Stolz und queer
EuroPride in Wien
© Lars Müller-Marienburg
EuroPride in Wien
Im Juni ist weltweit der Monat der queeren Pride Paraden. In diesem Jahr fand beispielsweise der EuroPride in Wien statt (Katharina Payk hat darüber im Vorfeld berichtet). Dort haben sich ca. 150 Gläubige und Anhänger*innen verschiedener Religionsgemeinschaften unter der Initiative „Religions for Equality“ gezeigt: Ich habe darüber mit der Teilnehmerin Katharina Satlow gesprochen.

Vor 50 Jahren, am 28. Juni 1969 haben sich vor der Szenekneipe Stonewall Inn im New Yorker Stadtteil Greenwich Village erstmals Schwule, Lesben, Dragqueens, Trans* und Schwarze gegen die willkürlichen Razzien von Polizisten zur Wehr gesetzt. Statt nach einer Razzia wie sonst gehorsam ins Polizeiauto zu steigen und zur Polizeiwache gefahren zu werden, begehrten einige Mutige am 28. Juni 1969 gegen die Polizeigewalt auf. Für die Polizei kam das überraschend. Schwule, Lesben und Dragqueens, die sich wehrten. Das hatten sie noch nie erlebt!

Der Aufstand vor dem Stonewall Inn weitete sich damals zu einer dreitägigen Straßenschlacht aus. Unterstützer*innen kamen aus ganz New York dazu. Die Stadtzeitung Village Voice hatte zu der Zeit ihr Büro über dem Stonewall Inn. Insofern konnten sie direkt vor Ort von den Begebenheiten berichten. Schnell kamen auch Reporter*innen anderer Zeitungen dazu. Und so es blieb nicht geheim, dass Schwule, Lesben, Dragqueens und Trans*Leute, die seit Jahren selbst im scheinbar liberalen New York schikaniert wurden, sich endlich wehrten. Innerhalb weniger Tage breitete sich der Aufstand auch in anderen Städten aus. In Chicago, Los Angeles und San Francisco wurde gegen Polizeiwillkür und gegen schwulen- und transfeindliche Diskriminierungen demonstriert.

1969 war Homosexualität in den USA noch strafbar. Männern war es verboten Frauenkleider zu tragen und umgekehrt. Entsprechend konnten queere Szenekneipen nur mit Hilfe von Schutzgeldern und geschmierten Polizisten überleben. Das Stonewall Inn hatte im Juni 1969 offensichtlich nicht rechtzeitig gezahlt.

Der Kneipenaufstand vor dem Stonewall Inn am 28. Juni 1969 gilt bis heute als Geburtsstunde der Schwulen-, Lesben- und Trans*-Bewegungen. Bereits zum ersten Jahrestag des Aufstands gingen Menschen in New York und in anderen Städten der USA wieder auf die Straße. Innerhalb weniger Jahre gründeten sich die ersten schwulen, lesbischen und trans* Interessengruppen in den USA und in anderen Ländern. In Deutschland wurden im Juni 1979 zum ersten Mal Christopher Street Day Paraden in Bremen, Köln und Westberlin gefeiert.

Auch vor 1969 gab es natürlich bereits schwule, lesbische und trans* Gruppen und Treffpunkte. Aber sie existierten nur im Verborgenen. Schwule waren in Deutschland noch bis 1994 aufgrund des Paragraphen 175 kriminalisiert, In anderen Ländern war es nicht viel besser. Noch heute existiert in acht Ländern die Todesstrafe für schwule Männer, in über 70 Ländern sind so genannte homosexuelle Handlungen immer noch kriminell.

Und auch die meisten Religionsgemeinschaften haben bis heute Schwierigkeiten, ihre queeren Anhänger*innen und Gläubigen als gleichberechtigte Mitglieder ihrer Religionsgemeinschaften anzuerkennen. Deshalb ist es nur verständlich, dass in Pride Paraden weltweit immer mehr Mitglieder verschiedener Religionen mitlaufen und sich für Gleichberechtigung in ihren Religionsgemeinschaften einsetzen. Ich habe in einem Blogeintrag bei Kreuz & Queer im Jahr 2016 beispielsweise über das „Heilige Boot“ bei der Pride Parade in Amsterdam berichtet. Dort zeigten sich Vertreter*innen und Gläubige verschiedener Religionsgemeinschaften auf einem Boot, um sich in interreligiöser Solidarität für die Gleichstellung von queeren Gläubigen einzusetzen.

Auch beim Euro-Pride in Wien gab es in diesem Jahr eine solche Initiative von Menschen verschiedener Religionsgemeinschaften, die offen sichtbar für ihre Themen auf die Straße gegangen sind. Die Initiative nennt sich „Religions for Equality“. Etwa 150 Menschen sollen nach eigenen Angaben unter diesem Motto beim Wiener EuroPride mitgegangen sein. Ich habe darüber mit Katharina Satlow, einer Teilnehmerin an dieser Initiative, darüber gesprochen.

Söderblom: Können Sie kurz etwas zu sich sagen?

Satlow: Mein Name ist Katharina Satlow. Ich bin Mitglied der Platform LSM (Lesbische, schwule und bisexuelle haupt- und ehrenamtliche MitarbeiterInnen der Evangelischen Kirchen Österreichs). Vor Kurzem bin ich in die Gleichstellungskommission der Synode gewählt worden.

Söderblom: Wann war der Euro Pride in Wien und wie viele Leute waren da?

