EvanQueer
LGBTIQ und Kirche
Mauern abtragen: evangelisch und queer in Österreich
Der neugegründete Verein EvanQueer setzt sich für Sichtbarkeit und Gleichstellung von LGBTIQ-Menschen in den evangelischen Kirchen in Österreich ein. Die Webseite ist vor kurzem online gegangen und informiert über das Angebot des Vereins, der aus geistlichen wie weltlichen Mitarbeitenden besteht.

Endlich war es soweit! Im November des letzten Jahres haben wir den Verein „EvanQueer – queere Menschen in den evangelischen Kirchen in Österreich“ gegründet. Als Vorsitzende haben wir Claudia Marlen Schröder gewählt, die ich im November für „kreuz & queer“ interviewt habe. Unterstützt im Vorstand wird sie von den Theologiestudierenden Daniel Krizner und Jan Minack sowie den Pfarrerinnen Gerda Pfandl und Livia Wonnerth-Stiller – sowie mir. Wir alle arbeiten ehrenamtlich für den Verein.

„Queere Menschen machen in kirchlichen und anderen religiösen Gemeinschaften die Erfahrung, dass ihre Genderidentität, ihre sexuelle Orientierung und/oder ihr Lebensmodell herabgewürdigt und verleugnet werden, bzw. dass diese als weniger wert als heteronormative Lebensweisen beurteilt werden. Diese Abwertung und Verneinung queerer Lebensweisen werden oft mit einer bestimmten Art, die Bibel zu interpretieren, legitimiert“, so die Vorsitzende, die auch in einer Wiener Pfarrgemeinde Presbyterin ist.

Während in vielen deutschen Landeskirchen LGBTIQ und Diversity auch medial zu einem viel beachteten Anliegen geworden ist – etwa Teilpfarrstellen und andere Stellen eigens dafür eingerichtet werden – wird das Thema in Österreich noch immer behandelt wie eine heiße Kartoffel: Man greift es besser nicht an, aus Angst, sich die Finger zu verbrennen. Immerhin gibt es in der lutherischen evangelischen Kirche in Österreich pro Diözese eine:n Seelsorgebeauftragte:n für LGBTIQ sowie eine:n für die Reformierten, doch diese Info ist kaum öffentlich zugänglich. Nach wie vor können außerdem die Pfarrgemeinden selbst entscheiden, ob sie gleichgeschlechtlichen Paaren den Trausegen geben oder nicht – immerhin ist dieser offiziell möglich seit 2019. Ein positiver Umgang, der LGBTIQ nicht nur im Lichte von Seelsorgebedarf und Glaubenszerrüttung sieht, gibt es in unserer Kirche nur „von unten“. 

Claudia Marlen Schröder erklärt dazu: „Die Kirchenleitung hat sich bislang mit dem Thema Homosexualität auseinandergesetzt. Hierfür standen ihr in den vergangenen Jahrzehnten einzelne Pfarrpersonen als Expert:innen zur Seite. Das Thema LGBTIQ ist aber wesentlich umfangreicher. Und es herrscht noch sehr viel Unwissenheit. Der Verein EvanQueer hat das Ziel, diese Lücken zu schließen.“ 

Der Verein setzt sich für Sichtbarkeit und Gleichstellung nicht heteronormativer Lebensweisen in den evangelischen Kirchen in Österreich ein. Von kirchenpolitischer Arbeit über Bildungsarbeit bis hin zu Selbsthilfeangeboten für queere Menschen reicht der selbstgesetzte Aufgabenbereich des Vereins. Wir als Mitglieder haben dabei selbstverständlich immer auch andere marginalisierte und diskriminierte Gruppen im Blick. Der Verein entsendet zwei Personen in die Gleichstellungskommission der Evangelischen Kirche A. und H.B. (lutherisch bzw. reformiert).

Wir bieten als Verein an, Gemeinden und andere Institutionen zu besuchen, um über die Herausforderungen und Lebenssituation queerer Menschen zu informieren. Pfarrpersonen bereiten wir darauf vor, nicht unvorbereitet von Gemeindemitgliedern mit queeren Themen konfrontiert zu werden. Der Kirchenleitung möchten wir als kompetente Diskussionspartner:innen zur Verfügung und zur Seite stehen, wenn es darum geht, queere Themen in einen übergeordneten kirchlichen und geistlichen Kontext einzubinden.

Mit EvanQueer setzen wir die langjährige, erfolgreiche Arbeit der bisherigen „Plattform lesbische, schwule und bisexuelle Mitarbeiter*innen in den evangelischen Kirchen“ (LSM) fort. Mit dem neuen Namen wollen wir alle Schattierungen von Queerness ausdrücken, darunter auch Trans- und Intergeschlechtlichkeit, polyamore Lebensweisen, schwule, lesbische und bisexuelle Identität. „Dass wir mit Claudia Marlen Schröder nicht nur eine in unserer Kirche sehr engagierte, sondern auch eine transidente Person als Obfrau gewählt haben, unterstreicht unser Anliegen, möglichst in Vielfalt vertreten zu sein“, erklärt Gerda Pfandl, die viele Jahre als LGBTIQ-Seelsorgebeauftragte in der Diözese Wien tätig war.

Von LSM erbt der Verein auch die Verleihung des Prädikats „akzeptierend und offen für alle Lebensformen“ (a&o), das seit 2014 in vielen evangelischen Organisationen und Pfarrgemeinden Österreichs die Akzeptanz queerer Personen nach außen jetzt schon sichtbar macht. Die Webseite evanqueer.at ist bereits online zugänglich – wenn auch noch im Aufbau – und informiert über das Angebot und die geschichtliche Entwicklung queerer Sichtbarkeit in den evangelischen Kirchen Österreichs.

EvanQueer bietet gemeinsam mit dem ökumenischen Verein „Queer Glauben“ unter dem Titel „Queere Christ*innen“ jeweils am 4. Dienstag im Monat um 19 Uhr ein offenes Treffen mit Impuls und Gruppengespräch im Albert Schweitzer Haus in Wien an. Vorrangige Zielgruppe sind junge queere Christ:innen, die sich mit ihrem Glauben und ihrem Queersein auseinandersetzen wollen. Das Angebot wird seit Ende letzten Jahres von Menschen aus verschiedenen Konfessionen begrüßt und angenommen. 

Ein besonderes Anliegen ist uns als Verein das offene Gesprächs- und Informationsangebot für alle Menschen in den evangelischen Kirchen. Wir freuen uns über Interessierte – ob queere Menschen oder Verbündete. Auch Unsichere und Fragende dürfen sich gerne an uns wenden, denn es ist uns wichtig, dass wir durch Aufklärung und Begegnung Mauern abtragen und Akzeptanz und Solidarität in unseren Kirchen stärken. Die Zusammenarbeit und der Austausch mit ähnlichen Interessensgruppen in Deutschland begrüßen wir sehr.

Kontakt: 

Evanqueer.at