In diesen Tagen feiert der Science-Fiction-Epos Star Trek seinen 50. Geburtstag. Aus meiner Sicht durchaus ein Anlass zur Gratulation, denn die Geschichten aus dem 22., 23. und 24. Jahrhundert vermitteln eine wundervolle Vision, die einer positiven Zukunft. Auch wenn es in den mittlerweile fünf Serien (sechs, die Zeichentrickserie mitgezählt) und dreizehn Kinofilmen alles andere als konfliktfrei zugeht, liegt der Erzählung doch der unerschütterliche Glaube daran zugrunde, dass es eines Tages möglich sein wird, über Länder- beziehungsweise sogar über Planetengrenzen hinweg zwischen den unterschiedlichen Ethnien und Kulturen friedlich zusammenzuleben. So schrieb die erste Serie 1968 Geschichte, als sie in der Zeit der Rassentrennungsgesetze in den USA den ersten Filmkuss der Fernsehgeschichte zwischen einem hellhäutigen Mann (William Shatner als Captain James T. Kirk) und einer dunkelhäutigen Frau (Nichelle Nichols als Lieutenant Nyota Uhura) zeigte. Auch wenn Star Trek explizit keinen Bezug darauf nimmt, kann ich doch dort immer auch ein Stück der christlichen Botschaft von Frieden und Versöhnung erkennen.
Mich haben die verschiedenen Serien dieses Epos besonders als Jugendlicher sehr angesprochen. Vielleicht lag das mit daran, weil ich fest glaubte, als homosexueller Mann auf einem Raumschiff der Sternenflotte so akzeptiert zu werden wie ich bin und dass mich die Vereinte Föderation der Planeten sicherlich genau so entschieden gegen anti-homosexuelle Mächte verteidigen würde, wie sie auch Rassismus oder Armut bekämpft. Eine letzte Gewissheit darüber hatte ich freilich nicht, denn – und das empfinde ich heute als großes Manko von Star Trek – in all den hunderten von Episoden tauchte kein einziges Mal ein homosexueller Charakter auf, Homosexualität wurde nicht einmal erwähnt. Als ich älter wurde ließ meine Begeisterung für die Serien auch aus diesem Grund nach. Eine Zukunft, in der es keine Homo- und Bisexuellen, sowie transgeschlechtlichen oder queeren Lebewesen geben sollte? Nein, der Gedanke bereitete und bereitet mir bis heute Unbehagen. Im neuesten Kinofilm Star Trek Beyond, der seit gestern auch in den deutschen Kinos läuft, ist nun zum ersten Mal ein schwuler Charakter zu sehen. In einer kurzen Sequenz von gerade einmal drei Sekunden wird dargestellt, wie Lieutenant Hikaru Sulu (dargestellt von John Cho), einer der Hauptfiguren des ersten Raumschiffes Enterprise, zusammen mit seinem Ehemann eine Tochter erzieht. Selbstverständlich lässt sich hier die Frage stellen, warum es fünfzig Jahre gedauert hat, bis gleichgeschlechtliche Liebe ihren Platz im Star Trek Universum gefunden hat. Doch eine Analyse dieser Frage soll heute nicht mein Thema sein. Vielmehr stelle ich fest, dass diese Entwicklung positiv ist und der unbedingten Ausweitung bedarf - und dies längst nicht nur bei Star Trek.
In den Geschichten, die uns das Fernsehen, das Kino, Romane, Bilder oder Theaterstücke erzählen, sehen und erleben wir uns wieder. Diese Geschichten sind gewissermaßen Spiegel. Spiegel, die uns anregen über uns nachzudenken, die uns helfen uns unserer selbst zu vergewissern, die auch Trost und Halt schenken können oder uns durch Vorbilder zu persönlichen Veränderungen inspirieren und nicht zuletzt Mut machen können. Wer hat sich nicht schon einmal im Liebeskummer in einer Romanfigur sowohl wiedererkannt als auch gleichzeitig verstanden gefühlt? Wer hat nicht besonders in Kinder- und Jugendtagen davon geträumt, so werden zu wollen wie eine der Heldinnen aus dem Fernsehen? Und wen hat es nicht schon einmal ermutigt, zu erleben wie ein fiktionaler Charakter eine Lebensaufgabe meistert, die noch vor uns liegt?
