Andreas Raschke: In der altkatholischen Kirche werden nun die Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare ins Traubuch eingetragen. Die größere Diskussion um die Ehe als Sakrament kann in Österreich nicht im Alleingang entschieden werden. Das Thema wird als zentrale Aspekte der Dogmatik betreffend eingestuft und muss daher in der Utrechter Union, dem Zusammenschluss der altkatholischen Kirchen in Europa, entschieden werden. Leider gibt es da von konservativen Landeskirchen Widerstand.
In der römisch-katholischen Kirche tut sich außer atmosphärischen Verbesserungen von Seiten des Papstes auf Seiten der Hierarchie in Österreich recht wenig. In einigen Diözesen gibt es allerdings bereits kompetente Ansprechpartner_innen unter dem Titel Regenbogenpastoral. Die Seelsorger_innenstelle in Wien ist allerdings weiterhin unbesetzt.
Das Thema Bisexualität ist bei den Kirchen bisher noch nicht angekommen.
K.P.: Und in anderen Glaubensgemeinschaften?
A.R.: Im Judentum gibt es Akzeptanz von Lesben und Schwulen in der Reformgemeinde Or Chadash, die auch Trauungen durchführt. Im Buddhismus gibt es im Großen und Ganzen Akzeptanz für unterschiedliche Lebensformen. In den orthodoxen Kirchen und im Islam haben wir derzeit keine Ansprechpartner_innen.
K.P.: In beiden evangelischen Kirchen gibt es nun die Segnung für alle. Welche Unterschiede gibt es weiterhin zwischen A.B. (lutherisch) und H.B. (reformiert) diesbezüglich? Wie beurteilst Du diese?
A.R.: Die Evangelische Kirche H.B. hat die Trauung unabhängig vom Geschlecht im Frühjahr eingeführt. Bestehende Segnungen können per Antrag in eine Trauung umgewandelt werden. In der Evangelischen Kirche A.B. ist der Kompromiss – keine Trauung für niemanden, sondern Segnung für alle – dem Widerstand traditioneller bis fundamentalistischer Kreise geschuldet. Ich sehe darin eher, dass jetzt heterosexuellen Partner_innen etwas weggenommen wurde, auch wenn theologisch im Evangelischen kein Unterschied zwischen einer Trauung und einer Segnung zu sehen ist.
(Anm. K.P.: In der Evangelischen Kirche A.B. bleibt es den Gemeinden überlassen, ob sie eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare durchführen oder nicht. Die vollkommene Gleichbehandlung steht also noch aus.)
K.P.: Was können die evangelischen Kirchen Deiner Meinung nach weiterhin tun in Bezug auf LGBTI?
A.R.: Das B, das T und das I sind in den Kirchen noch nicht angekommen, auch wenn an den Theologischen Fakultäten in Wien bereits darüber gelehrt wird. Hier gibt es noch viel zu tun.
Aber natürlich ist weiterhin Überzeugungsarbeit bei den Gemeinden erforderlich, die Segnungen ablehnen. Oft hilft die persönliche Erfahrung, dass es hier zu einem Umdenken kommt. Wir brauchen mehr LGBTI-Vorbilder in den Kirchen, die als Gesprächspartner_innen zur Verfügung stehen.
K.P.: Was wünschst Du Dir insgesamt von Religionsgemeinschaften im Bereich LGBTI – was könnte in Österreich noch ausgebaut oder etabliert werden?
A.R.: Da sollte zuerst ein Dialog mit den orthodoxen Kirchen und mit dem Islam in Gang kommen. Da gibt es Ausgrenzung und Diskriminierung, die meiner Meinung auch diesen Glaubensgemeinschaften nicht gut tut.
K.P.: Die HUG ist bewusst überkonfessionell. Wer kommt zu euch und was ist euer Angebot?
A.R.: Die Gruppe ist vor allem eine Gesprächsgruppe, mit wöchentlichen Abenden, manchmal einfach ein gemütliches Zusammenkommen. Öfter diskutieren wir Themen, die von Expert_innen innerhalb der Gruppe oder von Gästen eingebracht werden. Wir sind auch Ansprechpartner_innen für Medien, im Religionsunterricht und bei Lehrveranstaltungen an den Theologischen Fakultäten. Wenn Hilfesuchende sich an uns wenden, leiten wir sie oft an Seelsorger_innen oder Psychotherapeut_innen weiter. Vor allem im Rahmen der Regenbogenparade organisieren wir öffentliche Gottesdienste und sind vor und auf der Parade sichtbar.
K.P.: Viele Organisationen, die sich für LGBTI-Rechte und -Themen einsetzen, tragen im Namen nur die Homosexualität – so wie bei euch „Homosexuelle und Glaube“. Ihr seid aber offen für alle LGBTIs und beschäftigt euch auch mit Themen wie Intergeschlechtlichkeit. Diskutiert ihr den Namen der Gruppe?
A.R.: Der Name ist historisch entstanden. Wir pflegen Kontakte zu Trans- und Intergruppen. Bis jetzt gibt es nur eine trans Person, die uns von Zeit zu Zeit besucht. Sonst haben wir bisher keine Anfragen gehabt. Aber das kann natürlich auch am Namen liegen ... Darüber müssen wir uns Gedanken machen.
K.P.: Was plant ihr als HUG für 2020?
A.R.: Da im nächsten Jahr das Europäische Forum der Christlichen LBGT-Gruppen die Jahreskonferenz in Budapest haben wird, werden wir uns dabei auch verstärkt einbringen. Im Nachbarland Ungarn ist die Situation für LGBTIs vor allem auch in den Kirchen schrecklich. Vielleicht können wir da einen Beitrag leisten. Weitere Aktivitäten wird es wieder vor und bei der Regenbogenparade geben.
Andreas Raschke ist seit 2018 Obmann (Vorsitzender) der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Glaube (HUG) in Wien.
Die HUG Wien ist unter www.hug-wien.at und auf Facebook erreichbar.