Kirchenfenster mit vielen Menschen
Dieter Schütz/pixelio.de
Pfingsten - Fest der Vielfalt. Gottes Geist überwindet Grenzen.
Pfingsten - Fest der Vielfalt
Gerade Queers sollten ganz bewusst Pfingsten als das dritte Hochfest des christlichen Glaubens feiern, meint Wolfgang Schürger. Pfingsten nämlich sei das Fest der Vielfalt.

"Veni Creator Spritus" - Komm, Schöpfer Geist" singt ein alter Hymnus, der in den Stundengebeten der Klöster und Communitäten seit dem 9. Jahrhundert seinen festen Platz hat (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Veni_creator_spiritus).

"Komm, Heiliger Geist, erneuere die ganze Schöpfung", lautete der Gebetsruf der 7. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen im Jahr 1991 in Canberra, Australien.

"Komm, Schöpfer Geist, erneuere deine Kirche", so beten - sinngemäß - seit Jahren Menschen in den Reformbewegungen insbesondere der römisch-katholischen Kirche. Und tatsächlich scheint gerade ja so manches Brausen durch unsere Geschwisterkirche zu gehen. Ich persönlich hätte - ganz ehrlich - nicht gedacht, dass #outinchurch so viele positive Reaktionen in der Amtskirche auslöst (ein gute Übersicht über die Aktion und die Reaktionen darauf im Wikipedia-Beitrag: https://de.m.wikipedia.org/wiki/OutInChurch). Gottes schöpferische Geistkraft durchbricht die engen Banden des Kirchenrechts und macht Veränderung möglich!

Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes - das dritte Hochfest des Christentums, was wir in Deutschland immer noch daran erkennen, dass Sonntag und Montag gesetzlicher Feiertag sind. Die Bedeutung des Festes steht aber selbst für viele engagierte Christ:innen deutlich hinter Ostern und Weihnachten zurück.

Dabei steht das Pfingstfest für die Vielfalt und die Lebendigkeit des christlichen Glaubens - gerade als queere Menschen sollten wir es daher ganz bewusst feiern: An Pfingsten erleben Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und ganz verschiedener Kulturen die frohe Botschaft des Evangeliums, so berichtet es Lukas in seiner Apostelgeschichte (Apg 2). Viele von uns haben diese Geschichte vermutlich so im Ohr, dass die Apostel in verschiedenen Sprachen zu den versammelten Menschen sprechen. Das würde dann heißen, dass sie die EINE Botschaft in verschiedenen Sprachen übersetzen. Doch was Lukas erzählt, ist viel subtiler: An keiner Stelle spricht er davon, dass die Apostel mit einem Mal besondere Fremdsprachenkenntnis erworben hätten, vielmehr: "Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache?" (Apg 2,7f)

In der neutestamentlichen Fachliteratur heißt es daher immer wieder, dass es sich bei dem Pfingstwunder nicht um ein Sprachen-, sondern ein Hörwunder handelt. Vielfalt und Verschiedenheit der versammelten Menschen bleiben bestehen - aber jede und jeder erfährt in seiner Sprache die frohe Botschaft des Evangeliums. Nach dem Philosophen Ludwig Wittgenstein kann man sagen "Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt." An Pfingsten bricht der Schöpfergeist Gottes in diese jeweilige Welt ein, Gott inkulturiert sich in meine Lebenswelt.

Queergottesdienste, schwule, lesbische und queere Theologie leben aus dieser Erfahrung: Im Queergottesdienst wird Gottes lebenschaffendes Wort konkret für mich als Queer in meiner Lebenswelt! Ich höre das befreiende Wort des Evangeliums so, dass ich meine - queeren - Sorgen über Bord werfen kann und Gottes Geist mich ergreift und zu neuer Lebendigkeit führt.

Wo Gottes Geist weht, da entsteht Gemeinschaft der Kinder Gottes. Doch das ist keine Gemeinschaft in Gleichheit und Eintönigkeit, es ist Gemeinschaft in Vielfalt und Verschiedenheit. Wo wir uns in dieser Vielfalt und Verschiedenheit begegnen, uns über unsere Erfahrungen mit dem Evangelium austauschen und anerkennen, dass wir in dieser Verschiedenheit Kinder Gottes sind, da entsteht eine Dynamik, die Kraft hat, die Kirche zu erneuern. Veni Creator Spiritus, komm, Schöpfer Geist!