"Nach diesem Tag müssen wir uns wohl fragen, ob die starre Geschlechterquotierung in unserer Satzung noch zeitgemäß ist.", so kommentierte die Grundsatzreferentin der Evangelischen Jugend ein internes Hearing zu der Vielfalt der Lebensformen am letzten Samstag. Ich selber war dort eigentlich "nur" als theologischer Fachreferent zum Verhältnis von Trauung und Partnerschaftssegnung eingeladen gewesen. Doch schon bei meiner Ankunft am Mittag war mir schnell klar geworden, wie tief die Mitglieder der Landesjugendkammer von den Lebenszeugnissen des Vormittags bewegt waren: Zwei Mitglieder von Diversity München hatten eindrucksvoll ihren langen Weg in die Transidentität nachgezeichnet und dargestellt, vor welchen Problemen und Herausforderungen transidente Menschen auch heute noch stehen.
Verwunderung und Überraschung hatte es nach dem Vormittag auf beiden Seiten gegeben: Bei den Mitgliedern der Landesjugendkammer, weil sich viele von ihnen offenbar nicht hatten vorstellen können, welche Kämpfe um die eigene Geschlechtsidentität Menschen durchstehen müssen - und umso beeindruckter waren von dem Mann und der Frau, die da nun vor ihnen standen. Bei den beiden Diversity-Menschen, weil sie beide in der römisch-katholischen Kirche sozialisiert waren und sich im Vorfeld nicht hatten vorstellen können, so offen und unvoreingenommen aufgenommen zu werden. "Wir waren durchaus ziemlich aufgeregt vor dieser Veranstaltung, Kirche war für uns einfach ein Un-Ort.", meinten sie.
Die Evangelische Jugend hat das Thema "Lebensformen" in dieser Breite aufgegriffen, weil sie wahrnimmt, dass in ihren Mitgliedsgruppen Jugendliche in ganz verschiedene Richtungen ihrer (sexuellen) Identität suchen. Sie wisse von mindestens zwei Aktiven, sagte die Grundsatzreferentin, die auf dem Weg in die Transidentität seien.
Dass Transidentität und kirchliche Mitarbeit sich nicht ausschließen, steht in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern seit gut drei Jahren fest: Im April 2013 outete sich in Neufahrn in Niederbayern Andreas Dorothea Zwölfer als transidentische Pfarrer*in. Sowohl die Kirchengemeinde als auch die Ehefrau des Pfarrers und die Kirchenleitung begleiteten und unterstützten daraufhin die Transition von Dorothea. Heute weisen sie die meisten ihrer Dokumente bereits als Frau aus.
Diese Vornamensänderung in amtlichen Dokumenten "besiegelt" nicht nur die Transition, sie soll gemäß dem Transsexuellengesetz von 1980 auch sicherstellen, dass die transidentische Person Herr oder Frau über ihre eigene Geschichte ist: Paragraph 5 des Gesetzes enthält nämlich ein "Offenbarungsverbot" - amtliche Stellen dürfen den vormaligen, andersgeschlechtlichen Vornamen nur in wenigen, begründeten Ausnahmefällen preis geben.
Doch was ist, wenn Trans*Menschen zum Beispiel ein Patenamt übernehmen wollen? Die beiden Diversity-Vertreter berichten, dass zumindest römisch-katholische Pfarrämter sich regelmäßig weigern, eine Taufbescheinigung für die eigene Taufe auf den geänderten Vornamen auszustellen. Auch in den evangelischen Landeskirchen ist die Diskussion noch lange nicht abgeschlossen, ob zum Beispiel auch die Einträge in den Kirchenbüchern (dort sind Taufe, aber auch kirchliche Trauung eingetragen) im Falle einer Transition so geändert werden, dass dem Offenbarungsverbot Genüge getan ist.
Und wie geht schließlich die queere Community mit Trans*Menschen um? Ich hatte mich bei dem Hearing als Sprecher des lesbisch-schwulen Konventes vorgestellt. Auf die Rückfrage freilich, ob da dann auch Transsexuelle dazugehören, musste ich erst einmal ausweichend antworten: Wir definieren uns als Interessenvertretung der in Verkündigung und Lehre tätigen gleichgeschlechtlich l(i)ebenden Menschen - wenn ein Transmann einen Mann liebt oder eine Transfrau eine Frau, dann würde ich persönlich sagen, dass sie zum Konvent dazu gehören. Aber diskutiert haben wir das bis heute noch nicht... Und die transidentische Referentin von Diversity erzählte, dass sie in manchen Lesben-Netzwerken nicht willkommen sei. Uns als Minderheiten gegenseitig diskriminieren - das können wir leider noch immer.