Die Projektleitung besteht aus Vertreterinnen und Vertretern von unterschiedlichen christlichen Lesben-, Schwulen-, Bi-,Trans-, Intersexuellen- und Queeren (LSBTIQ) Netzwerken wie z.B. HuK (Homosexuelle und Kirche), LuK (Lesben und Kirche), NKL (Netzwerk katholischer Lesben), MuM (Maria und Martha Netzwerk), Labrystheia, Metropolitan Community Church (MCC), Queerubim, Zwischenraum, u.a.). Sie haben sich frühzeitig an einen Tisch gesetzt, um ein gemeinsames Zentrum zu planen und zu gestalten. Am Donnerstag, den 4. Juni, ab 9:00 Uhr wird es endlich soweit sein:
Das Regenbogenzentrum auf dem Kirchentag in Stuttgart öffnet seine Toren und lädt ein zu einem attraktiven und vielfältigen Programm für Lesben, Schwule und andere Identitäten, wie es im Programm heißt.
Knapp 40 Veranstaltungen werden an drei Tagen angeboten. Dazu kommen jeden morgen eine Bibelarbeit, regelmäßige Beratungszeiten, ein Regenbogencafé, Kreuzwegsandachten, ein Feierabendmahl und ein bunter Abend zum Abschluss des Programms. Das ist eine beeindruckende Anzahl an Veranstaltungen, zumal einige auch international besetzt sind. Junge Queers kommen aus Rumänien, Lettland, Estland und Indonesien, um über die Situation in ihren Ländern zu erzählen.
Die Juristin und Menschenrechtsaktivistin Dr. Alice Nkom wird über die Situation von Lesben und Schwulen in Kamerun berichten. Die Theologin Pearl Wong informiert über queere Theologie aus Hongkong, Pfarrer Stephen Suleeman über die Situation von LSBTIQ in Indonesien. Und deutsche Kirchenleitungsvertreter werden über die Herausforderungen der kirchlichen Partnerschaftsarbeit zwischen europäischen, afrikanischen und asiatischen Kirchen angesichts der Streitfrage Homosexualität debattieren. Auch eine Großveranstaltung zum umstrittenen Bildungsplan in Baden-Württemberg wird am Samstagmorgen in der Schwabenlandhalle angeboten werden. Weitere Themen sind Transsexualität, Transgender und Transidentität, die Vielfalt von Beziehungsformen und Familienbildern und biblische und alltagspraktische Strategien gegen religiös legitimierte Homophobie und Transphobie. Das Programm steht. Es ist alles bereitet. Es kann losgehen!
Dass es so gekommen ist, ist nicht selbstverständlich. Bisher haben das Frauen/ -Lesbenzentrum und das Homosexuelle und Kirche (HuK) - Zentrum auf Kirchentagen stets in Eigenregie ihre Veranstaltungen geplant und durchgeführt. Lediglich die Veranstaltungsorte wurden zentral vom Kirchentag zugewiesen. Angesichts der äußerst kontrovers geführten Debatten um den Bildungsplan der Baden-Württembergischen Landesregierung haben die Verantwortlichen des Evangelischen Kirchentags ein klares Zeichen gesetzt: LGBTIQ sind beim Kirchentag offiziell im Regenbogenzentrum vertreten und laden mit relevanten Veranstaltungen zu den Bereichen Familienformen, Lebensformen, sexuelle Orientierungen und Genderidentitäten ins Regenbogenzentrum ein.
Dieses offizielle Zeichen des Ev. Kirchentags ist kirchenpolitisch wichtig. Denn der Evangelische Kirchentag ist in Stuttgart zu Gast. Und genau hier sind in den letzten beiden Jahren die Auseinandersetzung um den Bildungsplan der Baden-Württembergischen Landesregierung hitzig und teilweise geradezu demagogisch gelaufen. Leider hat sich in diesem Zusammenhang die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Württembergs zurück gehalten. Statt sich eindeutig für eine flächendeckende schulische Erziehung zu Respekt und für ein tolerantes Bewusstsein für die Vielfalt von Lebensformen auszusprechen, hielt sich die Landeskirche bedeckt. Dass in Württemberg der evangelikal-konservative Protestantismus ebenso zuhause ist wie der schwäbische Pietismus, macht die Angelegenheit nicht einfacher. Anhänger dieser Richtungen waren wenig zimperlich, was ihre Ablehnung des Bildungsplans anging. Sie waren teilweise Mitunterzeichner einer Petition gegen den Bildungsplan. Eine respektvolle und faire Aufklärung über verschiedenen Lebensformen im Unterricht? Nicht erwünscht.
