Die evangelische Kirchengemeinde aus Stuttgart Wangen war Gastgeberin des Regenbogenzentrums. Sie hat die Türen des Gemeindezentrums weit aufgemacht und alle herzlich willkommen geheißen. Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle und Queers (LSBTTIQ), ihre Angehörigen, Freundinnen und Freunde. Und bunt waren die Teilnehmenden des Regenbogenzentrums: Junge, alte, gesunde, kranke, schwarze, weiße, Menschen aus China, Taiwan, Südkorea, Kamerun, Uganda, Estland, Lettland, Rumänien, Finnland, Norwegen, Niederlande, Österreich, Schweiz, den USA, Kanada und von überall in Deutschland kamen sie ins Regenbogenzentrum. Und es gab eine Vielzahl von Veranstaltungen: Vielfalt der Lebens- und Beziehungsformen, Vielfalt sexueller Ausdrucksformen, Sexualität und Behinderung, LSBTTIQ und Gesundheit, LSBTTIQ und Alter, Coming Out Erfahrungen, Umpolungsversuche, Bibel und Homosexualität, Umgang mit Homophobie und Transphobie in der internationalen Ökumene, in Osteuropa und in den Kirchen in Deutschland. Erfahrungen von LSBTTIQ mit Kirche als Arbeitgeberin, Streit um Bibelauslegung, um Segnungsgottesdienste und vieles mehr.
Zur Stärkung von Leib und Seele gab es das Regenbogencafé, Tagzeitengebete, Kreuzwegandachten, in denen der Opfer von Homophobie und Transphobie weltweite gedacht wurde, Bibelarbeiten, Musik und Gebete. Geistlicher Höhepunkt war das Feierabendmahl im Regenbogenzentrum.
Die Vorbereitungsgruppe setzte sich zusammen aus Mitgliedern der Wangener Kirchengemeinde und Mitarbeitenden der LSBTTIQ Netzwerke. 350 Menschen sammelten sich im Gemeindezentrum. Über 50 befanden sich draußen auf dem Hof, wohin der Gottesdienst übertragen wurde. Es war ein bewegender Gottesdienst mit Lebenszeugnissen von Gästen aus Asien und Osteuropa, mit Erfahrungen von Mitgliedern der Wangener Gemeinde und erfrischender Musik vom LSBTTIQ Chor Queerubim. Das in Gruppen gefeierte Abendmahl symbolisierte die Gemeinschaft und die geschwisterliche Solidarität, die im Regenbogenzentrum die ganze Zeit zu spüren war.
Ein Gemeindeglied der Wangener Gemeinde fasste ihre Erfahrungen so zusammen: "Sonntags sind wir normalerweise zehn Leute im Gottesdienst. Jetzt feiern wir hier mit 400. Bisher kannte ich keine Lesben und Schwule. Jetzt weiß ich: Ich habe noch nie einen so bewegenden, friedlichen und ermutigenden Gottesdienst erlebt. Die Leute sind freundlich und gehen respektvoll miteinander um. Warum hat unsere Kirche so ein Problem mit ihnen? Die sind doch klasse! Ich danke unseren Gästen für diese einmalige Erfahrung, die ich in meinem Leben nicht vergessen werde!"
Ein anderes Mitglied der Gemeinde fragte sich: "Warum haben eigentlich so viele Christen Angst vor Lesben und Schwulen? Ich habe hier in Wange wunderbare Menschen kennengelernt. Und sie sind mutig. Teilweise haben sie heftige Anfeindungen in ihren Kirchen erfahren. Warum? Nur weil sie einen Menschen lieben, der anderen nicht passt? Das kann doch wohl nicht wahr sein. Jesus hat doch selbst Nächstenliebe gepredigt. Die habe ich noch nie so eindrücklich erlebt wie in diesen Tagen im Regenbogenzentrum. Ich bin stolz darauf, mit zur gastgebenden Gemeinde zu gehören!"
Tatsächlich ist die Begegnung der Gäste aus ganz Deutschland und darüber hinaus mit den Gemeindegliedern in Wangen ein geglücktes Beispiel dafür was passiert, wenn Menschen sich offen und ohne Vorurteile begegnen und miteinander ins Gespräch kommen.
Umso ernüchternder waren die Aussagen von Werner Baur, Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche in Württemberg. Er war Redner auf der Großveranstaltung des Regenbogenzentrums in der Schwabenlandhalle "Wir wollen nicht erduldet werden!" Die Veranstaltung drehte sich um den umstrittenen Bildungsplan der rot-grünen Landesregierung in Baden-Württemberg. Der Bildungsplan sieht vor, dass vorurteilsfreie und respektvolle Aufklärung über sexuelle Vielfalt verpflichtend in die Lehrpläne verschiedener Fächer einbezogen wird.
Oberkirchenrat Baur blieb in seinen Aussagen wachsweich und vermied es klar Stellung zu beziehen. Aufgrund der Einheit der Kirche müsse er Befürworter und Gegner des Bildungsplans im Blick behalten. Seine Kirche könne sich daher nicht auf eine Seite schlagen. Die Zuhörenden warteten vergeblich auf ein klares Bekenntnis zur Verurteilung von Diskriminierung und für den Schutz von Menschenrechten von LSBTTIQ. Immerhin bestätigte Baur, dass seine Kirche in der Vergangenheit Schuld auf sich geladen habe. Nun sei aber alles viel besser. Lesbische und schwule kirchliche Mitarbeitende seien leistungsstarke Akteure in der Kirche. Die nicht vorhandene Gleichstellung im Pfarrerdienstrecht und die fehlende Möglichkeit von Segnungsgottesdiensten für lesbische und schwule Paare erwähnte er nicht. Der Wunsch von Loni Bonifert, der Leiterin der Selbsthilfegruppe für Eltern homosexueller Kinder, dass Kirche klar Stellung beziehen müsse gegen Ausgrenzung und Diskriminierung, blieb vom Oberkirchenrat ebenfalls unbeantwortet. Die Eltern werden von der Kirche damit genauso allein gelassen wie die Betroffenen. Die Selbsthilfegruppe stehe aber solidarisch zu ihren schwulen und lesbischen Familienmitgliedern und versuche die Betroffenen mit Selbsthilfegruppen, Gesprächen und Informationsveranstaltungen zu unterstützen, so Bonifert.
