Heißes Eisen in Österreich: Trauung für alle
Friedlicher Protest während der Synode, der die Mitglieder auffordert, die Trauung auch für homosexuelle Paare zu öffnen.
Bild: Marie-Kristin Unverricht
Friedlicher Protest während der Synode, der die Mitglieder auffordert, die Trauung auch für homosexuelle Paare zu öffnen.
Die lutherisch-evangelische Kirche in Österreich diskutiert nach 20 Jahren wieder die Öffnung der Trauung für gleichgeschlechtliche Paare. Katharina Payk hat einen kritischen Blick auf den Beschluss der Synode und seine möglichen Folgen geworfen.

„Synode A.B. geht in Richtung Trauung für alle“ verlautbart die Evangelische Kirche Augsburger Bekenntnis (A.B.) Österreich nach der Synode, die am 7. Dezember in Wien stattfand, auf ihrer Webseite. Da hüpft das Herz der Gleichbehandlung: Endlich wird das heiße Eisen Segnung/Trauung gleichgeschlechtlicher Partner_innenschaften in der evangelisch-lutherischen Kirche angegriffen – geschmiedet werden soll es nun allerdings von den 194 Gemeinden selbst, denn das „Kirchenparlament“ hat keine konkrete Entscheidung getroffen.

„Wir machen uns auf den Weg, die kirchliche Trauung für homosexuelle Paare einzuführen“, sagte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker in einer ersten Reaktion auf den Beschluss. Die einzelnen Gemeinden haben nun bis März Zeit, dazu Stellung zu nehmen, „das entspricht einem typisch evangelischen Weg“, erklärt Bünker. Erfreulich: 54 von 63 Synodenmitglieder stimmten für den Antrag.

Ausgangspunkt ist, dass es nach wie vor in der Evangelischen Kirche A.B. keine Segnung/Trauung für Homosexuelle als offiziellen Kirchenakt im öffentlichen Gottesdienst gibt, lediglich im Kontext der Seelsorge ist eine Segnung gleichgeschlechtlicher Partner_innenschaften möglich. Ab 1. Jänner 2019 können gleichgeschlechtliche Paare in Österreich standesamtlich heiraten. Dieser Umstand zwingt die Evangelische Kirche nun, das zuletzt 1999 synodal diskutierte und dann unter den Teppich gekehrte Thema der „Trauung für alle“ wieder anzugehen.

Vetorecht

Die Synode beschloss, nun die Gemeinden einzubeziehen: Statt einer Verordnung von „oben“ sollen die Gemeinden mit entscheiden können, ob und in welchem Fall ein gleichgeschlechtliches Paar seine Beziehung unter Gottes Segen kirchenamtlich und spirituell verbindlich machen darf. Bis zur nächsten Synode im März sollen sich die Gemeinden zu der Frage positionieren, ob und wenn ja in welchem Modus die einzelnen Gemeinden die Trauung eines gleichgeschlechtlichen Paares ablehnen können. Es wird etwa diskutiert, ob eine „opt-in“-Variante sinnvoll sein könnte: Der Trauung homosexueller Paare muss ein positiver Beschluss der Gemeindevertretung vorausgehen. Die andere Möglichkeit ist ein „opt-out“-Verfahren, in dem die jeweilige Gemeinde die Möglichkeit der Trauung homosexueller Paare für sich ausschließen kann.

Kontroverse

Das Thema Homosexualität und Trauung ist in der evangelisch-lutherischen Kirche Österreichs seit Jahren kontrovers. Immer wieder wurde die Befürchtung einer Spaltung laut, weshalb wohl die sonst eher fortschrittliche Kirche, die längst kein Problem mehr hat, lesbische, bisexuelle und schwule Pfarrer_innen in ihren Gemeinden einzusetzen und sich gemeinhin für marginalisierte Menschen stark macht, das Thema Trauung/Segnung homosexueller Paare jahrelang vermieden hat. Und zwar zum Ärgernis und Ausschluss derer, die es wirklich betrifft: lesbische, schwule und bisexuelle Menschen – und zwar geoutet und nicht geoutet - in der Mitte der evangelischen Kirche. Denn sie gestalten und erhalten die Evangelische Kirche A.B. –, die in Österreich nicht einmal vier Prozent ausmacht und damit selbst als Minderheit gilt –, als Gemeindemitglieder, Pfarrer_innen, Mitglieder in Gremien, Menschen in Führungspositionen usw.

Eine Gruppe, bestehend aus Studierenden der Evangelischen Theologie, kirchlich engagierten Menschen sowie Bewohner_innen des evangelischen Wilhelm-Dantine-Hauses, organisierte sich daher, um bei der Synode mit einer friedlichen Protestaktion ihre Forderungen an die tagende Synode auf selbstgebastelten Demo-Schildern kundzutun. Mit scharfen Slogans wie „Just do it“ oder „Reformation bewegt, bewegt euch mit“ (siehe Foto) positionierten sie sich klar für die Öffnung der Trauung für homosexuelle Menschen.

Stefan Haider, Evangelischer Theologe (Bth), ist Teil dieser Gruppe und erklärt im Interview mit „kreuz und queer“, dass es nach einer bereits über zwanzig Jahre dauernden Debatte, nun endlich Zeit sei, homosexuellen Paaren den öffentlichen Segen ihrer Beziehung und Liebe zu ermöglichen. „Darüber hinaus wollten wir uns solidarisch zeigen und uns klar gegen Diskriminierung jeglicher Art aussprechen, sowohl im Vorfeld der Synode als auch im kirchlichen Alltag“, so Stefan Haider.

