Am 3. März 2021 wird das Bundeskabinett aller Voraussicht nach ein LSBTI-Inklusionskonzept für die Entwicklungszusammenarbeit und die Auswärtige Politik der Bundesregierung verabschieden. Damit kommt ein mehr als zehnjähriges RIngen um Inklusion und Diversität in der deutschen Außenpolitik zu einem ersten Abschluss.
Bereits im März 2007 hatten renomierte intenationale Menschenrechtler*innen in den nach dem Konferenzort in Indonesien benannten Yogyakarta-Prinzipien gefordert, dass die Grundsätze der Menschenrechte in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit konsequent auch auf die Situation von Queers in den Partnerländern angewendet werden.
Vor diesem Hintergrund regt die Hirschfeld-Eddy-Stiftung bereits im Jahr 2011 einen Aktionsplan der Bundesregierung an, um diese Prinzipien auch in der deutschen Außenpolitik umzusetzen. Ein Jahr später gründet sich die Yogyakarta-Allianz, ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, um diesen Aktionsplan voran zu bringen. Nun also soll dieser endlich Politik werden.
Ziel des Inklusionskonzeptes ist es, mithilfe der Entwicklungszusammenarbeit die Menschenrechte unabhängig von sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität, Geschlechtsausdruck sowie von Geschlechtsmerkmalen zu sichern. Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sollen sich dazu zunächst einen umfassenden Eindruck von der Situation queerer Menschen in den Partnerländern verschaffen - insbesondere auch durch direkten Kontakt mit lokalen zivilgesellschaftlichen Gruppen. Ein Teil der Gelder der Entwicklungszusammenarbeit soll gezielt dafür eingesetzt werden, das Verständnis für Diversity bei den Partnerorganisationen und bei den öffentlichen Akteuren der Partnerländer (z.B. der Polizei) zu fördern. Durch eine entsprechende Personalpolitik soll Diversity auch in den eigenen Reihen besser zu Ausdruck kommen. Darüber hinaus soll ein Sonderprogramm "Kulturen und Kolonialismus" aufgelegt werden.
Wie wichtig gerade letzteres ist, zeigt sich mit Blick auf die Geschichte der deutschen Missionare: Die weltweite Christenheit versteht sich als eine große Familie. Das hat die Missionare des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts aber in ihrer Geschichte nicht davor bewahrt, kulturellem Kolonialismus durch ihre missionarische Arbeit Vorschub zu leisten. Erst seit den 1960er Jahren ist "Inkulturation", also das Wahr- und Ernstnehmen der anderen, fremden Kultur, zu einem wichtigen Leitprinzip missionarischer Arbeit geworden.
Sarah Kohrt, bei der Hirschfeld-Eddy-Stiftung verantwortlich für die Yogyakarta-Allianz, betont, dass die Homophobie, die wir heute in vielen Ländern Afrikas erleben, erst durch die Missionare der Kolonialmächte nach Afrika gebracht worden sei (Link zum Beitrag). Die Folgen dieses christlichen Kulturkolonialismus lassen sich freilichbis heute wahrnehmen - zum Beispiel in den kontroversen Diskussionen im Ökumenischen Rat der Kirchen über die Trauung oder Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Ein Kollege aus Tansania hat in diesem Zusammenhang einmal sehr emotional gesagt: "Unsere hochgeschätzten deutschen Missionare haben uns beigebracht, dass Homosexualität Sünde ist - und jetzt wollt ihr uns auf einmal sagen, dass wir Lesben und Schwule segnen sollen - und rückständig seien, wenn wir das aufgrund unserer christlichen Tradition nicht tun!" Der Kolonialismus prägt das christliche Selbstverständnis bis heute!
Die Forderung, überall in der weltweiten Ökumene queere Paare zu segnen, wird dann schnell als eine neue Form von Kolonialismus verstanden. Die Yogyakarta-Prinzipien und das Inklusionskonzept der Bundesregierung können in solch einer Situation eine Hilfe sein, denn Menschenrechte und Menschenwürde sind nach wie vor Werte, die von der überwiegenden Mehrheit auch der religiösen Autoritäten anerkannt sind. Damit dies nicht als neuer Kolonialismus verstanden wird, ist es aber sicher nötig, dass auch wir uns mit unserer eigenen Kolonialgeschichte kritisch auseinandersetzen. Ihr Aufarbeitung ist noch lange nicht abgeschlossen...