Gleichgeschlechtliche Paare

Segen für alle
Liturgischer Ungehorsam im Erzbistum Köln
Segnungsfeiern für wiederverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare? Pastoralreferent:innen und Priester begeben sich in öffentlichen liturgischen Widerstand zu Kardinal Wölki.

Unter großer medialer Aufmerksamkeit haben Pastoralreferent:innen und Priester am 27. September auf dem Platz vor dem Kölner Dom öffentliche Segnungen durchgeführt - und sich damit ausdrücklich gegen Kardinal Wölki und die offizielle römisch-katholische Lehrmeinung gestellt.

Wie der WDR berichtet waren es ganz unterschiedliche Paare, die sich in aller Öffentlichkeit unter den Segen Gottes stellten: Wiederverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare, die alle nach offizieller Lehrmeinung nicht gesegnet werden können. Aber auch Paare, die gerade ihre Silberhochzeit feierten und mit der Teilnahme an dem öffentlichen Segnungsgottesdienst ihre Solidarität mit anderen zum Ausdruck bringen wollten.

Die Kölner Gemeindereferentin Marianne Arndt, eine der Organisator:innen der Feier, betonte, dass es ihr genau um diese Vielfalt gehe: Sie wolle die Liebe segnen, unabhängig von der Frage, wer wen liebt.

Die öffentliche Segnungsfeier, direkt vor dem Kölner Dom, war der Höhepunkt eines liturgischen Ungehorsams, der im Erzbistum Köln bereits Anfang des Jahres begonnen hatte: Im März fand in der St. Lambertus-Gemeinde in Mettmann ein Segnungsgottesdienst "für alle sich liebenden Paare" statt - nach einer anonymen Anzeige wurde der verantwortliche Priester vom Erzbistum suspendiert (Link zum Bericht).

Die Mettmanner Arbeitsgruppe "Regenbogenkirche für alle" ließ sich durch die Reaktion des Erzbistums aber offensichtlich nur wenig beeindrucken - vielmehr lud sie für Anfang September zur Segnungsfeier in die evangelische Kirche von Wülfrath ein. Die liturgische Leitung übernahm Gemeindereferentin Ulrike Platzhoff (Link zum Bericht).

Platzhoff, Arndt und die anderen Gemeindereferent:innen und Priester, die bei den Segnungsfeiern mitwirken, sehen ihren liturgischen Ungehorsam als Möglichkeit, diejenigen Bischöfe zu unterstützen, die Veränderung in der Kirche voranbringen wollen, wie Platzhoff sagt.

Hintergrund ist der Beschluss der Synodalversammlung des "Synodalen Wegs" der Deutschen Bischofskonferenz vom 10. März 2023 in Frankfurt. Dort hatte sich eine große Mehrheit dafür ausgesprochen, so schnell wie möglich Segnungsfeiern für Wiederverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare in den deutschen (Erz-)Diözesen zu ermöglichen. Kardinal Wölki und sein Weihbischof Ansgar Puff stimmten gegen diesen Beschluss. Sie verwiesen darauf, dass der Vatikan erst im Jahr 2021 noch einmal klargestellt habe, dass solche Segnungen nicht möglich seien, da die Beziehungen nicht "auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet" seien (Link zum Bericht, Link zum Dokument des Vatikans).

Dieser Vorwurf der "ungeordneten" Sexualität prägt die römisch-katholische Lehrmeinung seit den 1980er Jahren. Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Joseph Kardinal Ratzinger, hatte am 1. Oktober 1986 ein ausführliches Gutachten vorgelegt, in dem er betont, dass nach dem Plan Gottes nur jene Sexualität "moralisch gut" sei, die sich in "der Leben schenkenden Vereinigung von Mann und Frau im Sakrament der Ehe" vollziehe (Nr. 7 des Schreibens über die Seelsorge an homosexuellen Personen). Da aus gleichgeschlechtlichem Sex kein neues Leben hervorgehen könne, sei dieser stets moralisch ungeordnet und daher zu verurteilen. Ratzinger verurteilt in dem Dokument Verfolgung und Diskriminierung homosexueller Menschen, fordert diese aber, sofern sie "gute" Christ:innen sein wollen, zu einem keuschen, also sexuell enthaltsamen Leben in der Nachfolge Christi auf.

Wer die Orientierungshilfe der EKD "Mit Spannungen leben" aus dem Jahr 1996 liest oder Verlautbarungen evangelischer Synoden aus dieser Zeit, der oder die wird oft ganz ähnliche Argumentationsmuster wie bei Ratzinger entdecken: Verurteilung von Diskriminierung, Plädoyer für unvoreingenommene Begegnung mit homosexuellen Menschen in den Gemeinden - und den Rat zum sexuell enthaltsamen Leben in der Nachfolge Christi. Allerdings hat sich in praktisch allen deutschen evangelischen Kirchen die Einsicht durchgesetzt, dass dieser Differenzierung ethisch nicht angemessen ist, weil ein Zwangszölibat der Vorstellung von einem ganzheitlich erfüllten Leben widerspricht. Segnungsfeiern oder Trauungen sind daher heute in allen deutschen evangelischen Kirchen möglich (vgl. Übersicht).

Freilich ist in der protestantischen Sexualethik Sexualität nicht in so starker Weise an Fortpflanzung gebunden, wie dies in der römisch-katholischen Lehre der Fall ist. Schon Martin Luther sah in der Liebe und der Sexualität zwischen zwei Menschen einen Wert an sich - unabhängig von der Frage, ob daraus neues Leben entsteht oder nicht.

So gesehen ist der Beschluss des "Synodalen Weges" ein starker Impuls, die römisch-katholische Sexualethik zu überdenken. Und es bleibt zu hoffen, dass die Aktionen liturgischen Ungehorsams von den Bischöfen tatsächlich als starkes Zeichen dafür verstanden werden, dass die Zeit reif ist für Veränderung!