Happy Birthday Ehe für alle!
Ehe für alle
epd-bild / Jörn Neumann
Seit 1. Oktober 2017 ist die "Ehe für alle" in Kraft. Gedanken zum ersten Geburtstag von Wolfgang Schürger.

Freunde von mir haben vor zwei Wochen, wie sie sagen, „zum zweiten Mal geheiratet“. Ich war zunächst halbwegs verwirrt, hatte ich doch selbst vor einigen Jahren das Fest zu ihrer Verpartnerung gestaltet. Das war ein Hochzeitsfest – wieso also jetzt ein zweites Mal?

Doch ja, natürlich: Eine Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln ist ein formaler Rechtsakt, der (erneut) vor dem Standesamt begangen werden muss. Und, so habe ich inzwischen gelernt, Standesbeamtinnen und –beamte verwenden auch in diesem Fall große Sorgfalt darauf, dass dies in einem würdigen Rahmen geschieht. Warum also nicht auch ein zweites Mal feiern? Übertreiben wollten es meine Freunde dann allerdings doch nicht – und luden daher vor allem die Menschen ein, die beim ersten Fest nicht dabei sein konnten.

Zur Erinnerung: Im Juni 2017 überraschte die Bundeskanzlerin weite Teile der deutschen Gesellschaft und des Parlaments mit der Aussage, dass sie bereit wäre, für eine Abstimmung über die „Ehe für alle“ den Fraktionszwang aufzuheben. Da ein entsprechender Gesetzesentwurf des Bundesrates bereits seit November 2015 vorlag, verabschiedete der Bundestag am 30. Juni 2017 nach einer bewegenden und viel beachteten Debatte das Gesetz zur „Ehe für alle“.

Dieses Gesetz trat zum 1. Oktober 2017 in Kraft, viele Standesämter öffneten an diesem Sonntag extra für lesbische und schwule Paare ihre Türen. Mit zwei Tagen Verspätung nun also: Happy Birthday Ehe für alle!

Die rechtlichen Unterschiede der Ehe für alle gegenüber der „alten“ Lebenspartnerschaft sind minimal, da das Bundesverfassungsgericht in den Jahren vor 2017 bereits sukzessive die Gleichstellung der beiden Rechtsinstitute durchgesetzt hatte. Die Symbolwirkung ist trotzdem enorm.

Die evangelischen Kirchen sind durch die Ehe für alle unter Zugzwang gekommen. Martin Luther betonte, dass die Ehe „ein weltlich Ding“ sei. In den protestantischen Kirchen der Reformationszeit wurde die Eheschließung daher durch einen weltlichen Repräsentanten vor der Kirchentür geschlossen – eine Neuerung gegenüber der Gewohnheit der damaligen Zeit, dass die kirchliche Trauung zugleich weltlich-rechtliche Konsequenzen hatte. Für Martin Luther ist also streng genommen jede Trauung ein „Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung“: eine Segnungshandlung, die auf den weltlichen Rechtsakt folgt.

Wenn nun der Staat den Rechtsakt „Ehe“ auf gleichgeschlechtliche Paare ausweitet, können dann die Kirchen einfach sagen „Wir segnen aber nur heterosexuelle Ehen.“? Konservative Kreise befürworten solch ein restriktives Vorgehen mit dem Argument, dass nicht gesegnet werden könne, was per se sündhaft ist. Hier werden immer und immer wieder die alten Biologismen wiederholt, die wissenschaftlich längst nicht mehr haltbar sind – wenn nämlich Paulus von „wider die Natur“ spricht, dann ist dies Einschätzung bei ihm hochgradig kulturell bedingt, wie seine Aussagen zu widernatürlichen Haarmoden deutlich zeigen (1.Kor 11,13-15).

Der Rat der EKD hat sich im vergangenen Jahr bereits zwei Tage vor der Abstimmung im Bundestag befürwortend in die Diskussion eingeschaltet:

„Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sind Vertrauen, Verlässlichkeit und die Übernahme von Verantwortung in der Gestaltung menschlicher Beziehungen von zentraler Bedeutung. Aus Sicht der EKD bietet die Ehe dafür beste Voraussetzungen und ist deshalb ein Zukunftsmodell. Sie bildet den rechtlichen Rahmen für ein Zusammenleben von zwei Menschen, das auf lebenslanger Treue beruht. Dass auch für gleichgeschlechtlich liebende Menschen, die den Wunsch nach einer lebenslang verbindlichen Partnerschaft haben, der rechtliche Raum vollständig geöffnet wird, in dem Vertrauen, Verlässlichkeit und Verantwortung durch gesetzliche Regelungen geschützt und unterstützt werden, begrüßt die EKD. Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau wird dadurch keineswegs geschmälert. Im Gegenteil – sie wird noch einmal unterstrichen.“

(https://www.ekd.de/Stellungnahme-des-Rates-der-EKD-zur-Debatte-um-die-Ehe-fuer-alle-24373.htm)

Die meisten Gliedkirchen der EKD haben inzwischen auf die neue Rechtslage reagiert. Manche, wie die Evangelische Kirche von Berlin, Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz oder die Badische Kirche haben ihrerseits nun beschlossen, auch die Traugottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Andere, zum Beispiel die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern oder die Nordkirche, differenzieren weiter zwischen Trauung von heterosexuellen Ehepaaren und Segnung von gleichgeschlechtlichen Ehepaaren, betonen aber, dass es sich im Sinne Martin Luthers in beiden Fällen um Segnungsgottesdienste anlässlich einer Eheschließung handelt – und tragen beide Paare in gleicher Weise in die Kirchenbücher ein. Eine gute Übersicht über den aktuellen Stand bietet die Ökumenische Arbeitsgruppe „Homosexuelle und Kirche“ auf ihrer Webseite. Ein Jahr nach der „Ehe für alle“ wird auch die „Trauung für alle“ an immer mehr Orten Wirklichkeit- ein schönes Geschenk zum ersten Geburtstag!