„Längst überfällig“, „bei Weitem nicht genug“, „Segen zweiter Klasse“ … so oder so ähnlich lauteten viele Reaktionen in meinem Bekanntenkreis auf die Lockerung der Segnungsregelung der römisch-katholischen Kirche, die Mitte Dezember durch den Vatikan veröffentlicht wurde. Während das Papier Fiducia supplicans, übersetzt „das Flehende Vertrauen“, von den einen als Vorstoß in Richtung Gleichberechtigung angesehen wird, prangern die anderen die erneute Diskriminierung in dieser offiziellen Erklärung an.
Denn homosexuelle Paare, selbst wenn sie staatlich verheiratet sind, werden nicht als ehewürdig angesehen und ihre Beziehung wird von der Kirche weiterhin als sündhaft verurteilt. Der Akt des Segnens gleichgeschlechtlicher Partnerschaften darf nämlich „von den kirchlichen Autoritäten nicht rituell festgelegt werden“, „um keine Verwechslung mit dem, dem Ehesakrament eigenen, Segen hervorzurufen“ und „nicht Teil eines liturgischen Ritus sein“ - beides wäre, so das Dokument, eine „schwerwiegende Verarmung“ des Segnens. Im Folgenden wird dann vor allem von Sünde und menschlichen Verwirrungen gesprochen – Begriffe, die schmerzlicherweise immer schon von Kirchen gerne in Verbindung mit gleichgeschlechtlicher Liebe und Sexualität gebracht wurden.
Fragt sich, ob das „flehende Vertrauen“ eine Anspielung auf den Wunsch der Kirchenmänner ist, dass sich die verirrten Homos durch das Gebet zu Gott nicht doch wieder auf den richtigen Weg bringen lassen?
Auch die Aussage des Papstes, dass das Papier vor allem dazu da sei, Homosexuelle in der Kirche willkommen zu heißen, ist beschämend – schließlich liebt oder lebt bereits ein großer Teil der römisch-katholischen Kirche homosexuell. Gut gemeint ist leider meist nicht gut gemacht. Ich hätte meinen katholischen Geschwistern einen größeren Move gewünscht. Letztlich führen „die guten Geistlichen“ die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare im seelsorglichen Rahmen ohnehin schon länger durch. Wozu gab es schließlich die Bewegung #segenfueralle.
Bei aller Freude über kleine Schritte sollte man jedenfalls die großen verletzenden Worte der Kirche(n) hinsichtlich der Verurteilung und Abwertung von homosexuell Liebenden nicht ignorieren oder gar wegreden. Knapp daneben ist nämlich auch vorbei.