Adoption ja, Ehe nein!?
Foto: Elvert Barnes, Quelle: https://www.flickr.com/photos/perspective/7171528431/in/album-72157630103000372/ (Wiki Commons)
Österreich hat letztes Jahr mit der Gesetzesänderung im Adoptionsrecht überrascht. Seit Jahresbeginn dürfen homosexuelle Paare gemeinsam Kinder adoptieren. Das Institut Ehe bleibt aber weiterhin geschlossen für homosexuelle Partnerschaften.

Seit Jahresbeginn dürfen homosexuelle Menschen in Österreich als Paar gemeinsam Kinder adoptieren. Dieser Entscheid wurde letztes Jahr im Jänner getroffen: Das Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare wurde als diskriminierend und überflüssig beurteilt und aufgehoben. Die meisten Länder der Welt – darunter auch Deutschland – erlauben gleichgeschlechtlichen Paaren keine Adoption.[1] Damit wird homosexuellen Menschen eine wichtige Möglichkeit, Elternschaft zu erleben, verwehrt – bei gleichzeitiger künstlicher Absonderung Homosexueller aufgrund von Kinderlosigkeit. Denn einerseits wird homosexuellen Paaren das Recht zu heiraten aufgrund von fadenscheinigen Argumenten, die die Zeugung betreffen, verwehrt, und andererseits erlaubt man ihnen nicht, qua Adoption Familie mit Kindern zu sein und zu leben. Andreas Kraß, Professor für Literaturwissenschaften und Queer-Theory-Experte, erklärt dazu: "[Es] fällt auf, dass einerseits die Ehe auf die Zeugung von Nachkommenschaft bezogen, zugleich aber entsexualisiert wird, während umgekehrt die gleichgeschlechtliche Partnerschaft sexualisiert und implizit als Verrat am Gesellschafts- und Generationenvertrag stigmatisiert wird (als wenn nicht auch sie familiäre, ökonomische und kulturelle Leistungen erbrächte). Die eklatanteste Aporie besteht aber darin, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften zwar die angeblich zwangsläufige Kinderlosigkeit angekreidet, zugleich aber das Adoptionsrecht verweigert wird: Einerseits sollen sie Kinder haben, andererseits dürfen sie es nicht."[2]

Länder, die homosexuellen Paaren das Adoptionsrecht nicht erlauben, argumentieren meist mit der Betonung auf das Kindeswohl. Neben der Tatsache, dass es sowohl (heterosexuelle) Alleinerziehende gibt, die ein gutes Beispiel dafür sind, dass es nicht unbedingt Mann und Frau als Eltern braucht, als auch heterosexuelle Paare, die ihren Kindern alles andere als guttun, werden nun immer mehr Studien publik, die zeigen, dass Kinder, die in Regenbogenfamilien aufwachsen oder aufgewachsen sind, genauso gut – oder schlecht – aufgehoben sind wie bei zwei verschiedengeschlechtlichen Elternteilen.[3] Zur Betonung auf den Umgang in der Familie – liebevoll, wertschätzend, unterstützend … – kommt, dass zu so manchen Regenbogenfamilien mehr als zwei Erziehende gehören. Und dass Kinder gar nicht genug liebevolle und unterstützende Bezugspersonen haben können, ist nichts Neues und wurde von Erziehungswissenschaft und Entwicklungspsychologie immer wieder bestätigt.

Nun hat Österreich eine merkwürdige Regelung: Schwulen und lesbischen Paaren ist die Adoption eines Kindes zwar erlaubt und auch die künstliche Befruchtung steht gleichgeschlechtlichen Paaren in Österreich offen, jedoch wird ihnen der Zugang zum Institut Ehe noch immer verwehrt. Zwar gibt es die Eingetragene Partnerschaft – und das übrigens erst seit 2010 und nicht im Standesamt geschlossen – aber am Verbot der Homo-Ehe scheint nicht zu rütteln zu sein. Dies bedeutet im Klartext, dass zwar homosexuellen Paaren die "gleichen Familiengründungungsrechte" zustehen wie heterosexuellen, aber die Ehe nicht.[4]

Diese weltweit einzigartige Konstellation ist in höchstem Maße widersprüchlich, ist doch spätestens jetzt das Argument der fehlenden Nachkommenschaft, das gegen die Einführung der Ehe für alle spreche, nicht mehr tragbar. Ganz zu schweigen davon, dass heterosexuelle Ehepaare ohne Kinder – gewollt oder nicht gewollt – dieses Argument immer schon ad absurdum geführt haben.

Kinder von Menschen in Eingetragenen Lebenspartnerschaften gelten zudem in Ländern, in denen es die Ehe für alle gibt, als uneheliche Kinder. Daher klagten in Österreich sowohl homosexuelle Eltern als auch deren Kinder gegen diese Diskriminierung. Vier Paare aus Wien und eines aus Oberösterreich sind bereits vor Gericht gescheitert. Was passiert, wenn die Klage(n) vor den Verfassungsgerichtshof kommen, bleibt nun abzuwarten.

Auf 32 Unterschiede zwischen Ehe und Eingetragener Partnerschaft weist der Artikel der österreichischen Tageszeitung Der Standard hin – einer der gravierendsten ist wohl das ständige Zwangsouting bei Angabe des Familienstandes "EP". So "gebe es in Österreich sieben Familienstände – neben ledig, verheiratet, verwitwet und geschieden auch in EP, nach aufgelöster EP und nach verstorbenem eingetragenem Partner".[5]

Dass man sich in Österreich nun beim letzten rechtlichen Schritt der Gleichstellung so schwer tut, war fast zu erwarten. Es scheint, als sei die Ehe die letzte Bastion der Sexual- und Beziehungsmoral des durch und durch katholischen Österreichs. Die romantisierte und gleichzeitig normierte Vorstellung von Familie, Ehe und Sexualität propagiert nach wie vor das Modell einer auf ewig währenden Frau-Mann-Kind(er)-Konstellation, in der Sexualität an Fortpflanzung und Liebe an Ewigkeit geknüpft sind. Der Mensch täte sich generell leichter, wenn er sich bewusst machte, dass es nicht von der sexuellen Orientierung abhängt, ob man Kinder will oder kriegen kann, wie oft und mit wem (noch) man welche Art von Sex haben will, wie lange eine Beziehung dauert oder wie gut man als Eltern funktioniert.

 

[1] Zu unterscheiden sind Stiefkindadoption, wo das Kind des/der Partner_in adoptiert wird, Sukzessivadoption, wo das adoptierte Kind der/des Partner_in adoptiert wird und "Voll"-Adoption, wo das Paar gemeinsam ein Kind adoptiert.

[2] Andreas Kraß (Hg.): Queer denken. Gegen die Ordnung der Sexualität (Queer Studies), Suhrkamp 2003, S. 9.

[3] "Gleichgeschlechtliche Eltern schaden Kindern nicht", Artikel vom 20.04.2016: http://derstandard.at/2000035301282/Gleichgeschlechtliche-Eltern-schaden-Kindern-nicht

[4] "Lesbisches Paar und Kind aus OÖ klagen gegen Eheverbot", Artikel vom 21.03.2016: http://derstandard.at/2000033302824/Lesbisches-Paar-und-Kind-aus-OOe-klagen-gegen-Eheverbot

[5] "Lesbisches Paar und Kind aus OÖ klagen gegen Eheverbot", Artikel vom 21.03.2016: http://derstandard.at/2000033302824/Lesbisches-Paar-und-Kind-aus-OOe-klagen-gegen-Eheverbot