Seit 6. März steht es nun fest: Bayern klagt doch nicht gegen die Ehe für alle. Nach dem Beschluss der Ehe für alle kurz vor der Sommerpause 2017 waren sich Verfassungsrechtler uneins, ob für solch eine Änderung des Eheverständnisses eine Änderung des Grundgesetzes nötig gewesen wäre. Der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hatte daher eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Aussicht gestellt. Zwei Rechtsgutachten hätten nun aber ergeben, dass die Klageaussichten äußerst gering seinen, der Bundestag habe seine Kompetenzen mit dem "einfachen" Beschluss nicht überschritten, teilten Staatskanzleichef Marcel Huber und Justizminister Winfried Bausback nach der Sitzung des Kabinetts mit.
Politisch ist die Ehe für alle nun also "durch". Folgt damit nun aber auch die "Trauung für alle"? Die beiden großen Kirchen haben nach dem Beschluss der Ehe für alle sehr schnell deutlich gemacht, dass mit so einem Automatismus nicht zu rechnen ist. Sie berufen sich dabei auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, wie es in Art. 140 des Grundgesetzes garantiert ist.
Gleichwohl sind beide Kirchen nach dem Beschluss der Ehe für alle in eine gewisse Begründungsnot geraten. Mit Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht könnten die Kirchen nämlich auch Trauungen ohne Rücksicht auf staatliche Eheschließungen vornehmen. De facto aber haben sich beide Kirchen an den vorangegangenen hoheitlichen Akt im Standesamt gebunden.
Wenn nun ein- und dasselbe Rechtsinstitut für gleich- wie gegengeschlechtliche Paare zur Anwendung kommt, ist es auch mit dem Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nur schwer zu begründen, warum nur bestimmte Paare, die dieses Rechtsinstitut eingegangen sind, in den Genuss einer gottesdienstlichen Segnungshandlung kommen können.
Der Rat der EKD hatte entsprechend bereits am 28. Juni 2017, also zwei Tage vor der Abstimmung im Bundestag erklärt:
"Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sind Vertrauen, Verlässlichkeit und die Übernahme von Verantwortung in der Gestaltung menschlicher Beziehungen von zentraler Bedeutung. Aus Sicht der EKD bietet die Ehe dafür beste Voraussetzungen und ist deshalb ein Zukunftsmodell. Sie bildet den rechtlichen Rahmen für ein Zusammenleben von zwei Menschen, das auf lebenslanger Treue beruht. Dass auch für gleichgeschlechtlich liebende Menschen, die den Wunsch nach einer lebenslang verbindlichen Partnerschaft haben, der rechtliche Raum vollständig geöffnet wird, in dem Vertrauen, Verlässlichkeit und Verantwortung durch gesetzliche Regelungen geschützt und unterstützt werden, begrüßt die EKD. Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau wird dadurch keineswegs geschmälert. Im Gegenteil – sie wird noch einmal unterstrichen.“ Dennoch tun sich die verschiedenen Gliedkirchen der EKD zum Teil mit einer Trauung für alle schwer:
Die Württembergische Kirche hat am 29.11.2017 entschieden, dass weder Trauung noch Segnung gleichgeschlechtlicher Paare möglich sind. Schon im Sommer 2013 hatte dagegen die Evangelische Kirche in Hesen und Nassau (EKHN) beschlossen, dass Trauung heterosexueller Ehepaare und Segnung von (damals noch) eingetragenen Partnerschaften liturgisch gleichzustellen seien. Die Lebensordnung der EKHN findet dafür den neuen verbindenden Begriff des "Gottesdienstes anlässlich eines vor dem Standesamt eingegangenen Lebensbündnisses".
In vielen Landeskirchen, auch in meiner eigenen, der bayerischen Landeskirche, ist diese Diskussion noch nicht abgeschlossen. Vieles spricht dafür, dass die meisten Kirchen sich für eine Trauung für alle öffnen werden. In dem meisten Fällen wird es dabei aber auch einen Gewissensschutz geben: Pfarrerinnen und Pfarrer, die aufgrund ihres Bibel- oder Eheverständnisses gleichgeschlechtliche Partnerschaften ablehnen, sollen eine Trauung gleichgeschlechtlicher Paare ablehnen können. Sie müssen dann allerdings Kolleginnen oder Kollegen benennen, die eine Trauung vornehmen.
Über diesen Gewissensschutz ist in den letzten Monaten in vielen Gliedkirchen der EKD intensiv diskutiert worden. Ich kann damit durchaus leben: Ich respektiere, dass es in einer Volkskirche unterschiedliche Frömmigkeitsstile gibt und dass Menschen die Bibel unterschiedlich interpretieren. Letztlich war dies schon seit der jungen Christenheit so: Paulus streitet sich mit Jakobus und anderen heftig darum, ob Männer sich zunächst beschneiden lassen müssen, ehe sie getauft werden - oder ob dieser Schritt für Menschen aus dem außerjüdischen Kulturkreis unterbleiben könne. Apg 15 und Gal 2 zeigen, dass sich die Kontrahenten schon damals darauf geeinigt haben, dass sie unterschiedliche, aber jeweils durchaus legitime Interpretationen des Evangeliums haben.
In den Diskussionen um die Stellung von Queers in unseren Kirchen seit den 1990er Jahren des letzten Jahrhunderts bin ich vielen Menschen begegnet, die zunächst sehr befremdet von uns waren. Viele haben sich dann aber intensiv mit ihrer eigenen Frömmigkeit und Ethik beschäftigt, manche sind mir in verschiedenen kirchenpolitischen Zusammenhängen zu wichtigen Weggenossinnen und -genossen geworden. Nicht alle sind auf diesem Weg so weit gegangen, dass sie nun eine Trauung für alle gutheißen würden, aber viele von ihnen anerkennen, dass auch wir Queers in der Nachfolge Jesu leben wollen. Ich finde das beachtlich, ich merke, dass hier ein hoher gegenseitiger Respekt gewachsen ist - und in diesem Respekt voreinander kann ich gut mit einem Gewissensschutz leben!
Weblinks:
Erklärung des Rates der EKD vom 28.6.2017: https://www.ekd.de/Stellungnahme-des-Rates-der-EKD-zur-Debatte-um-die-Ehe-fuer-alle-24373.htm
SWR-Bericht zum Beschluss der Württembergischen Synode: https://www.swr.de/swraktuell/bw/homo-segnung-abgelehnt/-/id=1622/did=20713716/nid=1622/fyign5/index.html
Die neue Lebensordnung der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau: http://intern.ekhn.de/fileadmin/content/ekhn.de/download/presse/NeueLebensordnung_2013.pdf