Die Doppelaxt – ein fast vergessenes Symbol der FrauenLesben*bewegung
Über ein altes religiöses und kultisches Symbol, das mensch auf vielen antiken Wandmalereien, Vasen und Schmuck findet und das sich v. a. lesbische Frauen* zu eigen gemacht haben.

Inspiriert von meinem Urlaub auf der griechischen Insel Kreta, der Wiege der europäischen Hochkultur, schreibe ich diesmal über ein uraltes Symbol, welches – heute schon fast vergessen – sich die Frauen*- und Lesben*-Emanzipationsbewegungen einst angeeignet haben: die Doppelaxt, eine Axt mit zwei einander gegenüberliegenden Klingen. Manchmal baumelt sie noch um Frauen*hälse oder ziert Transparente bei feministischen Demos. Auch als Tattoo-Motiv ist die Doppelaxt beliebt. Vor allem in der Lesben*bewegung kam ihr große Bedeutung zu, u. a. als ‚Erkennungszeichen‘ für die sexuelle Orientierung oder die feministische Haltung der Trägerin*.

Ihr griechischer Name Labrys (??????) steht wahrscheinlich in Verbindung mit dem minoisch-mykenischen Labyrinth (‚Haus der Doppelaxt‘), welches wiederum ursprünglich eine Steinhöhle beschrieb. Die Irrwege des Labyrinths werden nicht nur der Sage nach durch den roten Faden der klugen Prinzessin und kretischen Göttin Ariadne bewältigt. Sie hilft ihrem Mann Theseus den Minotaurus in seinem Labyrinth zu besiegen, indem sie ihm einen roten Faden gibt, den er am Eingang befestigt und mithilfe dessen er nach dem Kampf wieder hinausfindet.

Im Palast von Knossos, der unweit der kretischen Großstadt Iraklio liegt, fand man* die Labrys als Bemalung von Wänden und Säulen, zum Beispiel in der Halle der Doppeläxte. Sie diente früher wohl als Werkzeug, möglicherweise als Waffe, sicher aber als kultisches Symbol auf Siegeln, Schmuck und Sarkophagen. Für die meisten Forscher_innen ist sie ein Symbol göttlicher Macht, und zwar vor allem der weiblichen Gottheit. Die Form der Doppelaxt erinnert zudem an die stilisierten Vulvabilder – in vielen Kulturen das ‚Weiblichkeits‘symbol schlechthin. Hypothesen über die ältesten Zeugnisse der Labrys beschreiben sie in Kleinasien sowie in Indien und der Ukraine, in Form von Grabbeigaben für verstorbene Frauen beispielsweise. Die Matriarchatsforscherin Heide Göttner-Abendroth erwähnt die Doppelaxt als Tötungswaffe der Göttin Rhea, die auch als ihre eigene Tochter Hera erscheint und mit der Labrys Zeus erschlägt. Die Labrys hat ihre sakrale Konnotation nie verloren, auch wenn sie zeitweise Symbol der Herrschaft war – königliches und richterliches etwa.

Vor allem seit den 70er-Jahren in Frauen*- und Lesben*szenen verbreitet, ist sie heute als stolzes Zeichen fast in Vergessenheit geraten. Einige lesbische Frauen* trugen und tragen die Doppelaxt als (Erkennungs-)Zeichen ihrer Liebe und Lust zu anderen Frauen*. Vielleicht hat der Regenbogen als universales queeres Symbol die Doppelaxt vielerorts abgelöst? Hin und wieder findet sich auch eine Kombination aus beidem: die Doppelaxt auf der Regenbogenflagge. In Zeiten von ‚Dritte-Welle-Feminismus‘ und Queer_Feminismus erscheinen manch einer* die alten Kampfsymbole vielleicht auch obsolet, weil zu differenzfeministisch, zu essentialistisch. Vielleicht stören sich auch manche an der Assoziation der Doppelaxt mit politischen Systemen in Frankreich und Griechenland, wo sie als faschistisches Symbol missbraucht wurde.

Es ist schade, wenn die alten feministischen Symbole verstauben, denn ihre Bedeutung kann auch heute noch von großem Wert sein. Als Bild gegen die unterdrückenden und erdrückenden Strukturen des Patriarchats, entlehnt aus einer – wahrscheinlich – matriarchalen Kultur, kann die Labrys bis heute als Kraftsymbol der Frauen*bewegungen gelten.

Die Dopppelaxt – ein Einschnitt in den heteropatriarchalen Mainstream also. Als Symbol der FrauenLesben*-Emanzipation durchaus auch kompatibel mit queeren Ver_Störungen, wie ich finde. Und als Zeugnis eines nicht-patriarchalen uralten Kultes eben auch ein wichtiges Symbol feministischer Theologie.

Nicht erstaunlich also, dass sich das in Deutschland ansässige „Netzwerk lesbischer Theologinnen und theologisch interessierter Lesben“ den Namen Labrystheia gegeben hat: die Göttin der Doppelaxt. http://www.labrystheia.de/

Übrigens – wer es noch nicht weiß: Auch die Bezeichnung ‚lesbisch‘ kommt aus dem Griechischen: Als Namensgeberin dient die Insel Lesbos (im Neugriechischen ‚Leswos‘ ausgesprochen), auf der im 7. Jhd. v. Chr. die berühmte Lyrikerin Sappho lebte, die in ihren Gedichten die Schönheit von Frauen* besang.

Literatur:

Göttner-Abendroth, Heide: Die Göttin und ihr Heros, 1980

Graf, Fritz: Art. „Labrys“, in: DNP, Enzyklopädie der Antike, Bd. 6, 1999, 1035-1036.

Kaliwoda-Bauer, Ulrike: Art. „Doppelaxt“, in: RGG4, 943-944.

Zum Weiterlesen:

Berg, Nina: Die Doppelaxt und ihre religiöse Bedeutung. Herkunft, Geschichte, Symbolik, 2009.

Di Cornelio, Giuseppe: Doppelaxt und Mondtransit. Ein minoisches Ritualsymbol gibt sein Geheimnis preis, 2013.