Seit elf Jahren haben sich Mitglieder verschiedener christlicher Regenbogennetzwerke um die Gründung eines gemeinsamen Vereins bemüht. Rechtsform, Satzung, Geschäftsordnung, Leitbild, all diese Punkte waren zunächst unklar und umstritten. Es war ein langer und mühsamer Weg zu einem tragbaren Konsens. Nun ist es endlich geschafft. Mit Sekt und großer Feier wurde am ersten Oktoberwochenende in Bielefeld der Verein "Regenbogenforum e.V. - Christliche LSBTTIQ in Deutschland" gegründet.
Der Vernetzungskongress christlicher Regenbogennetzwerke und Gruppen stand dieses Jahr unter dem Titel „Mach dich auf und werde...“ (Jesaja 60,1). Auf dem Weg zum Forum christlicher Regenbogengruppen in Deutschland. Folgende Netzwerke und Gruppen waren auf dem Kongress in Bielefeld anwesend: AG Schwule Theologie, Maria und Martha Netzwerk (MuM), Homosexuelle und Kirche (HuK), Lesben und Kirche (LuK), Queerubim, Netzwerk katholische Lesben (NkaL), Lesbisch-Schwule Gottesdienstgruppen (LSGG), Labrystheia, ein Netzwerk lesbischer Theologinnen und theologisch interessierter Lesben.
Der letzte Vernetzungskongress fand 2014 ebenfalls in Bielefeld statt. Damals wurden mehrere Teilnehmende damit beauftragt, einen Entwurf für eine Satzung und ein Leitbild für einen gemeinsamen Verein zu erabeiten. Sarah-Luise Weßler war eine von ihnen. Sie ist Religionslehrerin am Grundschulverbund Espelkamp. Außerdem ist sie seit 2009 Mitglied im ökumenischen Netzwerk Labrystheia und seit drei Jahren im Vorbereitungsteam der Lesbentagungen der Ev. Akademie Bad Boll. Sie hat die Entwicklung des Regenbogenforums intensiv mit erlebt und ist stolz auf das nun erzielte Ergebnis:
„Für mich bedeutet die Gründung des Regenbogenforums, dass wir, die wir schon lange als theologisch denkende, kirchenpolitisch handelnde und strategisch reflektierende Menschen zusammen agieren, endlich Institutionen, Kirche und politischen Instanzen auf Augenhöhe begegnen können. Hiermit erlangen wir die Möglichkeit, unsere Anliegen zur Gleichstellung von christlichen LSBTTIQ Lebensweisen und queerer Theologie einzubringen und unsere Ideen und Wünsche für neue Liturgien zu äußern. Meine Vision ist es, dass wir als Regenbogenforum auch für all jene sichtbar werden, denen selbst noch Kraft und Stimme fehlen, um sich in ihrem Lebensumfeld zu outen. Ich hoffe, dass durch unsere Arbeit und Erfolge Ängste und Sorgen vor Repressionen unnötig werden. Außerdem wünsche ich mir für unsere LSBTTIQ Schwestern und Brüder in unseren zentral- und osteuropäischen Nachbarländern, in denen es noch weit mehr Handlungsbedarf in Hinblick auf die Gleichstellung von LSBTTIQ Lebensweisen gibt, dass sie unserer Möglichkeit bald folgen können.“
Christian Herz ist katholischer Diplomtheologe und seit 1993 Mitglied in der Werkstatt Schwule Theologie. Auch er hat die Vernetzungsarbeit christlicher Regenbogengruppen seit langem begleitet. Seine Meinung zum neu gegründeten Verein Regenbogenforum e.V.:
„Die Gründung des Regenbogenforums ist für mich ein Meilenstein in meiner schwul-katholischen Biographie, indem sie mein Engagement für die Gleichstellung in den größeren Kontext der LSBTTIQ-Emanzipation ideell und strukturell einbindet. Ich wünsche mir, dass die Kirchen uns als bunt-charismatische Bereicherung in der Verkündigung der Botschaft Jesu verstehen und wir mit Christinnen und Christen jeglicher (geschlechtlicher und sexueller) Identität selbstverständlich an ihrem Sendungsauftrag mitwirken.“
Die Gründung des Vereins Regenbogenforum e.V. ist kirchenpolitisch bedeutsam. Denn ein gemeinsames Auftreten gegenüber kirchlichen Synoden und Leitungsgremien ist viel kraftvoller und klarer als es verschiedene Einzelstimmen bisher sein konnten. Konzeptionelle und inhaltliche Bemühungen zu einer solchen Vereinsgründung hat es bereits seit vielen Jahren gegeben. Ein Vernetzungskongress der verschiedenen christlichen LSBTTIQ Netzwerke und Gruppen wurde erstmals im Jahr 2005 in Bielefeld durchgeführt. Allerdings lagen damals Vorstellungen und Ziele der Netzwerke noch weit auseinander. Schließlich hatten die meisten Gruppen und Netzwerke bereits seit den achtziger Jahren eine je eigene Gründungs- und Entwicklungsgeschichte mit Antidiskriminierungsarbeit in den Kirchen hinter sich. Die Gruppen haben im Laufe der Jahre eigene Profile, Rituale und Ziele erarbeitet und sich in unterschiedlicher Weise an der kirchlichen und zivilrechtlichen Gleichstellungsarbeit beteiligt.
