Jesus Christus, Dein Erlöser
Matthias Albrecht
Die Botschaft von der Geburt Christi verkündeten die Engel zuallererst denen, die von der Gesellschaft verachtet wurden. Ein Zeichen, das bis heute Hoffnung macht, weil es allen, die Ausgrenzung erleben, verdeutlicht: "Mit Jesus Christus ist Dein Erlöser gekommen".

"Wenn ihr die Marie nicht mitspielen lasst, dann müsst ihr jetzt alle nach Hause gehen und dann wird hier bei uns lange Zeit nicht mehr gespielt", sagt die Mutter streng. Marie ist sechs, die anderen Kinder, an die sich die Ansprache richtet, sind nicht viel älter. Ob es aus pädagogischer Sicht richtig ist, dass sich Eltern in die Freundschaften ihres Nachwuchses einmischen, sei dahin gestellt. Die Mutter in dieser Szene tut es. Sie tut es, weil sie nicht ertragen kann, dass eines der Kinder, die sich da in ihrem Garten tummeln, von den anderen ausgegrenzt wird. Es dürfte den meisten leicht fallen, sich in die Gefühlslage dieser Mutter hinein zu versetzen. Vielen wird es schwer ums Herz, wenn sie an einem Spielplatz vorbeigehen und dort ein Mädchen erblicken, das traurig an der Seite steht, weil es nicht mitmachen darf, während die anderen Kinder fröhlich in der Mitte toben. In einer solchen Situation leiden sie mit. Das ist so, weil (fast) jeder Mensch selbst schon erlebt hat, wie es ist, ausgegrenzt zu werden. Ausgrenzung ist eine menschliche Grunderfahrung. Die Gründe, aus denen Menschen andere exkludieren sind vielfältig: Eine andere Idee, wie das gemeinsame Spiel gestaltet werden soll, andere Klamotten, anderes Aussehen, andere Sprache, andere körperliche Beschaffenheit, andere Herkunft, andere Religion, anderes Geschlecht, andere Sexualität und so weiter.

Was mich an dem Bericht von der Geburt Jesu, so wie sie uns der Evangelist Lukas überliefert, immer wieder fasziniert, ist, dass Gott für dieses alles verändernde Ereignis nicht das Zentrum, sondern den Rand auswählt. Der Heiland dieser Welt wird weder im geographischen, noch im politischen, noch im gesellschaftlichen Zentrum der damaligen Welt geboren. Die Niederkunft ereignet sich in der kleinen, wenig bedeutenden Stadt Bethlehem und die ersten Menschen, denen die Engel hiervon berichten, sind Hirt*innen, eine Berufsgruppe, der zu jener Zeit nur wenig Achtung entgegen gebracht wurde. Gott verkündet zuerst denen die Geburt des Heilandes, die am gesellschaftlichen Rand stehen. Und nicht nur das, sie sind nach den Eltern die ersten, die an die Krippe herantreten dürfen, in der der neugeborene König dieser Welt liegt. Deutlicher kann kaum werden, dass Jesus gekommen ist, um die, die Ausgrenzung erfahren, zu erlösen; eine Verheißung über die, die Evangelien mannigfaltig berichten und die uns bis heute gilt. Überall dort, wo Menschen an den Rand gedrängt werden, da steht Jesus Christus ihnen als Erlöser zur Seite.

Auch wenn sich die Situation von Menschen, die homosexuell lieben und begehren, in den letzten Jahren verbessert hat, ist ihre Ausgrenzung in den Kirchen und Gemeinden, die für sich beanspruchen der Leib Christi zu sein, nach wie vor weit verbreitet. Viel zu viele werden weiter entweder subtil oder aber ganz offen von Anerkennung, Rechten, Gemeinschaft, Mitarbeit, Sakramenten sowie Amtshandlungen exkludiert. Die Folgen sind, dass diese Geschwister schmerzhafte Isolation innerhalb ihrer Gemeinden erleben. Sie werden zu Zaungäst*innen degradiert. Auch wer solche unheilvollen Kontexte verlässt, etwa durch den Austritt, leidet mitunter lebenslang unter dem Widerfahrenen. Das Gefühl, ein abgetrenntes Glied der Gemeinde zu sein, geht nicht weg. Der Schmerz bleibt. Die Wunde klafft. Am allerschlimmsten ist es, wenn sich dies auch im Zentrum des Glaubens, also der persönlichen Beziehung zu Jesus Christus, niederschlägt.

