Ma(h)l anders
Heute am Gründonnerstag feiern wir ein großes Mahl. Für viele Menschen hat die Tischgemeinschaft eine ganz besondere Bedeutung. Auch Jesus hat sich stets überlegt, wen er einlädt: Er speiste besonders gerne mit gemeinhin unbeliebten und ausgestoßenen Menschen.

Mein vierjähriger Neffe kam gestern nach Hause und berichtete von der unglaublichen Geschichte, die der Pfarrer im Kindergarten erzählt hatte: "Der Jesus hat alle Menschen zum Essen eingeladen. Es gab zwar noch keine Restaurants damals, aber es hatten trotzdem alle Platz und haben gegessen."

In einer Zeit, in der wir Nahrung im Überfluss haben und dennoch die ungerechte Verteilung dazu führt, dass Menschen des Hungers sterben, erscheint diese Geschichte umso unfassbarer – auch angesichts dessen, dass in 'unseren' reichen Ländern angeblich nicht genug Platz sein soll für Geflüchtete.

Viele Bilder des großen Mahls, des letzten Abendmahls, sind uns im Kopf, allen voran das Abendmahl von Leonardo da Vinci mit den aufgeregten Zwölfen, die miteinander speisen und diskutieren. Vom Jünger, den Jesus ganz besonders liebte, bis zu dem, der ihn verraten wird, sind sie alle dabei – und stehen symbolisch für alle Jünger_innen Jesu.

Es ist der Abend bevor Jesus, der ihnen das Himmelreich verkündet hat, verraten und getötet wird. Sie sitzen zusammen und feiern den Gott der Befreiung und der Gemeinschaft. Aber einen Tag später werden sie sich verlassen fühlen, einsam, ratlos und verzweifelt, weil man ihnen das, an was sie fest glaubten, genommen haben wird. Aber Jesus sorgt vor: Auch nach seinem Tod sollen sie mit ihm verbunden sein, und zwar durch die Elemente Brot und Wein. Essen und Trinken soll die Menschen an Jesus erinnern. "Dies tut zu meinem Gedächtnis", so sagt es Jesus beim letzten gemeinsamen Mahl.

In einer Welt, in der es vielen Menschen nicht möglich ist, satt zu werden und in der zudem viele Nahrungsmittel krankmachend sind, wirkt es fast zynisch, dass ausgerechnet mit Essen und Trinken Jesus anwesend sein soll. Aber vielleicht geht es auch weniger um das, was wir essen, sondern mit wem. Jesus meinte es ernst mit der Tischgemeinschaft: Im elften Kapitel des Matthäusevangeliums wird ihm richtiggehend vorgeworfen, dass er sich mit den unbeliebtesten Menschen an einen Tisch gesetzt hat, Menschen, die marginalisiert und ausgestoßen waren, damals besonders Zöllner und sog. Sünder_innen.

Das Abendmahl kann also auch ganz anders dargestellt werden. Die schwedische Fotokünstlerin Elisabeth Ohlson Wallin platziert Jesus bei einem fancy Queer-Mahl: um ihn herum keine Männer, sondern zwölf Transpersonen, Transfrauen. Zwar zeigt das Bild ein ganz bestimmtes Klischee über Trans* – nämlich das der stets sexuell inszenierten Transfrau bzw. der Drag Queen, mit High Heels, viel Make-Up und Perücke, aber auch hier ist eine Stellvertretung für alle die, die als schräg und schrill und queer gelten, herauszulesen. Der Umgang mit Transmenschen innerhalb der LGBT-Szene hat sich zwar über die letzten Jahre gewandelt, war aber sicher zu der Zeit, als das Bild entstand (1990er-Jahre) unbedingt zu kritisieren. In der homosexuellen Hierarchie standen/stehen Transmenschen oft ganz unten, so formulierte es die Künstlerin. Das Bild sollte "zur Ehre und Rehabilitierung der Menschen, für die sich manche schämen"[1] gelesen werden.

Jesus hat sich getraut, auch und gerade die Menschen einzuladen, mit denen keine_r am Tisch sitzen wollte. An einem Tisch sitzen – das tut man auch heute nur mit Menschen, mit denen man glaubt, gut zu können. "Mit dem/der setze ich mich nicht an einen Tisch!" – Damit drücke ich aus, dass ich eine tiefe Abneigung gegen die Person habe. Die Tischgemeinschaft, besonders am Abend eines jeden Tages, ist für viele Familien und Wohngemeinschaften der Ort, wo sich gemeinsam gesättigt wird – in verschiedener Hinsicht: Bei Tisch hören wir einander zu, wir können die Last oder Freude des Tages teilen, trösten, lachen und den Hunger stillen. Jede_r, der_die schon einmal im Leben eine schmerzhafte Trennung oder den Verlust eines geliebten Menschen erlebt hat, weiß, wie schwer es fällt, alleine zu essen, alleine Nahrung aufzunehmen. In liebevoller Gesellschaft gehen die Bissen hingegen besser runter.

Jesus möchte, dass wir uns beim Mahl an ihn erinnern. An all das Gute, das Stillende, das Lebensbefüllende, zu dem wir fähig sind, weil Gott Mensch geworden ist. Er gibt uns dieses Symbol mit, weil er weiß, dass wir morgen verlassen sein werden – bevor wir an Ostern wieder aufstehen.

Manche stehen mit High Heels wieder auf. Auf Elisabeth Ohlson Wallins Bild hat Jesus die gleichen Schuhe an wie seine transsexuellen Jünger_innen – 'weiblich' konnotierte Schuhe. Denn: "Die Leiden eines anderen zu tragen, heißt, in seinen Schuhen zu gehen."[2]

 

 

[1] Zitat entnommen von der Seite der Lesbischen und Schwulen Basiskirche Basel: http://www.lsbk.ch/6-das-abendmahl/

[2] Zitat entnommen von der Seite der Lesbischen und schwulen Basiskirche Basel:  http://www.lsbk.ch/6-das-abendmahl/

Veröffentlichung der Fotokunst "Das Letzte Abendmahl" mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin Elisabeth Ohlson Wallin. Vielen Dank!

Webseite von Elisabeth Ohlson Wallin: http://www.ohlson.se/