Satlow: Die Regenbogenparade, so heißt die Pride Parade in Wien, fand am Samstag 15.6.2019 statt. Dieses Jahr war zudem die Euro Pride in Wien. Bei der Regenbogenparade nahmen 107 angemeldete Gruppen und  - laut Veranstalterin - 460.000 bis 500.000 Menschen teil. Das war beides ein Rekord.

Söderblom: Warum ist eine Pride Parade auch 50 Jahre nach Stonewall noch wichtig?

Satlow: Ich empfinde große Dankbarkeit für den Mut, den Kampfgeist und das Durchhaltevermögen, durch die so viel in den 50 Jahren seit den Stonewall Aufständen erreicht wurde. Angesichts der nahezu völligen rechtlichen Gleichstellung, die wir mit dem Ehegesetz von 2019 erreicht haben, könnte man versucht sein, zu glauben, es sei schon alles erreicht. Aber das ist trügerisch.  In meiner Evangelischen Kirche, hat es noch dieses Jahr eine sehr emotional geführte Diskussion um die Öffnung der Trauung für gleichgeschlechtliche Paare gegeben. Diese endete mit einem - für mich schmerzhaften - Kompromiss in der Synode. Also, auch wenn wir schon weit gekommen sind, es liegt auch noch ein Weg vor uns.

Söderblom: Warum sind Sie mitgelaufen?

Satlow: Ich war das erste Mal nicht nur als Zuschauerin sondern als Teilnehmerin mit einer Gruppe bei der Parade. Wir waren eine interreligiöse Initiative "Religions for Equality". Es war ein sehr beeindruckendes Erlebnis für mich. Die Reaktionen der Menschen, als da plötzlich eine Gruppe kommt mit T-Shirts wie "Another Jew/Christian/Buddhist/Pastor/Rabbi for LGBTIQ* for Equality" und Schildern auf denen auf Deutsch, Englisch und Hebräisch stand "Liebe deine*n Nächste*n wie dich selbst" kam, waren so positiv, so ermutigend und ein deutliches Zeichen, dass es solch eine Gruppe bei einer Pride Parade dringend gebraucht hat.

Söderblom: Was war das Ziel der Initiative von „Religions for Equality“?

Satlow: Die Botschaft von "Religions for Equality" war gemeinsam ein starkes Zeichen der Akzeptanz und des Respekts gegenüber LGBTIQ*-(Lesbian, Gay, Bisexual, Trans*, Inter*, Queer) Personen zu setzen. Wir wollen das Zusammenleben von Menschen verschiedener sexueller Orientierungen, Geschlechtsidentitäten und Religionen fördern, Menschen für Diskriminierung sensibilisieren, sowie Vorurteile und Intoleranz in unseren Gemeinschaften und der Gesellschaft abbauen. Menschen, die nicht dem heteronormativen Bild entsprechen, werden vielfach von Religionen enttäuscht, gedemütigt und verletzt. Wir waren uns daher nicht so sicher, wie unsere Teilnahme bei den vielen Menschen am Straßenrand ankommen würde. Wir freuen uns sehr, dass unsere Botschaft anscheinend verstanden wurde. Wir bekamen durchwegs positive, teilweise sogar begeisterte Rückmeldungen. 

Söderblom: Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach die Religionen beim Thema sexuelle Minderheiten und Geschlechtsidentitäten?

Satlow: Ich glaube, dass zwischen LGBTIQ* und den Religionen viel Verletzung passiert. "Pray away the gay" ist tatsächlich immer noch nicht Vergangenheit. Das ist für viele LGBTIQ* Menschen nicht aushaltbar und sie wenden sich ab. Ändern kann sich das nur dadurch, dass wir nicht mehr leise sind, sondern unseren Glauben praktizieren und uns nicht mehr vertreiben lassen. Dadurch sind wir ungemütlich, erzeugen Ärger und manche fühlen sich aufgerufen den "wahren Glauben" gegen uns zu verteidigen.

Söderblom: Welche Rolle sollten die Religionen Ihrer Meinung nach haben?

Satlow: Menschen, die feststellen, dass sie anders empfinden als die große Mehrheit, sind besonders verletzlich. Gerade hier wünsche ich mir Unterstützung und Begleitung. Gerade wenn man in unterschiedlichen Positionen in einer Kirche, einer Religion miteinander auskommen muss, wünsche ich mir einen respektvollen Umgang miteinander, auch wenn es beiden Seiten schwer fällt. Niemand soll dem anderen den eigenen Glauben aufzwingen wollen und dürfen.

Söderblom: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Satlow: Ich wünsche mir, dass wir mit unserer Initiative "Religions for Equality" dieses positive Feedback von der Regenbogenparade weiter tragen können. Es wäre super, wenn sich auf anderen Pride Paraden ähnliche Initiativen formieren. Wir von der Wiener Organisationsgruppe stellen gerne unsere Erfahrungen zur Verfügung.

Söderblom: Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute!


Zum Weiterlesen:

Eva C. Schweitzer, Stolz, stark, schwul, in: Die Zeit, No. 26 (19. Juni 2019), S. 17.

Katharina Payk, Kirche und Co, auf dem Pride, in: evangelisch.de (12.06.2019)

Martina Schomaker, Initiative „Religions for Equality“ auf der Regenbogenparade, in: Evangelische Kirche, Diözese Wien (17. Juni 2019)

Kerstin Söderblom, Ein Zeichen setzen, in: evangelisch.de (11.07.2018)

Kerstin Söderblom, Das Heilige Boot, in: evangelisch.de (31.08.2016)