Der August geht zu Ende - und damit für die meisten in Deutschland auch die Urlaubszeit. Ich war dieses Jahr wieder eine Woche in den Alpen unterwegs: Bergtour mit meinem Partner. Von Hütte zu Hütte, meist über 2000 Meter Meereshöhe.
Als queeres Paar ist man auf den Bergen fast noch ein Exot, und das, obwohl es inzwischen genügend queere Sportvereine gibt, die auch Outdoor-Aktivitäten in den Bergen anbieten. Queeres Lebensgefühl - und Bergtour, schließt sich das womöglich aus? Wir haben uns das in dieser Woche auf jeden Fall gefragt, und ich möchte euch an unseren Überlegungen teilhaben lassen, weil sich für mich mit einer Woche in den Bergen immer auch spirituelle Erfahrungen verbinden.
Auch wenn der Komfort auf vielen Berghütten in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist - eine Woche Bergtour bedeutet, sich von vornherein auf das Wesentliche zu beschränken: Was muss ich einpacken, um für Überraschungen des Wetters gerüstet zu sein, auf was kann ich gut verzichten? Jedes halbe Kilo im Rucksack zählt, schließlich muss ich alles eine Woche mit mir herum tragen. Kein Vergleich also dazu, wie Freunde von mir für ihre nächste Kreuzfahrt planen - da ist das Prinzip wohl eher, kein Kleidungsstück mehrfach an zu haben. Da uns Queers ja immer wieder nachgesagt wird, konsumfreudig und trendsetting zu sein, mag also schon die Reisevorbereitung für eine Bergtour nicht unbedingt zum queeren Lebensgefühl zu passen.
Nightlife hat auf dem Berg natürlich auch seine ganz spezifischen Dimensionen: Abendessen gibt's maximal bis 20 Uhr, ab 22 Uhr ist Hüttenruhe. Wer nach dem Abendessen noch mal vor die Tür geht, wird dafür aber vielleicht mit einem sagenhaften Sternenhimmel belohnt - oder mit einem Vollmond, der die Bergwelt in seinen hellen Schein taucht. Früher hat in der Hütte oft mal noch jemand zur Gitarre oder zum Akkordeon gegriffen, aber diese Zeiten sind zunehmend vorbei.
Der Tagesablauf selbst ist natürlich im Wesentlichen vom Berg selbst bestimmt - und vom Wetter: die beste Planung nutzt nichts, wenn das Wetter nicht mitspielt! Doch wenn ich mich auf den Berg und das Wetter einlasse, dann kann auch ein "schlechter" Tag voller schöner Erlebnisse sein: Nach einer Nacht mit Neuschnee hatten wir einen wunderschönen, aber völlig ungeplanten Tag.
Sich auf das Wesentliche und Unmittelbare konzentrieren, das lernt man während einer Woche Bergtour. Mein Partner hat das so ausgedrückt: "Auf dem Berg kann ich mich ganz auf mich konzentrieren und die vielen Gedanken sortieren, die durch meinen Kopf schwirren." Auch ich habe seit Jahren den Eindruck, dass ich auf dem Berg viel schneller zur Ruhe komme als bei anderen Formen des Urlaubs.
Von Franz von Assisi wird erzählt, dass er sich in schwierigen Zeiten immer in die bergigen Regionen Umbriens zurückgezogen habe. Tage und Nächte soll er dann in einer engen Felsspalte verbracht haben, um Gott nahe zu sein und seine Gedanken zu ordnen. - Ich habe mich noch nie so lange in einer Felsspalte aufgehalten, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sich da diese Konzentration auf das Wesentliche, von der ich gerade geschrieben habe, noch einmal intensiviert: Um mich herum nichts als Fels, der Jahrtausende überdauert hat - und über mir nichts als Himmel oder das Sternenmeer...
Eine Woche Bergtour, eine Woche Konzentration auf das Wesentliche - ich brauche diese "reinigende" Erfahrung Jahr für Jahr!