Im März startete der Blog "Kreuz und Queer" – damit hat die Redaktion evangelisch.de nicht nur ein deutliches Zeichen in Richtung Gleichberechtigung und Anerkennung von queeren Menschen gesetzt, sondern auch fünf Schreibenden die Möglichkeit gegeben, ihre Erfahrungen, Reflexionen, Analysen und Gedanken zum Thema Queer und Kirche bzw. Theologie und Glauben zu veröffentlichen und dadurch mit anderen zu teilen sowie den Leser_innen von evangelisch.de einiges aus der "queeren Welt" mitzuteilen. Die zahlreichen positiven Feedbacks auf unsere Beiträge, die bei der Redaktion oder auch bei uns Autor_innen selbst eingingen sowie als Kommentare gepostet wurden, zeigten und zeigen, wie bedeutsam der Blog mit seinen Texten für viele Menschen ist. Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans*menschen etwa lesen aus, über und für ihre Lebenswelten. Nicht ausgegrenzt oder bestenfalls mit gemeint zu werden, sondern auch ganz explizit angesprochen zu werden, das ist in theologischen und kirchlichen Kreisen für LGBTIQs nicht selbstverständlich. Aber auch Menschen, die sich als heterosexuell definieren und_oder sich zuvor nicht viele Gedanken über queere Themen und Lebenswelten von LGBT gemacht haben, profitierten von den informativen und teilweise auch sehr unterschiedlich gewichteten Beiträgen im Kreuz-und-Queer-Blog.
Die destruktiven Reaktionen, derer es auch einige gab, zeigten mir erst recht, wie wichtig es ist, dass Kirche sich öffentlich positioniert: gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und faule Kompromisse in Bezug auf Gleichstellung von LGBTIQs – gegen Hass und Hetze, und letztendlich für die Liebe und das Leben.
Wenn man auf das Jahr zurückblickt, so hat sich vieles in Bewegung gesetzt in Bezug auf LGBT. Es gab ein paar bedeutsame Überraschungen in der Politik, so zum Beispiel die Öffnung des Instituts Ehe für Schwule und Lesben in den USA oder in Irland. Auch die Änderungen der Adoptionsgesetze in Österreich lassen mich noch immer staunen: Schwule und Lesben dürfen ab morgen ganz offiziell ("fremde") Kinder adoptieren (aber übrigens immer noch nicht heiraten). Deutschland könnte es nachmachen, gibt jedoch wenig Hoffnung darauf: Der Widerstand der Union hat klar gezeigt, dass es wohl unter Merkel keine Gleichberechtigung für LGBT geben wird.
In "der" Kirche hat sich wenig bewegt. Geht bei römisch-katholischen Kirchen rein gar nichts vorwärts, haben immerhin weltweit ein paar evangelische Kirchen die Trauung für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet, darunter die evangelisch-lutherische Kirche in Norwegen. Und in Deutschland hat sich zum Ende des Jahres immerhin noch die Rheinische Landeskirche zuversichtlich gegenüber dem Plan, eine gleichwertige Trauung für Homosexuelle einzuführen, geäußert.
Traurig und nachdenklich stimmen die vielen Hetzkampagnen gegen LGBTs, die gerade auch in Deutschland in Form von Demo-Bewegungen mehr und mehr Zuspruch finden sowie die hohe Rate der Gewalt gegen Queers, vor allem Trans*personen.
Wir sind noch lange nicht am Ziel. Auch 2016 wird ein Jahr werden, in dem politische, aktivistische, aufklärerische Arbeit nötig ist und in dem wir immer wieder daran werden erinnern müssen, dass christliche Werte wie Akzeptanz, Toleranz, Nächstenliebe und Lebensbejahung nicht exklusiv sind, sondern für alle Menschen gelten.
Ich wünsche allen Leser_innen und Kolleg_innen ein gutes und gesegnetes Ankommen im neuen Jahr. Und da ein Neubeginn mit Abschied verknüpft ist, wünsche ich ebenfalls ein stimmiges Verabschieden des alten Jahres und allem, was dazu gehört (hat). Danke für ein schönes und spannendes Jahr 2015 mit dem Kreuz-und-Queer-Blog!