Spätestens seitdem Jesus seine Gefährt*innen im Matthäusevangelium im 28. Kapitel dazu aufgefordert hat, in die Welt zu gehen und auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes zu taufen, steht die Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit Gottes in der Bibel im Raum. Allerdings wird die Dreieinigkeit Gottes darüber hinaus in keiner biblischen Geschichte beschrieben oder bezeugt, so wie in der Apostelgeschichte im 2. Kapitel das Pfingstwunder beschrieben wird oder das Leben Jesu in den Evangelien erzählt wird. Das macht die ganze Angelegenheit ziemlich abstrakt und unverständlich. Worum geht es also?
Zunächst einmal heißt Trinität (lateinisch für Dreifaltigkeit), dass der christliche G*tt aus Vater, Sohn und Heiligem Geist besteht. G*tt ist weder Vater noch Sohn noch Heiliger Geist allein. Und G*tt ist auch nicht nur Vater und Sohn oder Vater und Heiliger Geist oder Sohn und Heiliger Geist, sondern mathematisch ausgedrückt ist G*tt stets drei in eins oder eins aus drei. So weit so klar?
Was das alles bedeutet: G*tt ist keine unveränderliche einsame monadische Insel irgendwo im Weltall, sondern in sich selbst plural, verschieden und ansprechbar. G*tt ist in Bewegung und hat sich den Menschen bereits in den beiden Testamenten auf ganz unterschiedliche Weise gezeigt.
Als Schöpfergott und Vater, wie es traditionell im Alten Testament heißt. G*tt erscheint im Ersten Testament aber auch als Wolke und Feuersäule, um das Volk Israel aus der Gefangenschaft in Ägypten zu leiten. G*tt ist zu hören als Stimme im brennenden Dornbusch, der nicht verbrennt. G*tt wird von Engeln oder Gottesboten in Träumen vertreten und zeigt sich als Licht und Glanz, als Kraftfeld oder Quelle des Lebens, als Schatten spendende Adlerflügel, als Windsausen am Berg Horeb, als Ruf, der Prophet*innen beauftragt und in die Welt schickt.
Im Neuen Testament wird G*tt in der Person von Jesus von Nazareth menschlich und verletzlich.
G*tt bekommt ein menschliches Gesicht mit Lebensgeschichte, Charaktereigenschaften, Wissen und Emotionen, so glauben und bezeugen es Christ*innen weltweit. Jesus wird Zimmermann und Wanderprediger und legt die Thora für die Menschen in seinem Umfeld kritisch und eigenständig aus. Er lebt mit seinen Gefährten, hört zu und redet, isst und trinkt mit ihnen, lacht und weint und wendet sich gerade denen zu, die ausgegrenzt und an den Rand gedrängt worden sind. Damit erklärt er G*ttes Worte von Nächstenliebe und Respekt und macht sie konkret erfahrbar.
Die Heilige Geistkraft (hebräisch Ruach) erscheint schon in den Schöpfungsberichten als G*ttes Atem, der allen Lebewesen Lebensenergie einhaucht. Die Heilige Geistkraft steht auch für die Weisheit (lateinisch Sofia) der Weisheitsliteratur im Alten Testament. Aber zentral zum Einsatz kommt die Geistkraft erst im Zweiten Testament in der Apostelgeschichte im zweiten Kapitel. Dort begeistert die Geistkraft mit ihrer Feuerenergie 50 Tage nach Ostern die Gefährten Jesu und ermutigt und ermächtigt sie, auf den Marktplatz von Jerusalem zu gehen und in ganz verschiedenen Sprachen von Jesu Worten und Taten zu erzählen, als der bereits verstorben und auferstanden war. Seitdem feiern Christ*innen weltweit 50 Tage nach Ostern das Sprachenwunder von Pfingsten.
G*tt ist also nicht starr, unveränderbar und unerreichbar und schon gar nicht ein alter weißer Mann mit Bart. Stattdessen ist G*tt ständig in Veränderung begriffen und in Beziehung mit sich selbst und den Menschen. Für die einen ist G*tt eher als Vater (oder Mutter oder Freund*in) denkbar und ansprechbar, für die anderen ist G*tt eher eine abstrakte Schöpferkraft in der Natur oder das Wort der Heiligen Schrift. Andere brauchen Jesus Christus als Mittler, um Kontakt zu G*tt aufnehmen zu können. Wieder andere sprechen zur Heiligen und nicht geschlechtlich markierten Geistkraft. Sie ermutigt und begeistert und ist für nicht wenige Menschen die einzige Möglichkeit mit G*tt zu sprechen, zu klagen, zu loben oder zu beten, ohne dass schmerzhafte Familienbilder und Familienerfahrungen heraufbeschwört werden.
Die Zugänge zu G*tt sind so unterschiedlich wie die Menschen. Und die Menschen sind so verschieden wie auch G*tt verschieden ist. Denn G*tt ist in sich selbst plural und divers.
Der Schweizer Dichter Kurt Marti hat G*tt als „gesellige Gottheit“ beschrieben, da G*tt im Gespräch und in Begegnung mit sich selbst steht. Insofern symbolisiert das Fest der Trinität Diversität und Vielfalt. Marcella Althaus-Reid geht in ihrem Buch über einen queeren G*tt soweit zu sagen, dass G*tt Orgien mit sich selbst feiert. Andere betonen, dass G*tt sich immer wieder mit sich selbst bespricht, seinen pluralen inneren Stimmen zuhört und Entscheidungen abwägen muss. G*tt stehe daher für Kommunikation, Begegnung und Veränderung und nicht für starre dogmatische Lehrsätze.
Genau das passierte allerdings, als im Jahr 325 beim Konzil von Nicäa das trinitarische Glaubensbekenntnis formuliert und bestätigt wurde und alle anderen Vorstellungen von G*tt und Jesus Christus als häretisch abgewiesen und von da an verfolgt wurden.
Etwa tausend Jahre später, im Jahr 1334, hat Papst Johannes XXII. das Fest zur Verehrung der Allerheiligsten Dreifaltigkeit eingeführt. Spätestens seitdem hatte sich die Vorstellung der Dreifaltigkeit G*ttes verhärtet, statt die Zugänge zu G*tt flexibel und plural zu halten .
Eine queere Perspektive auf die Trinität kann heutzutage dazu ermutigen, die innere Pluralität G*ttes wieder stark zu machen gegen jede (Hetero-)Normierung und Vereinheitlichung. Und sie lässt Platz und Freiräume für noch ganz andere Vorstellungen und Gottesbilder, die vielleicht noch gar nicht ausgesprochen worden sind. Die innere Vielfalt G*ttes spiegelt sich in der Pluralität und Diversität der Menschen weltweit wider, die alle Kinder G*ttes sind, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung. Und auch diese Vorstellung ist nicht selbstverständlich, sondern muss immer wieder gegen Kategorisierungen und Vereinheitlichungen wach gehalten und verteidigt werden.
Insofern erfordert die Pluralität G*ttes und der Menschen von allen christlichen Kirchen und religiösen Gemeinschaften Ambiguitätstoleranz. Das heißt: Alle müssen aushalten und akzeptieren, dass nicht dogmatische Vereinheitlichung und starre Normierung christlichen Glauben bezeugen, sondern Geschichten von unterschiedlichen Menschen und Gemeinschaften, die alle ganz verschieden an G*tt glauben, ohne die eine Glaubensform zur absoluten Norm zu erheben. Queere Menschen und ihre diversen Gottesbilder und Glaubenswege gehören selbstverständlich in dieses plurale Geschehen dazu.