Bisexuelle Menschen sind oft unsichtbar, weil sie abseits der Zuordnungen Homo oder Hetero leben. Sie kämpfen zudem meist auf zweierlei Feldern gegen Diskriminierung an: in der Queer Community einerseits und in der heterozentristischen Alltagswelt andererseits. Trotz ihrer Queerness werden sie in 'der Szene' oft nicht ernstgenommen und sind hier wie dort mit Vorurteilen konfrontiert, die als Biphobie bezeichnet werden können.
Oft hört er den Vorwurf "Du kannst Dich ja nur nicht entscheiden!" Auch ignorante Sätze wie "Das ist nur eine Phase! Früher oder später entscheidest du dich für hetero oder homo" zeigen, dass einer_m die bisexuelle Identität oft abgesprochen wird. Dabei ist für die meisten bisexuellen Menschen ihre Orientierung keineswegs uneindeutig oder unentschieden, sondern sehr klar: Sie verlieben sich potenziell eben in Männer* und Frauen* und teilen ihre Sexualität auch mit beiden bzw. allen Geschlechtern.
Ob bisexuelle Menschen generell offener mit Trans*- und Inter*personen als Sexual- und Liebespartner_innen umgehen, kann so genau nicht festgestellt werden, aber es liegt m. E. nahe, weil bisexuelle Menschen sich nicht auf das Begehren eines bestimmten Geschlechtes festgelegt haben und dadurch flexibler mit Körpern und Geschlechtsidentitäten sind. "Ich verliebe mich immer in den Menschen, nicht in das Geschlecht", bestätigt auch Bernd.
Ein Klischee, dem sich Bisexuelle oft konfrontiert sehen, ist das der Unersättlichkeit: Menschen glauben oft, bisexuell zu sein bedeutet, sich nie an eine_n Partner_in binden zu können. Das ist schlicht falsch. Der Wille zur Monogamie oder 'Treue' oder der Wunsch nach einer offenen oder polyamoren Beziehung hängt nicht von der sexuellen Orientierung eines Menschen ab. Bisexuell bedeutet nicht , mehr Seitensprünge zu haben als Menschen, die sich als hetero oder homo definieren. "Viele assoziieren Bisexualität fälschlicherweise mit Gruppensex oder ständigem Fremdgehen", erzählt Bernd, der monogam lebt.
Lebt eine bisexuelle Person in einer monogamen Beziehung mit einer Person des anderen Geschlechts, wird/muss sie sich nicht als heterosexuell bezeichnen, auch wenn die letzte Liebesbeziehung oder sexuelle Begegnung mit einer Person des gleichen Geschlechts bereits Jahre zurückliegt – so wie bei Bernd. Natürlich gibt es aber auch Menschen, die sich erst als bisexuell bezeichnen und sich dann später eher in den Zuordnungen homo- oder heterosexuell verorten – und vice versa. Sexuelle Orientierung ist eben nichts Statisches, und jede_r entscheidet am besten immer selbst, welches Label gerade passt.
Genderaspekte spielen auch im gesellschaftlichen Umgang mit Bisexualiät eine große Rolle. Bei Männern* wie Bernd stellt die Bisexualität einen Bruch des Heterosexuellen dar und damit einen gesellschaftlich zugeteilten Mangel an Männlichkeit an sich. Männer* verheimlichen deshalb vielleicht öfter ihre Bisexualität.
"Viele meiner Hetero-Freunde haben sich von mir distanziert. Hetero-Männer tun sich schwer mit bisexuellen männlichen Freunden. Die Uneindeutigkeit macht ihnen Angst. Ich bin weder der schwule Kumpel noch der, mit dem man heteromachistisch über Frauen reden kann. Ich glaube, bisexuelle Frauen haben es da bei ihren Geschlechtsgenossinnen leichter", findet Bernd.
Bisexuelle Frauen* wiederum erfahren zwar vielleicht seltener Sanktionierungen im Mainstream oder Abweisungen durch ihre Freund_innen, wenn sie sich outen, jedoch wird ihre Sexualität vielfach missverstanden als Dienst für den männlichen Lustgewinn. Die hetero-männliche* Phantasie des 'flotten Dreiers' bedient dann wieder das Vorurteil des Gruppensex und verfestigt zudem heterosexistische Vereinnahmungen von weiblicher* Sexualität.
Neben den Hürden, die es als bisexuelle Person zu überwinden gilt, gibt es auch die vielen Vorteile: Bisexuelle Menschen finden potenziell sowohl in 'der' Homo-Szene Partner_innen als auch in der Hetero-Mainstream-Welt. "Bisexuelle haben doppelt so viele Chancen auf ein Date wie Hetero- oder Homosexuelle", bemerkt Bernd schmunzelnd.
Bernd würde gerne viel offensiver mit seiner Bisexualität umgehen. Gerade auch im Kontext von Gemeinde und Gottesdienst findet er das Thema viel zu wenig berücksichtigt, ja: völlig an den Rand gedrängt. Er ist der Auffassung, dass im kirchlichen Bereich generell eine Person, die sich als definitiv schwul oder lesbisch bezeichnet, mehr Anerkennung findet als eine bisexuelle – abgesehen von Heterosexuellen. Der heutige Bi Pride Day könnte als Anlass genommen werden, um die Unsichtbarkeit und Ausgrenzung bisexueller Menschen zu thematisieren.
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