Bunt und heilsam – queere Gottesdienste
Biflagge am Altar
Katharina Payk
Katharina Payk beschreibt queere Gottesdienste – als Orte von Heilung, Festlichkeit und Gemeinschaft.

Als ich kürzlich in meinem Pfarrteam die Idee eines queeren Gottesdienstes in unserer Kirche vorstellte, fragte mich eine Kollegin: „Was ist das überhaupt?“

Bestimmt fragen sich das auch andere Menschen. Gottesdienste von und für LGBTIQ-Menschen und ihre Freund_innen und Verbündete gibt es sicher schon seit rund fünfzig Jahren. Früher von lesbischen und schwulen Gruppen „unter sich“, im Verborgenen, gefeiert laden heute auch manche großen Kirchen offiziell zu queeren Gottesdiensten ein. In meiner evangelischen Pfarrgemeinde in Wien-Donaustadt feiern wir am 28. Mai zur Langen Nacht der Kirchen einen queeren Gottesdienst.

Aber was ist nun das Besondere an einem solchen Gottesdienst?

Meine eindrücklichste Beobachtung ist, dass zu solchen Gottesdiensten oft Menschen kommen, die sonst nicht (mehr) in die Kirche gehen, wie etwa beim „Pride Prayer“ in Wien, der immer im Juni zum Pride von der ökumenischen Gruppe HUG (Homosexuelle und Glaube) organisiert wird. Es kommen Kirchenaktive und -ferne, Ausgetretene, Menschen anderer Glaubensrichtungen und Spiritualitätsformen und sogar von Kirchen traumatisierte Menschen (zurück) an den Ort Kirche. Das ist für mich immer eine ganz besondere Atmosphäre, die mich danken lässt für den Mut, den viele aufbringen, um sich (wieder einmal) in eine Kirchenbank zu setzen.

Bemerkenswert ist auch, dass sich zu queeren Gottesdiensten oft auch Menschen eingeladen fühlen, die aus anderen Gründen einst Ausschluss in der Kirche erlebt haben oder in der Gesellschaft an den Rand gedrängt sind. Menschen mit Be_hinderungen und psychischen Erkrankungen etwa oder Menschen mit Rassismuserfahrungen.

Die Liturgie kann genau gleich wie oder ganz anders als in jedem anderen Gottesdienst gestaltet werden. Möglicherweise ist es für manche Veranstalter_innen und Besucher_innen wichtig, dass hier alles so oder ganz ähnlich ist wie in einer klassischen Messe. Andere machen das kreative Potenzial von Queer in der Liturgie und Predigt deutlich: Queers sind gewohnt, alles einmal „umzudrehen“, von der „anderen Seite“ her aufzuziehen, alle Farben des Regenbogens zu betrachten und zum „anderen Ufer“ zu schauen. Das kann und darf sich natürlich auch im Ablauf und in den Inhalten des Gottesdienstes widerspiegeln.

In queeren Gottesdiensten werden homo-/bi-, trans- und frauenfeindliche Aussagen vermieden, oder anders gesagt: LGBTIQ kommen bestenfalls auch wörtlich vor. Dies steht im wohltuenden Gegensatz dazu, dass lesbische, bisexuelle, schwule, transidente, nichtbinäre und intergeschlechtliche Menschen nach wie vor entweder nicht vorkommen, diskriminiert werden und/oder Gewalt erleben. Auch das Liedgut wird sehr sorgfältig ausgewählt, bei klassischen Gemeindeliedern kann der Anspruch eines queergerecht(er)en Gottesdienstes zur Herausforderung werden. Die Gestaltung der Messe (Dekoration, interaktive Elemente …) kommt manchmal klassisch, manchmal in schillernden Farben daher – Pride eben.

Predigten können, müssen aber nicht über queere Themen gehalten werden. Wichtig ist: LGBTIQ sollen sich eingeladen, gemeint, angesprochen fühlen. Falsch ist die Annahme, es gehe in jedem queeren Gottesdienst um Sex. Aber vielleicht trauen sich queere Menschen tatsächlich einfach eher, heiße Eisen in die Kirche zu holen. Sie waren und sind schließlich selbst solche.

Ich nehme auch wahr, dass queere Gottesdienste meist von mehreren Liturg_innen oder Mitwirkenden gestaltet werden, darunter auch sog. Lai_innen. Vielleicht bildet dies die Communitybezogenheit und das Bewusstsein über die Vielfalt von LGBTIQ ab. Zudem sind queeraktive Menschen gewohnt und geübt, im Team zu arbeiten.

Viele queere Gottesdienste sind ökumenisch oder sogar interreligiös. Die Gemeinschaft gelingt hier oft vielmehr über die Zugehörigkeit oder die Solidarität mit der Queer-Community – oder einfach den Wunsch, einen inklusiven Gottesdienst gemeinsam zu feiern – anstatt über Konfessionen.

Ein queerer Gottesdienst ist zum einen von und für LGBTIQs und Friends gemacht und nimmt andererseits Themen aus dem queeren Leben auf – in Gebet, Predigt und Segen etwa. In welchem Ausmaß das geschieht ist freilich unterschiedlich. Als Geistliche (ich bin Vikarin/Pfarrerin in Ausbildung) gebe ich mein Bestes, auch in regulären Gottesdiensten, die ich in meiner Pfarrgemeinde feiere, auf binäre Zuschreibungen zu verzichten und queere Menschen anzusprechen. Ich hielt auch schon Sonntagspredigten zu explizit queeren Themen, etwa in der Evangelischen Hochschulgemeinde Wien. In einem eigenen queeren Gottesdienst ist Raum für die besonderen Erfahrungen und spirituellen Bedürfnisse von LGBTIQ – oft haben sie mit Verletzungen und Ausgrenzungserfahrungen zu tun. Kirche kann hier als Mitschuldiggewordene Versöhnungsarbeit leisten. In der Gottesdienstgemeinschaft, im Gebet und Segen erfahren queere Menschen ihr Heil(ig)sein. Kirche wird so auch als Ort von Heilung erfahrbar und als Raum für Community und queerer Festlichkeit wahrgenommen. Und feiern können wir ja gut!

Wo gibt es queere Gottesdienste?

Save the date: Herzliche Einladung zum queeren Gottesdienst „One of Us“ in Wien in der evangelischen Bekenntniskirche im Rahmen der Langen Nacht der Kirchen am 28. Mai um 20h: https://www.langenachtderkirchen.at/termin/one-of-us-queerer-gottesdienst-in-der-bekenntniskirche/

Links zu queeren christlichen Gottesdiensten in Deutschland, Österreich und der Schweiz – eine kleine Auswahl:

LesBiSchwule Gottesdienst-Gemeinschaften

HuK

MCC Wien

Queerer Gottesdienst Heidelberg

queerGottesdienst München