Zwischen den Netzwerken zeigten sich von Beginn an Differenzen hinsichtlich ihrer Einstellung gegenüber Geschlechtsidentitäten, Konfessionen, (befreiungs-)theologischer Ansätze, (feministischer) Gesellschaftsanalyse und kirchenpolitischer Strategien. Insofern war an eine schnelle Gründung eines gemeinsamen Vereins damals noch nicht zu denken. Eine öffentlich einheitlich wahrnehmbare Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsarbeit in den Kirchen wurde dadurch allerdings erschwert. Das soll mit der Gründung des Vereins nun anders werden.
Dazu noch einmal Sarah-Luise Weßler:
„Mit der Gründung des Regenbogen Forums e.V. wird die Perspektive verändert. Wir wollen nicht mehr nur Reagierende sondern Agierende sein. Wir werden nicht mehr länger nur Basisarbeit machen, sondern wir wollen auf der Ebene der Gesetze mitsprechen und mitbestimmen.“
Andere Stimmen von Teilnehmenden des Kongresses zur Gründung des Vereins Regenbogenforum e.V.:
Beate Ißmer, Leipig:
„Es ist ein Ziel, auf das ich zehn Jahre mit hingearbeitet habe. Es bedeutet, dass wir endlich mit einer gemeinsamen Stimme sprechen können. Ich verbinde damit den Wunsch, dass wir in der Kirche und gesellschaftlichen Öffentlichkeit wahrgenommen werden, nicht als Problem sondern mit dem Segen, den wir einzubringen haben.“
Elisabeth A., Köln:
"Ich bin froh darüber, dass sich das Regenbogenforum nach so vielen Jahren der Vorarbeit gegründet hat. Ich bin eine von denen, die an dem Leitbild, der Satzung und der Geschäftsordnung mitgearbeitet hat und freue mich, dass diese Arbeit jetzt Früchte trägt. Ich bin froh, dass wir als Regenbogenforum e.V. jetzt in der Öffentlichkeit mit einer Stimme reden können und so ansprechbar sind für Kirche und Politik. Meine Vision ist es, dass wir dazu beitragen können, dass auch katholische Lesben in der katholischen Kirche endlich keine Außenseiterinnen mehr sind. Dass unsere queere Lebensrealität als völlig normal anerkannt wird und ein Coming Out keine Schlagzeilen mehr verursacht.“
Paul Raschka, Dresden:
„Mein Blick in die Zukunft ist mit der Hoffnung verbunden, dass auch ein besonderes Augenmerk auf die christlichen Trans*Menschen fällt. Das liegt mir sehr am Herzen. Fairer Umgang, gendergerechte Sprache und kein Fremd-Outing sind mir außerdem wichtig. Die Gründung des Regenbogenfoum e.V. zeigt mir, dass wir durch Sichtbarkeit und Öffentlichkeitsarbeit stärker werden, weil die Vernetzung, die schon lange läuft, jetzt endlich Rechtsstatus hat.“
Anna, 55:
„Ich freue mich, dass die Vereinsgründung gelungen ist. Das war ein langer Weg. Dabei sind wir, die verschiedenen Gruppen aus dem LSBTTIQ Bereich, immer mehr zusammen gewachsen. Ich halte es für bemerkenswert, welche Konsensbildung wir miteinander erreicht haben. Dadurch können wir gemeinsam stark auftreten. Mit der Vereinsgründung haben wir ein neues Level erreicht. Wir sind nun anders aufgestellt: mit einem bundesweiten Dachverband, professioneller organisiert und für eine breite Basis sprechend. Ich wünsche mir, dass das Regenbogenforum in den Kirchen und darüber hinaus gesehen, gehört, respektiert und geschätzt wird. Und dass wir mit unserer bunten Vilfalt noch intensiver und selbstverständlich kirchliches Leben bereichern.“
In den ersten Vorstand des Vereins Regenbogenforum e.V. wurden vier Personen gewählt. Es sind: Juliane Kuske, Dr. Anette Delbrück, Paul Raschka und Manuela Sabozin-Oberem. Zum Abschluss des Kongresses unterstrichen sie ihre Einschätzung zur Gründung des Vereins mit einem Zitat aus dem 1. Buch Mose 1, 31: "Und Gott sah alles, was Gott gemacht hatte. Sieh hin, es ist sehr gut.“