Bereits in der vergangenen Woche lief im NDR Fernsehen die Dokumentation Die Schwulenheiler 2, die auch auf evangelisch.de mehrfach Gegenstand der Auseinandersetzung war, in Beiträgen von Katharina Payk und Hanno Terbuyken. Vieles des dort Gezeigten ist zwar schockierend, aber für mich als Christ aus dem frommeren Spektrum der Landeskirche nicht wirklich neu. Dass es Pfarrer_innen, Gemeinden und Gemeinschaften gibt, die Homosexualität für Sünde beziehungsweise eine heilbare Krankheit halten, war mir bereits hinlänglich bekannt. Der eigentliche durch die Reportage aufgedeckte Skandal liegt an einem anderen Punkt, nämlich im Verhalten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), insbesondere von deren Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm.
Dem höchsten EKD-Repräsentanten wurde Gelegenheit geboten, sich klar und deutlich von sogenannten Therapieangeboten für homosexuell liebende Menschen zu distanzieren. Doch hierzu war Bedford-Strohm nicht bereit. Stattdessen tat er zwei Dinge. Zum ersten, bekennt sich der EKD-Ratsvorsitzende zum Leitbild Ehe und fällt damit hinter die Position des EKD- Familienpapieres zurück. Zum zweiten läuft er vor der Anmerkung des Journalisten, keine Antwort auf dessen Frage nach den Heilungsversuchen an Homosexuellen gegeben zu haben, im wörtlichen Sinne davon. Auch zu einem späteren Zeitpunkt stand Bedford-Strohm nicht für ein weiteres Interview zur Verfügung.
Dem höchsten geistlichen Vertreter der EKD, muss die Paradoxie seiner Aussage, dass Leitbild Ehe zwar stärken, aber dies nicht dadurch erreichen zu wollen, dass homosexuelle Partnerschaften abgewertet werden, klar sein! Denn ein Leitbild bedeutet immer, dass es Menschen gibt, die dieser Vorgabe entsprechen und dafür privilegiert werden und Menschen, die dem Ideal nicht entsprechen und deshalb benachteiligt werden. Leitbilder können nur durch die Schaffung und Durchsetzung von Ungleichheiten existieren. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass Frauen und Männer, die eine auf Lebenszeit angelegte Partnerschaft eingehen, den Zugang zu kirchlichen Trauungen, wenn sie Pfarrer_innen sind, das obligatorische Recht gemeinsam im Pfarrhaus leben zu dürfen und den vollen seelsorglichen Schutz bekommen. Homosexuellen Beziehungen hingegen wird all das verwehrt.
Um solche Ungerechtigkeiten zu beseitigen legt das aktuelle Familienpapier der EKD den Fokus gerade nicht mehr auf personelle Konstellationen, sondern auf gelebte Werte, wie Verlässlichkeit, Fürsorglichkeit, Gleichberechtigung und Fairness. Doch Bedford-Strohm handelt trotzdem nach dem alten Paradigma. Das offenbart sich in seinem Schweigen auf die Frage, wie er Organisationen, die homosexuell liebende Personen zu therapieren versuchen, bewertet. Gäbe es Gemeinden, Gemeinschaften und Beratungsstellen innerhalb der EKD, die heterosexuell empfindenden Menschen Heilungsangebote machten, also hin zur Homosexualität, wäre der Aufschrei zu recht (!) groß. Auch der EKD-Ratsvorsitzende würde sich von den handelnden Personen schnellst möglich abgrenzen und nicht nur das, es würden ernsthafte Konsequenzen folgen. Denn ja, eine sexuelle Identität ist nicht therapierbar, die ist gottgegeben, gottgewollt. Alle Versuche, daran etwas zu verändern, können ja nur Sünde produzieren, weil sie den Menschen von der Schöpfung entfernen und damit die Beziehung zu Gott stören. Aber gilt das für den EKD-Ratsvorsitzenden auch für homosexuelle Liebe? Ist Homosexualität für ihn gleichermaßen vor Therapieversuchen bewahrenswert? Und wenn es so sein sollte, welche Konsequenzen will Bedford-Strohm dann für seine Amtsführung daraus ziehen?
Auf all diese Fragen muss der EKD-Ratsvorsitzende dringend antworten, wenn er das Zeugnis seines Amtes nicht unglaubwürdig machen will. Und auch die Synode der EKD, sowie die Landeskirchen müssen klar Stellung beziehen. Wollen sie weiter dulden, dass unter dem Namen Evangelische Kirche in Deutschland Therapieversuche an Homosexuellen durchgeführt werden oder nicht? Diese Klarheit sind sie den Kirchenmitgliedern, ihren Mitarbeiter_innnen, denen gegenüber sie in der Fürsorgepflicht stehen, der Öffentlichkeit und zuallererst dem Herrn der Kirche, Jesus Christus, schuldig!