Ich spreche lieber von homosexuell begabten Menschen, als von Homosexuellen, Lesben oder Schwulen. Auch wenn mir dies noch nicht immer konsequent gelingt, versuche ich doch, diese Wortwahl immer öfter anzuwenden, insbesondere hier im kreuz&queer Blog. In einigen Kommentaren zu meinen Artikeln, konnte ich lesen, dass dieses eher ungewöhnliche Vokabular nicht nur in säkularen Kontexten auf Befremden stößt. Daher widme ich mich in diesem Blogbeitrag der Frage, warum Sexualität eine Gabe Gottes ist und weshalb ich lieber von begabten Menschen als von Lesben oder Schwulen rede.
Um am Diskurs über die Gleichwertigkeit der Sexualitäten teilzunehmen, bin ich auf Sprache angewiesen. Komplexe Kommunikation ohne Sprache ist uns als Menschen nicht möglich. Daher stehe ich immer wieder vor der Aufgabe zu entscheiden, wie ich von den Dingen oder von den Personen spreche (bzw. schreibe), über die beziehungsweise mit denen ich reden will. Mein Unbehagen gegenüber Subjektbezeichnungen, die Menschen in ihrer Identität auf deren Sexualität reduzieren, habe ich hier bereits vor dreieinhalb Jahren ausführlich dargelegt. Es gibt nicht den Schwulen oder die Lesbe, deren ganzes Wesen durch die sexuellen Präferenzen bestimmt wird. Es lassen sich folglich auch nicht alle, auf die diese Bezeichnung zutrifft, zu einer homogenen Gruppe, die der Homosexuellen, vereinen. Das ist eine entindividualisierende Sprache, die die einzelne Person in ihrer geschöpflichen Besonderheit negiert. Eine Sprache, die weniger auf Menschenrechte verweist, als dass sie vielmehr falsche und gefährliche Narrative suggeriert, wie: Wir (Homosexuellen) gegen die (Heterosexuellen). Kurzum: Eine Sprache, die der Emanzipation zuwiderläuft.
Mir ist es wichtig, in meiner Sprache das Zentrum des Konfliktes offenzulegen, um den meine Gedanken kreisen. Im Fall der Diskriminierung und Gewalt gegen Personen, deren Sexualität nicht dem Standard der heteronormativen Ideologie entspricht, will ich deutlich machen, dass es hierbei um Menschen geht. Keine anonyme Masse. Nein, Menschen. Menschen mit einer unveräußerlichen Würde. Unveräußerlich, weil gottgegeben. Ich schreibe über den Konflikt, dass Menschen versucht wird diese Würde, aufgrund eines Attributes, der sexuellen Präferenzen, abzusprechen. Und eben darum rede ich von homosexuell begabten Menschen.
Theologisch nehme ich mit dieser Formulierung Bezug auf Luthers Rechtfertigungslehre, die im Kern besagt, dass der Mensch sich seine Würde nicht verdienen muss, sondern, dass er diese hat, weil Gott ihn sein lässt. Gott schenkt dem Menschen das Dasein aus reiner Güte. Es ist die Grundüberzeugung des protestantischen Glaubens, dass die Liebe Gottes das schafft, was sie liebt. Damit unterscheidet sie sich fundamental von der menschlichen Liebe. Der Mensch beginnt erst dann zu lieben, wenn er etwas als liebenswert empfindet. Die Liebe Gottes verhält sich anders, sie begründet was liebenswert ist. Anders als es unserer Liebe entspricht, liebt Gott dich nicht, weil du schön bist, nein, seine Logik ist eine andere: Gott liebt dich, darum bist du schön. Er hat dich als sein geliebtes Kind ins Dasein gerufen, konstitutionell ausgestattet mit dem Geschenk unveräußerlicher Würde. Diese Würde erstreckt sich auf den gesamten Menschen in all seinen Facetten. Auch die Sexualität ist darin eingeschlossen. Sie ist eine gute Gabe Gottes, deshalb bedarf sie keiner weiteren Rechtfertigung. Diese Konsequenz haben freilich Generationen von Theolog_innen nicht gezogen. Lange haben Verantwortliche in der Kirche etwa Homosexualität, Masturbation oder außerehelichen Geschlechtsverkehr geradezu verteufelt. Das entspricht jedoch nicht dem Kern dessen, was uns das Evangelium - und dadurch motiviert, die reformatorische Botschaft - sagt. Gott hat seine Freunde an der Sexualität an sich und hat sie uns daher zu unserer Freude geschenkt. Darin allein ist ihre Würde begründet. Eine weitere Legitimation, etwa durch den Verweis auf Fortpflanzung, ist nicht notwendig. Selbstverständlich ist es schön, wenn durch Geschlechtsverkehr Kinder hervorgehen, aber es ist keine Bedingung, damit er vor Gott gerechtfertigt ist. Die Homosexualität ist ein gutes Beispiel dafür, sie ist etwas Schönes an sich. Genauso wie es heterosexueller Sex ist, auch dann, wenn ihn Menschen erleben, die nicht (mehr) zeugungsfähig sind. Die Sexualitätsfeindlichkeit, die in vielen christlichen Kirchen bis heute gepredigt wird, verstellt den Blick auf ein wunderbares Geschenk. Wir sind daher aufgerufen, jene Lehren, die falsche Scham, Schuldgefühle und Verfolgung hervorgebracht haben, entschieden zurückzuweisen, denn all das negiert das Werk unseres Schöpfers.
Darum rede und schreibe ich von homosexuell begabten Menschen. Ich mache damit deutlich, dass die Homosexualität eine Gabe ist. Und dass es Unrecht ist, Menschen aufgrund dieser wunderbaren Gabe zu diskriminieren, etwa indem ihnen verwehrt bleiben soll, den Segen für ihre Ehen in einer kirchlichen Trauung zugesprochen zu bekommen, die vollen Elternrechte für ihre Kinder zu erhalten oder indem sie gar kriminalisiert werden. Wer solches tut, der handelt eben nicht gegen irgendeine vermeintliche Gruppe, die Gruppe der Homosexuellen, der handelt gegen seine Geschwister, gegen unzählige geliebte, begabte, würdige Kinder Gottes. Dieses Unrecht will ich in meiner Sprache benennen und daraufhin wirken, dass es abgestellt wird. Gott helfe mir und uns dabei.