Die Protestgruppe befand außerdem, dass es widersprüchlich sei, dass homo- und bisexuelle Menschen zwar bereits den Segen zur Amtseinführung als Pfarrer_innen bekommen, ihn aber nicht an gleichgeschlechtliche Paare öffentlich weitergeben oder spenden dürften.

Spätzünderin

In der Tat hinkt die lutherisch-evangelische Kirche Österreichs hinterher. Die reformierte evangelische Kirche (Helvetisches Bekenntnis, H.B.) in Österreich führte bereits 1999 die öffentliche Segnung für gleichgeschlechtliche Partner_innenschaften ein, und in Deutschland sind es nur noch zwei von zwanzig Landeskirchen, in denen gleichgeschlechtlichen Paaren die öffentliche Trauung/Segnung verwehrt wird. In allen anderen Landeskirchen gibt es die Trauung für „alle“ oder eine Segnung für homosexuelle Partner_innenschaften, die der Trauung gleichgestellt ist. 2016 hatte die erste Kirche, nämlich die Badische Landeskirche, die reguläre Trauung auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. Dies bedeutet konkret: Der Trauakt, der ja eine Segnung ist, findet im öffentlichen Gottesdienst statt und wird ins Kirchenbuch eingetragen – und das Ganze wird Trauung und nicht nur Segnung genannt. Auch die Liturgie ist für alle zu trauenden Paare gleich.  

Beweis

In der Empfehlung des theologischen Ausschusses der Synode A.B. in Österreich, die an die 194 Gemeinden gerichtet ist, heißt es, man wolle auch gleichgeschlechtliche Partner_innenschaften würdigen, „sofern sie auf lebenslange Treue, gegenseitige Fürsorge und Beistand ausgerichtet sind“. Es drängt sich die Frage auf: Ist das nicht immer so (gedacht), wenn Menschen einander heiraten? Ist das nicht sowieso das Eheversprechen, das bereits eine standesamtliche Hochzeit mit sich bringt?

Es legt sich also der Verdacht nahe, homo- und bisexuelle Partnerschaften müssten erst ihren Treue- und Beständigkeitsfaktor unter Beweis stellen. Und: Was denken die Mitglieder der Synode über queere Menschen? Dass sie eher untreu sind und sich in Partnerschaften nicht umeinander kümmern? Statt dem klitzekleinen, aber tonangebenden Wort „sofern“ hätte man etwa klar formulieren können, dass man eheliche Partner_innenschaften – egal welcher Orientierungen –, die auf Treue, Fürsorge und Beistand beruhen, würdigen und segnen möchte.

Eine wahre Gleichbehandlung wird es jedenfalls nicht sein, wenn die Liebe zwischen zwei Menschen gleichen Geschlechts weiterhin von einzelnen Pfarrer_innen und Gemeindevertretungen als der kirchlichen Trauung nicht würdig herabgestuft werden darf.

Für Eingetragene Partner_innenschaften, die es bisher nur für gleichgeschlechtliche Paare gab und in Österreich ab 2019 auch Heteros offen steht, empfiehlt der theologische Ausschuss der Synode, die Trauung nicht zu ermöglichen. Das Institut sei nicht so verbindlich wie die Ehe und daher nicht „auf der gleichen Ebene“. Auch diese Aussage hinterlässt einen schalen Beigeschmack, wurde doch genau diese Sonderform gleichgeschlechtlichen Paaren jahrelang als einzige Möglichkeit, ihre Beziehung rechtlich verbindlich zu machen, angeboten. Entschieden wird aber auch darüber erst im März.

Angesichts der kontroversiellen Haltungen zum Thema und der Angst des Mitgliederverlustes ist es verständlich, dass es zu einem diplomatischen Hinauszögern und dem Beschluss, die Gemeinden als Basis zu beteiligen, kam. Gleichzeitig muss man auch fragen dürfen, woran es eigentlich hängt. Ist das Schriftverständnis so vieler lutherisch-evangelischer Christ_innen in Österreich wirklich so rigoristisch – oder ist es doch klassische Homofeindlichkeit, die sich dahinter verbirgt? Und: Hätte man die vergangenen zwanzig Jahre nicht nutzen können, als Kirche Aufklärungs- und Inklusionsarbeit zu leisten – sowohl theologisch als auch zwischenmenschlich und menschenrechtlich? Wie die einzelnen Gemeinden sich positionieren werden, bleibt offen. Wer als lesbisches, bisexuelles oder schwules Paar in Österreich im neuen Jahr standesamtlich heiratet, kann erst einmal nicht kirchlich getraut werden. Aufschieben ist wienerisch. Aber lange wird es hoffentlich nicht mehr gehen. Jetzt passiert endlich etwas, der Stein ist ins Rollen gebracht.

Auch Stefan Haider ist zuversichtlich: „Dass die Entscheidung auf März verschoben wurde, ist ärgerlich, denn wieder gibt es keine klare Positionierung. Aber wir sehen darin auch die Chance, dass jetzt die Gemeinden etwas Positives daraus machen. Wir hoffen nun also, typisch für die Evangelische Kirche, auf eine starke Kraft von ‚unten’, die Gemeinden, um die Trauung für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen.“

***

Weiterführende Links/Literatur:

Bekanntmachung der Evangelischen Kirche A.B. Österreich: https://evang.at/synode-a-b-geht-in-richtung-trauung-fuer-alle/

Die Redaktion von evangelisch.de aktualisiert hier stets den Stand bezüglich Trauung aller Landeskirchen der EKD.

Katharina Payk: Trauung und Segnung homosexueller Partner_innenschaften. Interventionen in alte und neue Diskurse. In: Bernhard Kirchmeier (Hg.): Empfehlenswert und praktisch!: Perspektiven junger Theologinnen und Theologen auf die Lebensdienlichkeit christlicher Religionskultur, EVA 2015.