Insofern entscheiden sich die Verantwortlichen des Evangelischen Kirchentags ihrerseits, klar Farbe zu bekennen. Das Regenbogenzentrum wurde in Absprache mit Vertreterinnen und Vertretern von christlichen LSBTIQ Netzwerken und in Anlehnung an das Regenbogenzentrum auf dem Kirchentag in Hamburg 2013 organisiert. Dieses Mal wurde das Zentrum aber mit einer offiziellen Kirchentagsprojektleitung bestückt. Das war für alle Beteiligten ein Novum! Ein doppelte Wechsel wurde vollzogen: Zum einen von autonomen Vorbereitungsgruppen zu einer offiziell geförderten Projektleitung und zum anderen von den getrennten Planungskreisen des HuK-Zentrums und des Frauen/-Lesbenzentrum zum gemeinsamen Planungsteam des Regenbogenzentrums. Dieser doppelte Wechsel ist trotz unterschiedlicher Interessenlagen, Befindlichkeiten und Schwerpunktsetzungen nach meiner Wahrnehmung geglückt.
Ich selbst war Mitglied in der Projektleitung und bin erstaunt, dass wir mit viel Spaß und einigermaßen unproblematisch durch die Planung und Vorbereitungen gekommen sind. Immerhin standen unterschiedliche Schwerpunkte von Lesben, Schwulen, Von Bi- und Transsexuellen zur Debatte. Es ging um Gender- und Sprachsensibilitäten, um Rollenanfragen, Familienbilder, feministische, transidentische, queere, postkoloniale und intersektionale Analysen und deren Auswirkungen auf das Programm im Regenbogenzentrum und vieles mehr. Da ging es schon so manches Mal hoch her. Die neutrale Moderation des Kirchentagbüros war gefragt, um die lebendige aber manchmal eben auch hitzige und empfindliche Vielfalt am Planungstisch wieder in konstruktive Bahnen zu lenken. Nach meiner Einschätzung ist das gut gelungen. Auch weil sich alle Beteiligten professionell und respektvoll in die Planung eingebracht haben. Einige Grundsatzdiskussionen und kommunikative Extraschlaufen waren dafür nötig, aber es hat sich gelohnt. Die professionelle Unterstützung unserer Planung durch das Kirchentagsbüro hat sicherlich auch dazu beigetragen. Sitzungsprotokolle wurden erstellt. Arbeitspläne und Checklisten eingereicht und die offizielle Korrespondenz mit Referentinnen und Referenten wurde reibungslos vom Kirchentagsbüro übernommen. Das hat der Projektleitung einiges an Arbeit abgenommen. An dieser Stelle vielen Dank dafür! Gerade auch deshalb, weil sich das Kirchentagsteam erst kurz vor der Berufung der Projektleitung neu zusammengesetzt hat. Der für uns zuständige Programmreferent Mario Zeißig war gerade neu eingestellt worden. Wir mussten uns also erst einmal aneinander gewöhnen und miteinander in einen für alle akzeptablen Arbeitsmodus einschwingen. Das hat gut geklappt!
Meine Bilanz kurz vor dem Kirchentag: Schon bevor das Regenbogenzentrum seine Türen öffnet ist etwas Tolles gelungen: Vertreterinnen und Vertreter von ganz verschiedenen LSBTIQ Netzwerken haben gemeinsam an einem Planungstisch gesessen und ein gemeinsames Programm erstellt.
Die Beteiligten und ihre Netzwerke sind sich näher gekommen. Wir haben miteinander geredet, gelacht, gestritten, uns genervt und uns auch wieder vertragen. An Humor und einer gesunden Portion Selbstironie hat es auch nicht gefehlt. So funktioniert gegenseitiges (Kennen-)Lernen auf Augenhöhe. So könnten es die LSBTIQ Netzwerke auch in Zukunft halten. Aber das ist ein anderes Thema.
Was zu sagen bleibt: Herzliche Einladung zu allen Veranstaltungen im Regenbogenzentrum in Stuttgart - Wangen! Auch die gastfreundliche evangelische Michaelsgemeinde freut sich auf ihre queeren Gäste und lädt alle Interessierten herzlich ein. Das Programm ist anspruchsvoll, bunt und vielfältig. Ihr werdet einen Besuch bestimmt nicht bereuen!
Weitere Informationen zum Ev. Kirchentag in Stuttgart vom 3. - 7. Juni 2015:
www.regenbogen-zentrum.info - www.kirchentag.de
Adresse vom Regenbogenzentrum:
Evangelisches Gemeindezentrum Stuttgart - Wangen
Ulmer Str. 347a
70327 Stuttgart