Anfang Mai hob die weltweite Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) auf ihrer Generalkonferenz im US-amerikanischen Charlotte in North Carolina bestimmte Regelungen auf, die queere Menschen diskriminierten – evangelisch.de berichtete. Die Generalkonferenz ist die höchste Versammlung der EmK. 93 Prozent der Delegierten stimmten dafür, das Verbot homosexueller Menschen für kirchliche Ämter zu kippen. Nun können schwule, lesbische und bisexuelle Menschen künftig Pastor:in oder Bischöf:in werden. Auch sind gleichgeschlechtliche Trauungen ab sofort erlaubt. Die Formulierung, praktizierte Homosexualität sei "unvereinbar mit der christlichen Lehre", die heteronormative Definition der Ehe sowie ein Finanzierungsverbot, das die Verwendung von Mitteln für LGBTIQ-Anliegen oder deren Unterstützung einschränkte, wurden gestrichen.
Dass es zu dieser längst überfälligen, erfreulichen Entscheidung kam, war jedoch nicht unbedingt klar. Denn noch vor fünf Jahren wurde eine Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlich liebenden Menschen abgelehnt.
J.J. Warren, der mit 19 Jahren an der Generalkonferenz 2016 als Delegierter aus New York teilnahm, erlebte dort zum ersten Mal die tiefe Spaltung innerhalb der weltweiten methodistischen Kirche, die – wie er im Interview mit kreuz & queer erzählt – von rechtsgerichteten Fraktionen vorangetrieben wurde. Damals organisierten sich die rechten Gruppen in der Kirche, um einen Plan zu verabschieden, der Strafmaßnahmen gegen LGBTIQ-Personen und Geistliche, die gleichgeschlechtliche Trauungen vollzogen, vorsah.
Warren, der inzwischen an der Universität Wien promoviert, hielt damals als Reaktion auf diesen verheerenden Plan eine improvisierte Rede, um seine Geschichte als schwuler "United Methodist" zu erzählen. Das Mutige daran war, dass er sich mitten im Bewerbungsverfahren für das Amt eines Geistlichen befand. Seine Rede ging viral und wurde von vielen Medien weltweit verbreitet.
Warren berichtet: "Dies gab mir eine Plattform – und eine Verantwortung – wie ich sie nie zuvor erlebt oder erwartet hatte. Ich empfand es als meine Verantwortung, diese Aufmerksamkeit zu nutzen, um die älteren LGBTQIA+-Personen zu feiern, die es mir ermöglicht hatten, offen queer zu sein und am Ordinationsprozess teilzunehmen. Und ich wollte die Stimmen anderer junger LGBTQIA+ Personen mit unterschiedlichem Hintergrund stärken, sodass ich genau die Menschen unterstützen konnte, denen die Kirche schadete." Warren, der seit letztem Jahr Pastor ist, reiste zu vielen methodistischen Kirchen, Universitäten und anderen Organisationen, um seine Vision von Inklusion in der Kirche zu verbreiten.
Auch Pastor Stefan Schröckenfuchs, Superintendent und somit höchster geistlicher Amtsträger der EmK in Österreich, setzt sich für die Gleichbehandlung von LGBTIQ-Menschen in seiner Kirche ein. In Österreich sei dies auch in den letzten Jahren kein Problem gewesen, so Schröckenfuchs. Er begrüßt die Entscheidung der Generalkonferenz, die diskriminierenden Passagen in der Kirchenordnung zu streichen. In Österreich und anderen europäischen Ländern habe man in den letzten Jahren keine Ausgrenzung von gleichgeschlechtlich liebenden Menschen befürwortet. "Es geht schließlich konkret um Menschen, die man kennt, liebt und schützen will. Und wir bedürfen alle dessen – eben angenommen zu sein", sagt Schröckenfuchs im Gespräch mit kreuz & queer.
Trotz des Erfolgs bleiben Fragen offen – zum Beispiel, wie die einzelnen Länder und Kommissionen mit der nun "neutralen" Kirchenordnung in Bezug auf LGBTIQ umgehen. Schröckenfuchs setzt auf Dialog und Begegnung mit denjenigen, die in anderen Kontexten als dem progressiven in Österreich und Deutschland etwa verortet sind. "Ich will versuchen, die Menschen in ihren Lebensrealitäten ernst zu nehmen. Ich verstehe auch, dass da Ängste sind." Gegenseitiges Verständnis gelänge mit Vertrauen, das nur durch menschliche Begegnung hergestellt werden könne, so Schröckenfuchs.
Der unterschiedliche Wissenstand über LGBTIQ – also Sexualitäts- und Genderdiskurse – habe auch dazu geführt, dass in den Verhandlungen oft Vermischungen passiert seien. Gerade da, wo gegen LGBTIQ gehetzt wird, werden abwertende Begriffe undifferenziert verwendet – nicht nur in der methodistischen Kirche.
"Soweit ich weiß, gab es in unserer Konfession noch nie eine Einschränkung gegen Transgender-Personen, aber das liegt einfach daran, dass in vielen Regionen der Kirche kein Bewusstsein dafür vorhanden ist. Wenn ein trans Pastor einen Ehepartner des anderen Geschlechts heiraten würde, wäre er bisher wahrscheinlich wegen Homosexualität bestraft worden", erklärt Warren, der weiter entschieden für Gleichstellung in seiner Kirche kämpft. "Wir befinden uns nun auf einem neutralen Standpunkt, der es immer noch nicht erlaubt, LGBTQIA+-Personen zu feiern, einschließlich unserer trans- und intergeschlechtlichen Geschwister", so Warren, der zuletzt sein Buch mit dem Titel "Reclaiming Church. A Call to Action for Religious Rejects" über seine Vision von Diversität in der Kirche herausgegeben hat. Warren hat außerdem eine Nonprofit Vereinigung gegründet, "Young Prophets Collective (YPC)", die junge LGBTIQ-Führungskräfte in seiner Kirche stärken soll.
Für die gegenwärtigen und zukünftigen Diskussionen und Kämpfe in der methodistischen Kirche um die Gleichstellung von LGBTIQ-Menschen findet Stefan Schröckenfuchs: "Es geht nicht ums Rechthaben, sondern darum, wie wir Liebe leben." Und das ist eine Maxime, die wir alle in allen Kirchen leben und pflegen sollten.
J.J. Warren und Stefan Schröckenfuchs wirken zusammen mit anderen Geistlichen und Ehrenamtlichen aus verschiedenen christlichen Konfessionen beide beim diesjährigen Pride Prayer in Wien mit:
Pride Prayer "Pride is a demonstration", 5. Juni, 19h, Evangelisch-methodistische Kirche Wien-Fünfhaus, Sechshauser Straße 56, 1150 Wien