Mehr als einmal habe ich von einem Phänomen gehört, das ich als das Gefühl einer geistlichen Schattenexistenz bezeichne. Es handelt sich dabei um die Wahrnehmung von Menschen, die von ihrer Umwelt wegen ihrer Homo- oder Bisexualität so verunsichert wurden, dass sie zentrale Gewissheiten des persönlichen Glaubens, wie die der Liebe, des Heils und der Erlösung durch Christus verloren haben. Viele dieser Geschwister versuchen es zu vermeiden, vor das Angesicht Gottes zu treten, was sich unter anderem darin zeigt, dass sie kaum noch Zwiesprache mit ihm suchen. Stattdessen wollen sie sich, so als ob das möglich wäre, vor ihm verbergen. Ihr Herz wird von Sorgen, Unsicherheiten und oft auch der Angst vor ewiger Verdammnis gequält. Nur die kleine Hoffnung, doch noch irgendwie, so am Rande von Gott geliebt zu werden und irgendwo ganz an der Grenze seiner Herrlichkeit in seinem Schatten existieren zu dürfen, quasi unter "ferner liefen", hält diese Menschen aufrecht.

Wenn es Dir so geht, dann erinnere Dich heute ganz besonders an das, was die Engel den Hirt*innen auf dem Feld in der Nacht der Geburt Jesu gesagt haben: "Fürchtet euch nicht! […] euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus" (Lukas 2, 11+12). Dir ist heute der Heiland geboren! Und er ist für Dich kein halber Heiland und Du bist auch nicht nur irgendwie gerade noch so am Rande sein geliebtes Kind - ganz im Gegenteil! Wenn andere Dich ausgeschlossen haben, dann ist es Gottes erste Priorität, genau Dir jetzt sein Heil zu verkünden. Gottes Reich leuchtet in dieser Welt zuallererst bei denen auf, die an den Rand gedrängt wurden. Du bist sein geliebtes Kind. Er gewährt Dir den Zugang zur Krippe, das heißt zu Christus, damit Du Deine Knie vor ihm beugen und seine bedingungslose Liebe spüren darfst. Du musst Dich nicht verstecken. Und das ist auch nicht möglich, denn selbst wenn Du ganz am Rand bist, dann schickt er die himmlischen Herrscharen nach Dir aus, damit Du seine Liebe und Annahme empfangen kannst. Jesus Christus ist der Heiland der Ausgegrenzten. Seine Kirche hat den Auftrag, diese Menschen zu sammeln, für sie da zu sein, ihre Wunden zu heilen und ihnen Schutz zu gewähren. Überall dort, wo Kirche Jesu Christi das nicht leistet, da hört sie auf Kirche Jesu Christi zu sein. Nicht Du bist es, der etwas falsch macht, indem er liebt. Deine Gemeinde wird schuldig an Dir, falls sie diese Liebe zu etwas zu machen versucht, das nicht lebbar ist. Doch selbst wenn es so ist, dann versuch, an die Verheißung der Engel zu denken und fürchte Dich nicht, denn Jesus, Dein Erlöser, ist bei Dir. Wie in der eingangs erzählten Geschichte ist Gott eine liebende und gerechte Mutter, die mit ihren Kindern fühlt und auch eingreift. Gott wird Dir einen Weg zeigen, wie Du mit ihm versöhnt leben kannst. Er wird Dir Frieden geben. Und entweder wird er Deine Gemeinde verändern, so dass Du dort wieder leben kannst oder er zeigt Dir eine neue Gemeinschaft, die Dich als das was Du bist, ein geliebtes Kind Gottes, in ihrer Mitte aufnimmt.

Ja, Jesus ist nicht das kleine Kind in der Krippe geblieben, wie es so gern in den Heiligabend- Gottesdiensten der Gemeinden betont wird, die sich selbst als "fromm" kategorisieren. Nein, er hat große Wunder an denen die unterdrückt wurden, getan, wie es uns in der befreienden Botschaft des Evangeliums bezeugt wird. Er ging für unsere Erlösung ans Kreuz. Seine erlösende Kraft wirkt auch jetzt noch und eines Tages wird er sein Reich des Friedens vollenden. Darauf dürfen wir vertrauen, gerade dann, wenn wir Ausgrenzung erleben und dafür lobe und preise ich ihn mit den himmlischen Herrscharen:

„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens“ (Lukas 2,14)

AMEN.