Symbol Frau und Sternchen
Kerstin Söderblom
Kerstin Söderblom bloggt zum Genderverbot der bayrische Landesregierung und dem Plan der hessischen Landesregierung, ebenfalls dieses Verbot einzuführen.
Geschlechtssensible Sprache provoziert
Genderverbot
Geschlechtsneutrale oder geschlechtssensible Sprache erhitzt seit Jahren die Gemüter. Nun hat die Bayrische Landesregierung das Gendern verboten. Die Hessische Landesregierung will das Verbot ebenfalls einführen.

Gendern ist in Bayern seit April 2024 verboten. Auch Sonderzeichen, also Sternchen, Doppelpunkt und Unterstrich, sind in Schulen, Universitäten und Behörden seitdem tabu. Hessen plant das auch, ist aber noch nicht so weit. Nur das Hessische Kultusministerium ist vorgeprescht und verbietet bereits Sonderzeichen für Abiturprüfungen. Sie werden als Fehler angerechnet. Echt jetzt? 

Seit Jahren gibt es die aggressiv vorangetriebene Mär, dass geschlechtsneutrale oder geschlechtssensible Sprache den Deutschen vorschreibt, wie sie zu reden und zu schreiben haben. Eine inklusive Form des Denkens und Sprechens wird als Gefahr für persönliche Freiheitsrechte stilisiert. 

Kleine Nachhilfe: Seit Jahrhunderten gendert die Deutsche Sprache. Sie nutzt konsequent das generische Maskulinum. Wer sich dadurch nicht angesprochen oder sogar ausgeschlossen fühlt? Nicht das Problem der Sprachwissenschaftler, genau - Männer eben. Frauen kommen sprachlich nicht vor, sondern werden allenfalls mitgemeint? Macht nichts, die sollen sich mal nicht so anstellen. Wenn Personen sich weder mit dem weiblichen noch mit dem männlichen Geschlecht identifizieren und auch im 21. Jahrhundert durch Sprache immer noch unsichtbar gehalten werden? Macht auch nichts, es geht ja nur um kleine Minderheit. Das ist ja nicht das Problem der Mehrheit. Und es gibt doch wahrlich Wichtigeres im Leben.

Was mich beschäftigt ist die Frage, ob diejenigen, die dieses Verbot ausgesprochen haben, eigentlich ein einziges Mal mit Personen gesprochen haben, die durch das generische Maskulinum ihr Leben lang unsichtbar gehalten werden. Haben sie einmal gefragt, wie es Menschen geht, die konsequent in offiziellen Texten nicht vorkommen?

Und noch was beschäftigt mich: Menschen, die inklusiv denken und sprechen, wird ideologisches Handeln unterstellt. Tatsächlich handelt aber die Bayrische (und Hessische) Landesregierung ideologisch, wenn sie Menschen vorschreiben, wie sie zu reden und zu schreiben haben. Sie tun also genau das, was sie Personen vorwerfen, die in ihrem Leben ganz bewusst geschlechtsneutral oder geschlechtssensibel sprechen und schreiben, damit weibliche, non-binäre und trans* Personen, die sich mit dem generischen Maskulinum nicht angesprochen fühlen, sprachlich sichtbar werden. Sie haben niemanden vorgeschrieben, dies auch so zu tun. 

Sprache bildet Wirklichkeit nicht nur ab (dann müsste sie die Vielfalt der Menschen in diesem Land im Blick haben), sondern sie schafft auch Wirklichkeit. Das Genderverbot versucht krampfhaft, die gelebte Vielfalt der Menschen aus der Sprache herauszuhalten und Diversität sozusagen mit Desinfektionsmittel zu kaschieren. Sprache wird damit zum Instrument von Unsichtbarmachung und Diskriminierung. 

Wenn in der Öffentlichkeit konsequent das generische Femininum benutzt werden würde, würden sich viele darüber empören, dass sie in der deutschen Sprache nicht mehr vorkommen. Dass sie natürlich mitgemeint wären, brächte sie nur noch mehr auf die Palme. Der Untergang des Abendlandes wäre nichts dagegen! Meine Kollegin Beatrice von Weizäcker hat das in einem Blogpost von "Spiritus" auf den Punkt gebracht. An dieser Empörung kann abgelesen werden, wie wichtig sprachliche Repräsentanz und Sichtbarkeit ist. 

Das Genderverbot zensiert die Vielfalt von Menschen und bestraft diejenigen, die sich darum bemühen, diese Vielfalt sprachlich abzubilden und dafür zu sensibilisieren. Es ist nicht ideologiegetrieben, wenn Menschen auch sprachlich im öffentlichen Leben dazu gehören wollen, dies zu verbieten schon.