queere Menschen stellen sich oft besondere Fragen, wenn es ums Sterben und Trauern geht. Etwa: Wer begleitet mich, wenn ich sterbe? Wie erinnern wir uns an unsere (queeren) Verstorbenen? Welche Rituale brauchen alle Beteiligten dabei? Wie gehen wir damit um, wenn jemand mit Kirche und kirchlichen Sprachtraditionen traumatisierende Erfahrungen gemacht hat?
Das transdisziplinäre Feld der Queer Death Studies hinterfragt normative Vorstellungen und Zugänge von Tod, Sterben und Trauer. Es involviert Konzepte von Community, Kollektivität und Historizität in Bezug auf Gender und sexuelle Orientierung. Wer sich dazu einlesen möchte, findet etwa hier frei zugänglich den Beitrag „Queer Death Studies: Death, Dying and Mourning from a Queerfeminist Perspective“ von Marietta Radomska, Tara Mehrabi und Nina Lykke (2020).
Zum Thema queere Trauerkultur siehe auch: Eine Flasche Schnaps als Grabbeigabe | evangelisch.de