Gegenüber dem Oberkirchenrat war der baden-württembergische Kultusminister Andreas Stoch erfrischend klar. Er verteidigte mit emotionalen Worten die Position der rot-grünen Landesregierung. In den Lehrplänen müsse die Information über sexuelle Vielfalt vorurteilsfrei verankert sein. Jede Form der Diskriminierung auf der Grundlage von sexueller Orientierung sei klar entgegenzutreten. Es ginge nicht um Umpolung oder Ideologisierung, sondern um das Recht von Schülerinnen und Schülern, über sexuelle Lebensweisen ohne Angst und Vorurteile aufgeklärt zu werden. Für diese Position habe er seit letztem Jahr Hunderte von Hassbriefe und Drohungen erhalten. Das ist erschütternd und darf in einem demokratischen Rechtsstaat nicht sein.
Auch Annemarie Renftle, Lehrerin und Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, betonte, dass das Thema der sexuellen Vielfalt als Querschnittsthema in verschiedene Unterrichtsfächer gehöre. Dafür sei der Entwurf des Bildungsplans ein guter erster Schritt, der aber noch nicht weit genug ginge. Sie zeigte sich fassungslos über die teilweise aggressive Gegenwehr sogenannter "besorgter Eltern". Nach ihrer Erfahrung hätten diese oftmals gar keine Kenntnis über den Bildungsplan, machten aber massiv dagegen Stimmung. Wichtig sei ihr als Lehrerin, dass zum Bildungsplan auch pädagogische und didaktische Konzepte erarbeitet würden. Damit die Umsetzung des Bildungsplans für Lehrerinnen und Lehrer in der Praxis auch möglich wird.
Bei der Veranstaltung des Regenbogenzentrums zur ökumenischen Partnerschaftsarbeit angesichts des Streitthemas Homosexualität fanden andere Kirchenvertreter klarere Worte. Prof. Dr. Martin Hein, der Bischof der Ev. Kirche in Kurhessen Waldeck, ist seit vielen Jahren Mitglied im Zentralkomitee des Ökumenischen Rats der Kirchen. Hein betonte die Notwendigkeit, Homophobie und Transphobie gegenüber afrikanischen und asiatischen Partnerkirchen anzuprangern und über die Thematik trotz aller Schwierigkeiten im Gespräch zu bleiben. Auch Dieter Bullard-Werner, der Geschäftsführer des Deutschen Zweigs der Baseler Mission unterstrich, dass Homophobie im ökumenischen Dialog eine große Schwierigkeit sei, die nur im respektvollen Gespräch miteinander statt übereinander bearbeitet werden könne. Menschenrechtsverletzungen dürften von den Kirchen aber nicht toleriert werden. Ähnlich deutlich äußerte sich Helmut Dopffel, Kirchenrat der Evangelischen Kirche in Württemberg. Er hat das kontroverse Gespräch innerhalb seiner Landeskirche über zwanzig Jahre lang erlebt und sich für Respekt und die Enttabuisierung des Themas eingesetzt. Wenn es nach ihm ging, wäre seine Landeskirche auch im Hinblick auf die ausstehende Möglichkeit der Segnung lesbischer und schwuler Paare wohl schon weiter.
Die deutlichsten Worte gegen Verfolgung und Ausgrenzung von Lesben und Schwulen fand Alice Nkom aus Kamerun. Sie ist Juristin und Menschenrechtsaktivistin und setzt sich bereits seit über zwanzig Jahren für verfolgte Lesben und Schwule ein. Sie hat seitdem unzählige Morddrohungen erhalten, ist aus ihrer protestantischen Kirchengemeinde ausgeschlossen worden und kann sich nur mit Bodyguard bewegen. Trotzdem lässt sie nicht locker. Für sie ist es eine Frage von Recht und Gerechtigkeit, dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität nicht kriminalisiert und verfolgt werden dürfen wie es in Kamerun und in vielen anderen afrikanischen Ländern der Fall ist.
Genau diese Position teilte auch Pearl Wong, Theologin und Geschäftsführerin der Queer Theological Academy in Hongkong. Sie hat in China mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie Alice Nkom in Afrika. Trotzdem bietet sie in einem kleinen Team Kurse in Queer Theology an und kämpft für die Gleichberechtigung von LSBTTIQ in den Kirchen in Asien.
Die beiden Frauen haben in der Veranstaltung zum Streit der Partnerschaftskirchen zum Thema Homosexualität die über 250 Anwesenden begeistert. Trotz der schwierigen Ausgangssituation in ihren Ländern setzen sie sich für Gleichberechtigung und Respekt ein, zum Teil wie bei Alice Nkom unter Einsatz ihres Lebens. Die Ermutigung und der Auftrag, die Partnerschaftsarbeit auch von Europa aus kritisch zu unterstützen und über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen, ist im Publikum angekommen.
Das Regenbogenzentrum hat in ganz verschiedene Richtungen Türen aufgemacht und an einem solidarischen Ort Begegnungen und Gespräche ermöglicht. Es waren ermutigende und tolle Tage. Hoffentlich wird es auch auf dem Kirchentag in Berlin ein Zentrum Regenbogen geben!