Katakomben unterm Regenbogen
Regenbogen-Fächer
Foto: Dr. Kerstin Söderblom
Die Jahresversammlung des Europäischen Forums christicher LSBT-Gruppen war eine wunderbare europäische und ökumenische Veranstaltung im Zeichen des Regenbogens.
Etwa 150 christliche Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle (LSBT) sind über Himmelfahrt in Albano Laziale zur Jahresversammlung des Europäischen Forums christlicher LSBT Gruppen zusammengekommen. Es war eine wunderbare europäische und ökumenische Veranstaltung im Zeichen des Regenbogens.

Albano Laziale liegt etwa 30 Kilometer südlich von Rom. Es ist ein ruhiger und friedlicher Ort, an dem vor allem religiöse Bildungsveranstaltungen stattfinden. Perfekt für die Jahresversammlung des Europäischen Forums christlicher LSBT-Gruppen. Es gab interessante Vorträge zur Situation italienischer LSBT im christlichen und gesamtgesellschaftlichen Kontext. Dazu kamen Workshops, Andachten, Gottesdienste, Plenumsdiskussionen und eine zeitgleich abgehaltene Jugendkonferenz. Die Teilnehmenden der Jugendkonferenz haben die Ergebnisse ihrer Workshops und ihrer gemeinsamen Arbeit zur Situation junger LSBT in Europa im Rahmen einer öffentlichen Vortragsveranstaltung an der Theologischen Fakultät der Waldenser in Rom vorgestellt. 

Vor dem Besuch der Theologischen Fakultät haben die Teilnehmenden des Europäischen Forums die Katakomben von San Sebastian vor den Toren Roms besucht. Sie sind metertief in die Erde abgestiegen und haben die Katakomben erkundet. Damals nach Jesu Tod waren christliche Gemeinschaften kleine Minderheiten am Rande der Gesellschaft. Sie wurden verlacht, verfolgt, zum Teil sogar getötet. Daher durften sie ihre Toten nur vor den Toren Roms begraben. Dort beteten sie auch und feierten ihre Gottesdienste. Denn dort fühlten sie sich sicher und unter ihresgleichen respektiert. 

Der Besuch der Katakombe erinnert an die ersten Christinnen und Christen im Römischen Reich. Bevor das Christentum im 4. Jahrhundert nach Christus Staatsreligion wurde, waren die Gläubigen selbst eine Minderheit. Sie wurden aufgrund ihres Glaubens verlacht, ausgegrenzt und verfolgt. Heute sind die Katakomben ein Vermächtnis für aktuelle Minderheiten. Sie sind in Stein gehauene Erinnerungen an versteckte und sichere Orte, die es in den ersten Jahrhunderten nach Christus trotz Verfolgung und Gewalt gab. Die Katakomben zeigen: Es gab damals sichere Orte für verfolgte Gläubige, und es gibt sie auch heute noch für sexuelle und andere Minderheiten. Zu solchen sicheren Orten gehören seit seiner Gründung 1982 in Paris die Treffen des Europäischen Forums. Sie finden seitdem regelmäßig einmal im Jahr in einer anderen europäischen Stadt statt und verbinden inhaltliche Diskussionen, Workshops, Mentoringsarbeit mit osteuropäischen christlichen Gruppen, Gottesdienste und andere geistliche Angebote unter dem Regenbogen. 

Alle verfolgten Gruppen, damals wie heute, kennen Verzweiflung und Hoffnung, Angst und Zivilcourage und den unbändigen Willen, für Respekt und inklusive Gemeinden einzutreten. Als einzelne und als Gemeinschaft leben sie oftmals wie die ersten christlichen Gläubigen am Rand der Gesellschaft. Genau dort, wo auch Jesus Christus gelebt hat. Er hat gesellschaftliche Macht und Normen transzendiert und Ausgegrenzte vom Rand in die Mitte der Gesellschaft geholt.

Christliche LSBT tragen ihre Narben und ihre Verletzungen genauso wie ihre Stärken und Hoffnungen mit sich. Sie sind überzeugt, dass Gott stärker und solidarischer ist als Hass, Ausgrenzung und Gewalt. Sie sind überzeugt, dass sie von Gott beschützt werden, auch wenn sie verzweifelt sind, gefährdet oder allein. Dafür brauchen sie sichere Orte, so wie die Katakomben damals sichere Orte waren.

Das Europäische Forum bringt christliche LSBT aus allen Ecken Europas zusammen. Sie kommen aus über 40 europäischen Mitgliedsgruppen aus mehr als 25 Ländern aus Süd und Nord, Ost und West. Es gibt einen ehrenamtlichen Vorstand von sechs Personen und drei bezahlten Mitarbeitenden. Sie sind für Öffentlichkeitsarbeit, Fundraising und den Haushalt zuständig. In den Jahresversammlungen, Mentoringprojekten und den verschiedenen Arbeitsgruppen des Europäischen Forums (Römisch-Katholische Arbeitsgruppe, Arbeitsgruppe zum Ökumenischen Rat der Kirchen, Christlich-Orthodoxe Arbeitsgruppe, etc.) hat es immer sichere Orte für alle gegeben. Erst waren sie sehr klein und versteckt wie in den Katakomben von Rom. Mittlerweile sind sie offener und sichtbarer geworden. So wie beim öffentlichen Regenbogengottesdienst, der im Rahmen des Europäischen Forums in der protestantischen Waldenserkirche mitten im Zentrum von Rom gefeiert wurde.

Die Mitglieder des Europäischen Forums erzählen ihre Geschichten und Erlebnisse. Sie bieten Workshops und Trainingsprojekte an, und sie erheben ihre Stimmen zu den Themen, die sie betreffen. Europaweit und darüber hinaus setzen sie sich für Gerechtigkeit und Respekt für (sexuelle) Minderheiten in Kirchen und christlichen Gemeinschaften ein. Und sie wissen: Gottes Liebe wird ihr Leben und ihre Liebe weiter begleiten und stärken, unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe, sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität.

Dank an Hilde Rastaad (Norwegen/USA) für ihre Inspiration!