"Gehör ich hier denn noch dazu oder bin ich längst schon draußen?" Diese Frage, zugleich der vorsichtig-zweifelnde Anfang eines Rosenstolz-Songs, stelle ich mir fast jedes Jahr, wenn die Demonstrationen und Veranstaltungen anlässlich des Christopher Street Day anstehen, und mit jedem Jahr, das ich älter werde, wird die Frage ein wenig drängender. Natürlich nehme ich mehr als vor zwanzig Jahren die altersfeindlichen Ressentiments innerhalb der Community wahr; natürlich bereitet es mir Sorgen, dass aggro-queere Teile der Community ihre 'Identität' dadurch zementieren, dass sie mir meine als schwuler Mann nicht zubilligen; natürlich muss ich mir eingestehen, dass manche der heutigen Themen und Diskussionen nicht (mehr) die meinen sind.
Das Entsetzen über sich gegen Israel und für die Terrorgruppe Hamas positionierende 'Queers' (hauptsächlich in Internet-Medien, wie mir scheint) steht neben der Zuversicht, dass die CSD-Paraden eine große Demonstration gegen die Gefahr eines Rechtsrucks und für ein friedliches, demokratisches und vielfältiges Miteinander in Deutschland wie in Europa werden. Ich wünschte, sie würden aus aktuellen Anlässen auch eine hörbare Stimme gegen Antisemitismus sein.
Die Verwunderung über manche Verhaltensweisen und Gepflogenheiten der Jüngeren steht neben dem Vertrauen, dass sie da sein werden, wenn es drauf ankommt. Sie werden sich nicht mehr – es sei denn durch die Gewalt repressiver Staaten oder brutale Schlägergewalt – einsperren lassen. Sichtbarkeit ist und bleibt unabdingbar Teil eines freien und selbstbestimmten Lebens, das gilt eigentlich generell, für das homosexuelle, das queere aber im Besonderen.
Und die Fassungslosigkeit, was nach wie vor im Namen des Christentums an Menschenfeindlichkeit – zuletzt vor allem gegen trans Personen - vorgebracht werden kann, wird besänftigt durch die Zeichen des Widerspruchs und der Solidarität einer sehr großen Zahl an Unterstützerinnen und Unterstützer, die gerade wegen ihres christlichen Glaubens an der Seite der LGBTIQ+-Buchstaben-Community sind und bleiben.
Manchmal schaue ich auf die Community, die - wenn überhaupt - nur noch im Plural denk- und wahrnehmbar ist, und frage mich, was dieses geradezu babylonische Stimmen- und Themengewirr überhaupt noch zusammenhält. Bis der nächste wunderbare Moment kommt, in dem ich merke, dass wir einander 'einfach so' verstehen, dass wir eine existenzielle Grunderfahrung, nicht so zu sein wie die anderen, teilen, dass uns ein Glaube verbindet, der uns Gemeinsames finden und empfinden lässt, das nicht in Worten erschöpfend beschrieben werden kann.
Vielleicht können die 'queeren' Gottesdienste in Verbindung zum CSD solch einen Moment bieten, vielleicht auch einfach das Miteinander auf einer CSD-Demonstration: voraussetzungslos dazugehören und angenommen sein. Für manche ist das der Kern des Gottesglaubens, für manche einfach 'nur' eine schöne menschliche Utopie.
Mögen wir alle behütet durch die CSD-Saison und die Gezeiten des queeren Lebens kommen.
