Kirche, Kloster, lesbischer Sex – ich musste den Kinofilm „Benedetta“ sehen! Zwar wollten uns vor dem Kino fundamentalistische Katholik_innen, die Mahnwache hielten und den Rosenkranz beteten, davon abhalten, in den Film zu gehen. Er sei blasphemisch und führe vom Glauben weg, so die Überzeugung der demonstrierenden Hardliner. Ich ging aber trotzdem.
Allerdings bekommt man leicht das Gefühl, Regisseur Paul Verhoeven („Basic Instinct“, „Elle“, „Showgirls“) versuchte genau das: einen skandalösen Film zu machen. Denn es jagt eine reißerische Szene die andere. Der Höhepunkt des vermeintlich oder für manche Anstößigen wird wohl die kleine Madonnenstatue sein, die Benedettas Geliebte zu deren Befriedigung zurechtschnitzt, um sie als Dildo zu verwenden.
Gleich zu Anfang gibt es Marienwunder, die durch die junge Benedetta Carlini offenbart werden. Benedetta wird zur Zeit der wütenden Pest von ihren Eltern ins Kloster in Pescia gebracht. Sie wird dort erwachsen und begehrt einerseits Jesus, der ihr immer wieder als kitschiger Guru erscheint und schließlich mit geradezu teuflischer Stimme durch sie spricht. Und sie begehrt die junge Novizin Bartolomea, die vor ihrem gewalttätigen Vater ins Kloster flieht. Zwischen den beiden entspinnt sich eine verbotene Liebe und Leidenschaft mit sadomasochistischem Einschlag – verfolgt vom männlichen Klerus, der die beiden schließlich auf dem Scheiterhaufen verbrennen will, nachdem der selbstgeschnitzte Madonnendildo zum Vorschein kam.
Beeindruckende Szenen von lesbischer Lust und Liebe, religiös konnotiertem Busenfetisch und weiblicher Gottesbeziehungen wechseln sich mit der sexualisierten Inszenierung nackter Frauen als Opfer von Folter und Gewalt ab. Aus einer queer-feministischen Perspektive stößt die Vermischung von Gewalt gegen Frauen und Erotik ab. Immerhin kann man in den doppelmoralischen und frauenverachtenden männlichen Klerikern aus Florenz die Verkörperung des Patriarchats schlechthin erkennen. Gut weg kommen sie nicht. Und die Nonnen sind alles andere als brav und unterwürfig. Selbst der am Wahnsinn kratzende Glaube der Benedetta wirkt stark und macht sie nicht demütig, sondern machtvoll.
Der Film basiert auf der wahren Geschichte der italienischen Nonne Benedetta Carlini (1590–1661), die ins Theatinerkloster kam und dort Äbtissin wurde, nachdem sie Visionen von Jesus hatte und Stigma aufwies. Ihr lesbisches Begehren war bekannt, u.a. da eine Mitschwester sie der sexuellen Belästigung beschuldigte. Die Akten Carlinis entdeckte die US-amerikanische Historikerin Judith Cora Brown, die 1986 das biografische Werk „Immodest Acts: The Life of A Lesbian Nun in Renaissance Italy“ veröffentlichte.
Aus dieser spannenden realen Geschichte hätte man wahrlich mehr als einen überzeichneten Nunsploitation-Film machen können, aber der niederländische Filmemacher Paul Verhoeven versuchte einmal wieder mit Sex und Gewalt zu provozieren. Doch die Zeiten von „Basic Instinct“ und „Showgirls“ sind vorbei.
Die Darstellerinnen überzeugen jedenfalls – allen voran Virginie Efira in der Titelrolle: Bravourös spielt sie die zweifelhafte Heldin Benedetta, die gleichzeitig abstoßend wie anziehend wirkt.
Immerhin: Der Film schafft es, dass man ihn verstörend, ekelhaft, lustig, albern und sexy zugleich finden kann. Und langweilig ist er an keiner Stelle. Ein gendersensibler Anstrich hätte ihm dennoch gestanden, um die emanzipatorischen Elemente der Historie, aber auch die der gut durchdachten Inszenierung zu stärken, nicht zu schmälern.
Geht und schaut selbst! „Benedetta“ läuft gerade in den deutschen und österreichischen (und teilw. Schweizer) Kinos.
„Benedetta", Frankreich 2021, Regie Paul Verhoeven