Monika Barz ist seit 1993 als Professorin der Sozialen Arbeit im Bereich Frauen- und Geschlechterfragen an der EH in Ludwigsburg tätig. Die Vermittlung von Genderkompetenz in der Sozialen Arbeit war und ist ihr ein fachliches und politisches Anliegen. Daneben ist Monika Barz seit vielen Jahren in der autonomen Frauenbewegung aktiv. Sie ist Mitbegründerin des autonomen Frauenhauses in Tübingen und des Notrufs für vergewaltigte Frauen in Nienburg/Weser. Sie war von 1995 - 2013 Mitglied im Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. 2015 ist sie für ihre Arbeit im Vorstand mit der "Goldenen Ehrennadel" ausgezeichnet worden. In den Jahren 2014 - 2015 war sie im Paritätischen Wohlfahrtsverband auch Mitglied im Aufsichtsrat.
Monika Barz hat sich in verschiedenen Frauen- und Lesbenprojekten engagiert. Von 1985 bis 1997 war sie gemeinsam mit Dr. Herta Leistner und Ute Wild Leiterin der Lesbentagungen an der Ev. Akademie Bad Boll. Dort fanden die ersten Lesbentagungen im evangelisch kirchlichen Bereich statt. Die Lesbentagungen sind bis heute ein erfolgreicher Programmbestandteil der Ev. Akademie.
In Bad Boll habe ich Monika Barz 1987 kennen gelernt. Fasziniert hat mich von Anfang an ihre Leidenschaft und ihre Zivilcourage, sich für frauen- und lesbenspezifische Themen in Kirche und Gesellschaft einzusetzen und dafür auch Gesicht zu zeigen. Für evangelisch.de habe ich ihr anlässlich ihrer offiziellen Verabschiedung einige Fragen gestellt:
Söderblom: Am 20. April 2016 wirst du an der EH in Ludwigsburg mit einem Symposium feierlich verabschiedet. Was war ein berufliches Highlight für dich aus (lesbisch-)feministischer Sicht?
Barz: "Das Highlight war der Beginn. Das Highlight war, dass ich diese Professur im Jahr 1993 überhaupt bekommen habe. Ich hatte mich offen als lesbisch- feministische Wissenschaftlerin beworben in einer Evangelischen Fachhochschule ausgerechnet in der konservativen Württembergischen Landeskirche. Ich wurde von den Gremien der Hochschule auf Platz 1 gesetzt. Dieses Votum wurde vom Trägerverein und Oberkirchenrat ernst genommen. Die Bedenken, die es innerhalb dieser Gremien der Landeskirche gab wurden mir gegenüber offen angesprochen. Ich wurde u.a. zu einem Gespräch in den Oberkirchenrat gebeten. Dort bekam ich die Chance auf die ängstlichen Fragen, die in den Köpfen der Verantwortlichen vorherrschend waren, zu reagieren. So bestand beispielsweise eine Frage darin, ob ich womöglich nicht mit männlichen Studierenden umgehen könnte oder wollte, ob ich die Hochschule womöglich zu einem Mekka für lesbische Frauen verwandeln wollte….! Ich war damals dankbar für diese Offenheit im Gespräch mit mir. So konnte ich reagieren und hatte die Chance die Ängste gegenüber einer lesbisch- feministischen Wissenschaftlerin persönlich auszuräumen. Das war für mich ein Highlight an Offenheit und Transparenz. Ich bezweifle, dass sich derzeit in der Württembergischen Landeskirche dieses Highlight wiederholen lassen würde."
Söderblom: Was bedeuten die Lesbentagungen in Bad Boll für dich?
Barz: "Sie sind das zentrale Projekt in meiner Biographie. Dort kam für mich alles zusammen, was mir wichtig war: Politisches Handeln in aller Öffentlichkeit und gleichzeitiges Eintauchen in der Geborgenheit eines lesbisch-feministischen Kontinuums. Ich liebte die Zusammenarbeit mit Herta (Leistner). Wir ergänzten uns in einer Weise, die für mich einmalig war. Seit meinem Rückzug aus der Tagungsleitung im Jahr 1996 nehme ich mit Begeisterung wahr, wie Traditionen aufgegriffen, verändert und neue Impulse gesetzt werden. Ich bin schlichtweg unheimlich stolz, durch diese Tagungsarbeit die kirchliche Lesbenbewegung mit auf den Weg gebracht zu haben und Strukturen gelegt zu haben, die so erfolgreich weiterbestehen."