Auswahl an Gottesdiensten im Umfeld von CSD-Demonstrationen und -feiern:
MAI 2024
St. Pölten, Do., 23. Mai 2024, 17 Uhr: Ökumenischer Gottesdienst (im Rahmen der Pride Week) in der Bürgerspitalskirche, Wiener Straße 41
Düsseldorf, Fr., 24. Mai 2024, 18 Uhr: Ökumenischer Gottesdienst zum Auftakt des CSD-Wochenendes in der Josephskapelle, Emilie-Schneider-Platz 1 (Link)
Wiesbaden, Fr., 24. Mai 2024, 18 Uhr: CSD-Gottesdienst in der Jugendkirche Kana / Maria Hilf Gemeinde, Ecke Platter Straße/Kellerstraße (Link)
Osnabrück, Sa., 25. Mai 2024, 12 Uhr: Ökumenischer Gottesdienst zum CSD, Kleine Kirche (neben dem Dom) (Link)
Dresden, Fr., 31. Mai 2024, 23 Uhr: "Queer und Christlich???" – Persönliche Geschichten von queeren Christ*innen. Tagesausklang am Vorabend des CSD-Demonstrationszuges, veranstaltet von Queer und Christlich in Dresden – Regionalgruppe der HuK, Kreuzkirche, An der Kreuzkirche 1 (Link)
Wilhelmshaven, Fr., 31. Mai 2024, 19:30 Uhr: Eröffnungsgottesdienst zum CSD; Motto: "Bei allem was ihr tut, lässt euch von der Liebe leiten"; St. Willehad Kirche, Bremer Str. 53 (Link)
Karlsruhe, Fr., 31. Mai 2024, 19 Uhr: Segensfeier – Ökumenischer Gottesdienst zum CSD, veranstaltet vom kath. Jugendhaus Karlsruhe, Citykirche St. Stephan, Erbprinzenstraße 16 (Link)
JUNI 2024
Hofheim am Taunus, So., 2. Juni 2024, 10 Uhr: Gottesdienst "Support together" zum CSD MTK, Kellereiplatz (Link)
Apen, So., 2. Juni 2024, 10 Uhr: Pride Gottesdienst "Wir sind viele", Friedenskirche Augustfehn, Stahlwerkstraße 58 (Link)
Oldenburg, So., 9. Juni 2024, 10 Uhr: CSD-Gottesdienst, St. Lamberti-Kirche, Markt 17 (Link)
Köthen, So., 16. Juni 2024, 14 Uhr: Queerer Gottesdienst (zum Abschluss der CSD-Aktionswoche), Kirche St. Jakob, Marktplatz (Link)
Fulda, Sa., 22. Juni 2024, 12 Uhr: Gottesdienst zur Eröffnung des CSD Fulda, Christuskirche Fulda, Lindenstraße 1 (Link)
München, Sa., 22. Juni 2024, 10 Uhr: Ökumenischer CSD-Gottesdienst "Bergpredigt statt Hasspredigt" in St. Paul an der Theresienwiese. Anschließend gemeinsame Teilnahme an der CSD-Demo (Link)
Graz, Di., 25. Juni 2024, 19 Uhr: Ökumenischer Regenbogen-Gottesdienst zum Christopher Street Day, Heilandskirche Graz, Kaiser-Josef-Platz 9 (Link)
Hanau, Fr., 28. Juni 2024, 19 Uhr: Interreligiöser Gottesdienst am Vortag des CSD, Bühne Olof-Palme-Haus, Pfarrer-Hufnagel-Str. 2 (Link)
JULI 2024
Regensburg, Sa., 6. Juli 2024, 10 Uhr: CSD-Gottesdienst/Andacht, Neupfarrkirche, Neupfarrplatz (Link)
Kiel, So., 14. Juli 2024, 17 Uhr: Gottesdienst zum Abschluss des CSD, Motto „Kleid der Hoffnung“, Martinskirche, Charles-Roß-Ring 118 (Link)
Rostock, So., 14. Juli 2024: Andacht mit Empfang (im Rahmen der HanseQueer-Kulturwochen) im Pfarrgarten in der St. Marienkirche am Neuen Markt (Link)
Berlin, Fr., 19. Juli 2024, 19:30 Uhr: "Bei allem was ihr tut, lasst euch von der Liebe leiten", ökumenischer Eröffnungsgottesdienst zum 30. lesbisch-schwulen Stadtfest Berlin; Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg (Link)
Köln, Fr., 19. Juli 2024, 18:30 Uhr: CSD-Gottesdienst – Segen fürs Pride Weekend in der St. Johannes-Kirche, Köln-Deutz, Tempelstr. 31 (Link)
Stuttgart, Mi., 24. Juli 2024, 19 Uhr: Ökumenischer Gottesdienst zum CSD im Rahmen der Kulturwochen in der Leonhardskirche, Leonhardsplatz / Bei der Planung sind im Moment verschiedene Gemeinden Stuttgarts (bisher MCC, evangelisch, römisch-katholisch und alt-katholisch) beteiligt.
Berlin, Fr., 26. Juli 2024, 18 Uhr: Gottesdienst am Vorabend des CSD, u.a. mit Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein, Berlins Reg. Bürgermeister Kai Wegner und Schriftstellerin Nora Bossong; St. Marienkirche, Karl-Liebknecht-Straße 8, Berlin-Mitte (Link)
Alle Angaben ohne Gewähr! Die Gottesdienste finden in der Verantwortung der jeweiligen Veranstalter statt.