"Vielfalt verdient Respekt. Grenzenlos!", das war das Motto der Münchner Pride-Week, die am vergangenen Wochenende mit der CSD-Parade ihren Höhepunkt fand. Seit vielen Jahren zeichnet sich der Münchner CSD immer wieder dadurch aus, dass er politischer ist als manch andere Pride-Veranstaltung in der Republik in diesen Wochen. Die Münchner Community besteht aus einer Vielfalt von LGBTIQ*-Aktions- und Selbsthilfegruppen, sie alle tragen und prägen den CSD. 89 Gruppen nahmen in diesem Jahr an der Parade teil, natürlich waren auch Gastronomen und Partybetreiber darunter, doch auch die haben sich in den letzten Jahren zum Teil immer wieder deutlich politisch positioniert.
Orlando war allgegenwärtig, aber der Munich-Pride rief immer wieder auch die Menschenrechtslage von LGBTIQ*s in Osteuropa, Afrika oder den Ländern der arabischen Welt in Erinnerung: "Liebe zwischen Frauen wird in Ägypten als 'Unzucht' mit bis zu drei Jahren Haft bestraft." war zum Beispiel auf einer übergroßen Zigarettenschachtel der Marke "LGBTI" zu lesen. Eine queere Delegation aus der Partnerstadt Kiew gehört schon seit vielen Jahren zum festen Bestandteil der Parade.
Interessant allerdings, wer in diesem Jahr zum ersten Mal alles bei der Parade vertreten war: Der Wagen des "Lesbisch-schwulen Netzwerk in der Christlich-Sozialen Union" wurde von vielen auf dem Weg mit Verwunderung und sichtlicher Zurückhaltung begrüßt - zu tief sitzt im kollektiven Gedächtnis, wie ungeschickt die in Bayern staatstragende Partei in den letzten Jahrzehnten auf den Kampf um Gleichberechtigung von LGBTIQ*s reagiert hat.
Für mich überraschend war, dass auch das US-amerikanische Generalkonsulat mit einem eigenen Wagen vertreten war - und wie es die (momentan ja wieder einmal zutiefst zerrissenen) Vereinigten Staaten präsentierte: Homo-Ehe und Gleichberechtigung als die Werte, die unsere beiden Ländern verbinden! Manch eine*r mochte das für etwas dick aufgetragen halten, ich fand es ein starkes Zeichen der Solidarität - und eine (auch innen-)politische Positionierung, die ich einem Konsulat nicht zugetraut hätte.
Und dann war da, auch zum ersten Mal, die Evangelische Jugend, die mit einem großen Wagen mit auf dem Weg war: "Gottes Vielfalt verdient Respekt. Liebe ist grenzenlos" hatten die Jugendlichen durchaus mehrdeutig darauf geschrieben. Auch dieser Wagen wurde von vielen mit Verwunderung begrüßt - befindet sich München doch im katholischen Kernland, wo solche Botschaften von kirchlicher Seite eher ungewohnt sind. Die Verwunderung war in diesem Fall meist positiv: "Was, so offen ist die evangelische Kirche!? Das ist ja toll!" Wer sich seinen Nachbarn gegenüber als Mitglied (oder gar Mitarbeiter) der Evangelischen Kirche "outete", war die nächsten Minuten gleich mittendrin in Gesprächen über Leben als schwuler Christ, Partnerschaftssegungen und anderes mehr. Wer sich weiter gehend informieren wollte, konnte dies auf der "Verbände-Meile" am Stand der Kircheneintrittsstelle tun, die an diesem Tag mit lesbischen Pfarrerinnen und schwulen Pfarrern besetzt war.
Klar, die notorischen Kirchenkritiker gab es auch: "Kirche ist immer diskriminierend", musste man sich da dann anhören - und plötzlich fühlte man sich mal wieder als Minderheit in der Minderheit diskriminiert. "Vielfalt verdient Respekt", das beginne aber bereits bei einem "respektvollen Miteinander in unserer eigenen Szene", hatte Rosa-Liste-Stadtrat Thomas Niederbühl in seinem Grußwort zum Auftakt der Pride-Parade betont. Und es ist gut so, dies immer wieder zu betonen. Nicht nur, weil manchmal wir als queere Christ*innen auf Ablehnung in der Szene stoßen, sondern weil viele Gruppierungen in unserer Community dazu tendieren, ihre eigenen, engen Grenzen aufzubauen: Entweder du entsprichst einem bestimmten Ideal oder du gehörst zu uns nicht dazu.
Für uns in München sind Events wie der CSD, der von der ganzen Breite der Community getragen und vorbereitet wird, hervorragende Gelegenheiten, diese Grenzen zu durchbrechen und Vielfalt und Verschiedenheit zu leben. Wie schön, dass die Evangelische Jugend dies vorgelebt hat - vielleicht war sie ja von dem Lied von Eugen Eckert und Winfried Heurich inspiriert, das mir zu dem Thema nicht mehr aus dem Kopf geht: "Meine engen Grenzen... wandle du in Weite, Herr, erbarme dich!"