Weil Geschichten, egal welches Medium sie nun erzählt, für den Menschen diese wichtigen Funktionen leisten, ist es so bedeutend, dass auch homo- und bisexuelle, sowie transgeschlechtliche oder queere Charaktere darin vorkommen, nicht nur, aber besonders auch für junge Menschen. Gleichstellungsgegner_innen argumentieren gegen dieses Anliegen häufig, Kinder und Jugendliche würden dadurch verführt, nicht heterosexuell oder nicht cis geschlechtlich zu werden („,Cis‘ (diesseits) bezeichnet, dass eine Person in Übereinstimmung mit ihrem zugewiesenen Geschlecht lebt“). Ein Schuh wird allerdings andersherum daraus. Der Nachwuchs hat seine Geschlechtlichkeit und Sexualität bereits vom Schöpfer mitgegeben bekommen und deshalb ist es wichtig, dass nicht heterosexuelle oder nicht cis geschlechtliche fiktionale Charaktere auf symbolische Weise vermitteln: "Du bist weder allein mit Deiner Art zu lieben, zu begehren, Dein Geschlecht zu empfinden oder dies eben nicht zu tun, noch ist das etwas Falsches. Und Du kannst so wie Du eben bist, alles tun und alles erreichen was Dir bestimmt ist."
Die Sehnsucht, sich selbst im Spiegel von Geschichten betrachten zu können, ist bei Lesben, Schwulen, Bisexuellen, transgeschlechtlichen und queeren Menschen auf der ganzen Welt riesengroß. Gerade auch in den Ländern, in denen ihnen das Recht auf Sichtbarkeit durch Kriminalisierung und extremste Verfolgung genommen wird. Das lässt sich schon allein daran erkennen, mit welcher Leidenschaft Filme und Serien produziert und rezipiert werden, in denen nicht heterosexuelle oder nicht cis geschlechtliche Rollen die Hauptfiguren sind und auch daran für welches Aufsehen es innerhalb der diversen Communities sorgt, wenn solche Rollen in den Mainstreammedien, wie jetzt gerade bei Star Trek Beyond auftauchen. Da gibt es ganze Youtube Kanäle, überquellende Diskussionsforen, eigene Filmfestivals etc. . Es dürstet unzählige Menschen geradezu danach, ihre Existenzweise auf den Kinoleinwänden, Plasmabildschirmen und Bücherseiten dieser Welt wiederzufinden. Das was für Heterosexuelle und cis Geschlechtliche ganz selbstverständlich ist, muss auch für diejenigen, die nicht in diese Kategorien fallen obligatorisch werden. Nicht heterosexuelle oder nicht cis geschlechtliche Charaktere sollen zu etwas werden, das in den meisten Erzählungen dieser Erde nicht mehr wegzudenken ist und ganz zentral, gleichberechtigt, neben den heterosexuellen und cis geschlechtlichen Rollen agiert.
Die drei Sekunden im neuen Star Trek Film können nur der Beginn einer längst überfälligen Normalisierung der Darstellung pluraler Geschlechter und Sexualitäten sein. Im kommenden Jahr startet die sechste Star Trek Fernsehserie mit einer Vielzahl neuer Figuren und Geschichten. Ich wünsche den Macher_innen den Mut, in der Konzeption bezüglich Geschlechter und Sexualitäten endlich das zu vollziehen, worauf so viele schon so lange warten. Dann wird die neue Serie ein Terrain betreten, das noch keine Star Trek Serie zuvor betreten hat. In diesem Sinne gratuliere ich Star Trek herzlich zum Geburtstag, auf die nächsten 50 Jahre!