Montag, 2. Mai: Zusammen mit dem zuständigen Fachreferenten im Landeskirchenamt bin ich in die Pfarrkonferenz eines unserer Dekanatsbezirke (Kirchenkreise) eingeladen. Die Kolleginnen und Kollegen wollen über Möglichkeiten und Grenzen von Partnerschaftssegnungen mit uns diskutieren.
Wie jeden Morgen lese ich den Abschnitt aus der Ökumenischen Bibellese. "Überhaupt geht die Rede, dass Unzucht unter euch ist..." beginnen die Worte des Paulus aus dem 1. Korintherbrief im fünften Kapitel. "Na, das ist ja der ideale Abschnitt für den Start in einen Tag, an dem wir über Partnerschaftssegnungen diskutieren!", denke ich und fange innerlich schon an, mit Paulus zu streiten. Diskriminierung von Schwulen wurde in den Kirchen schließlich immer wieder mit solchen Stellen aus den Paulusbriefen begründet...
Ich lese weiter und stelle fest, dass der Apostel in Korinth aber offenbar doch einen sehr konkreten Fall vor Augen hat - der auch heute als eindeutige Verletzung eines Tabus betrachtet würde: die sexuelle Beziehung eines Sohnes mit der Frau seines Vaters! Ich ertappe mich bei dem Gedanken, wie das eigentlich ist, wenn die "Frau seines Vaters" nicht die leibliche Mutter ist - aber ja, es ist nachvollziehbar: verantwortlicher, liebevoller Umgang miteinander sieht anders aus.
Und darum, um verantwortliches und vor Gott und der Gemeinde verantwortetes Leben, scheint es dem Paulus immer wieder zu gehen - das ist für mich die Konsequenz aus den Verallgemeinerungen, die dann in den nächsten Versen kommen: "Ihr sollt nichts mit einem zu schaffen haben, der sich Bruder nennen lässt und ist ein Unzüchtiger oder ein Geiziger oder ein Götzendiener oder ein Lästerer oder ein Trunkenbold oder ein Räuber!" Gegen Geiz oder Lästerei haben konservative Kirchenmenschen in den letzten Jahrzehnten irgendwie nicht so gewettert wie gegen schwule Christen...
Bei der Pfarrkonferenz kommen wir natürlich auch auf die Widerstände zu sprechen, die es gegen Partnerschaftssegnungen in manchen Kreisen unserer Kirche gibt. Auch bei einer Kollegin wirkt offenbar die morgendliche Bibellese noch nach: "Wenn ich mir anschaue, was in meiner Gemeinde so los ist", so sagt sie, "dann regt es mich manchmal auf, dass die Konservativen die sexuelle Lebensform zum status confessionis machen, das ganze Geläster über andere im Ort und die Geldgier mancher in der Gemeinde für sei überhaupt kein Problem zu sein scheint!"
Der Pfarrkonvent ist übrigens in der überwiegenden Mehrheit der Überzeugung, dass gleichgeschlechtlich l(i)ebende Menschen zur christlichen Gemeinde dazu gehören und Partnerschaftssegnungen daher zum kirchlichen Alltag dazu gehören. Ja mehr noch: "Wir haben im Kirchenvorstand ausführlich diskutiert", erzählt eine Kollegin, "und am Ende nicht mehr über Homosexualität diskutiert, sondern über unseren Umgang mit unserer eigenen Sexualität und was es heute bedeutet, Sexualität verantwortlich zu leben. Das hat uns allen gut getan - eigentlich müssen wir Ihnen, den Lesben und Schwulen in der Kirche, dankbar sein, dass Sie uns so wichtige Impulse geben!"
Vermutlich hätte sich Paulus genau so eine Diskussion in Korinth gewünscht...
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