Söderblom: Welche Bedeutung haben die Lesbentagungen in Bad Boll deiner Meinung nach für die Gleichstellungspolitik in Kirche und Gesellschaft?
Barz: "Ich denke, sie haben eine riesige Bedeutung:
1. Auf der individuellen Ebene: Sie haben Frauen gestärkt, ihr Lesbischsein anzunehmen, sich in ihrem persönlichen Umfeld zu zeigen und nach und nach den Radius der privaten Sichtbarkeit zu vergrößern. Selbst wenn wir in der Öffentlichkeit stumm und unsichtbar geblieben wären, ist allein dieser Zuwachs an persönlicher Frauenfreiheit von hoher gleichstellungspolitischer Bedeutung.
2. Auf kirchlicher Ebene: Unsere mutige Sichtbarkeit hat eine Welle der Solidarität zwischen heterosexuell und lesbisch lebenden Frauen ausgelöst. Dies ist bis heute von großer politischer Bedeutung. Die kirchliche Frauenbewegung als Ganzes lebt und verkörpert diese Utopie von Akzeptanz menschlicher Vielfalt. Es ist wichtig, dies politisch noch viel mehr hervorzuheben. Schwule Männer in den Kirchen erleben diese Solidarität ihrer heterosexuellen Brüder bis heute kaum. Im Bereich der internationalen Ökumene ist noch viel zu tun, solange dort mehrheitlich nur Männer agieren. Die Hefe weiblichen Wissens um die schwesterliche Verbundenheit von heterosexuellen und lesbischen Frauen kann erst wirken, wenn mehr Frauen daran beteiligt sind. Da die brüderliche Solidarität zwischen schwulen und heterosexuellen Männern in unseren nationalen Zusammenhängen so schwach entwickelt ist, kann sie in der Ökumene auch nicht authentisch vorgelebt werden.
3. Auf gesellschaftlicher Ebene: Da gab und gibt es genügend andere politische Akteure und Akteurinnen, die gleichstellungspolitisch wichtige Akzente gesetzt haben. Ich glaube dort wird unser innerkirchlicher Befreiungsweg zwar wahrgenommen, aber er ist nicht der Motor für politische Aktionen. Die Reputation der Kirchen ist angesichts medialer Präsenz fundamentalistischer Strömungen nicht so gut, wie sie sein könnte."
Söderblom: Hast du ein persönliches Projekt oder Anliegen in Sachen Gleichstellung von LGBTTIQ (Lesben, Schwule, Bi-, Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle und queere Menschen)?
Barz: "Ich habe mich 2012 nach dem politischen Wechsel in Baden-Württemberg und den plötzlich offenen Türen mit viel Engagement in die Vernetzungsarbeit von LSBTTIQ geworfen. Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg hat mittlerweile circa 100 Organisationen und Gruppen als Mitglieder. Es ist in meinen Augen ein politisches Juwel geworden. Wir sind politisch erfolgreich und haben eine Struktur, die zentral vom Selbstvertretungsrecht eines jeden Buchstaben ausgeht und nach dem Konsensprinzip agiert."
Söderblom: Welche Rolle spielen die Kirchen deiner Ansicht nach in Sachen Gleichstellung von LGBTTIQ?
Barz: "Oh, je, welch eine Frage! Sie spielen derzeit eine denkbar schlechte Rolle, wenn ich die verfassten Kirchen anschaue. Ich vermisse ein klares Signal der an Menschenwürde orientierten christlichen, jüdischen und moslemischen Kirchen und Glaubensgemeinschaften. Sie könnten eine große, positive Rolle spielen und sich weltweit schützend vor alle LSBTTIQ Menschen stellen und auf dem Hintergrund ihres jeweiligen Glaubens für die Achtung eines jeden Menschen eintreten. Diese Chance haben sie bislang nicht ergriffen.
Söderblom: Ein Wunsch für die Zukunft?
Barz: "Dass Letzteres geschieht!"